Technik:Verwanzte Wälder

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Einfache Solarzellen versorgen die Baum-Handys mit Strom. (Foto: Rainforest Connection)

Kalifornische Waldschützer hängen alte Handys in den Regenwald, um darauf die Geräusche des Dschungels aufzuzeichnen. Das soll Holzdiebe überführen.

Von Andrea Hoferichter

Im Regenwald herrscht ständiges Getöse. Das Zirpen, Singen, Knarzen und Schreien der Tiere ist so laut, da geht das Knattern von Kettensägen schnell unter - selbst wenn diese sich gerade durch den Stamm eines uralten Baumes fressen. Illegales Abholzen bleibt dadurch oft sogar dann unbemerkt, wenn Ranger in der Nähe sind.

Deshalb hat Topher White, Physiker und Gründer des Waldschutzverbands Rainforest Connection in San Francisco, damit begonnen, Regenwälder mit ausrangierten, solarbetriebenen Handys abzuhören. Er will die Baumdiebe auf frischer Tat ertappen. "Erste Projekte in Indonesien und Kamerun haben gezeigt, dass die Methode funktioniert", sagt White. Gerade habe er mit Teamkollegen gebrauchte Telefone, die gespendet wurden, im brasilianischen Amazonasgebiet installiert.

Für den Lauschangriff im Regenwald werden die Althandys mit neuen Simkarten bestückt und in schützenden Kunststoffgehäusen etwa 35 bis 50 Metern hoch an Baumstämme gebunden. "Viele gefährdete Gebiete liegen in der Peripherie der Regenwälder, wo es auch ein Handynetz gibt", sagt White. Die Geräte nutzen den jeweils günstigsten Prepaid-Tarif eines lokalen Anbieters und können ihr Guthaben zwischendurch per SMS wieder auffüllen. Sie senden den Dschungelsound live zu einem Internetserver. Eine eigens entwickelte Software durchsucht die Daten dann nach charakteristischen Kettensägen-Klängen. Auch knatternde Mopeds oder dröhnende Laster kann sie herausfiltern. Im Verdachtsfall sendet sie eine E-Mail an die Ranger vor Ort.

Mit jedem Telefon sollen sich etwa 300 Hektar Wald kontrollieren lassen, das entspricht einem Kreis von fast zwei Kilometern Durchmesser. "Platziert man die Geräte geschickt an Einfallstraßen, kann man aber auch deutlich größere Gebiete überwachen", betont White. Damit die Handys mit möglichst wenig Energie auskommen, entfernen die Umweltschützer vor dem Einsatz Displays, Lautsprecher und Vibrationsmotoren und senken die Taktfrequenz der Prozessoren. Für die Stromversorgung haben sie eine blütenblättergleiche Anordnung aus sieben postkartengroßen Siliziumsolarmodulen entwickelt, die möglichst viele der waldtypischen Sonnenlichtflecken in elektrische Energie verwandeln sollen. Das Material dafür stammt aus Produktionsabfällen eines kalifornischen Solarunternehmens.

Zwischen 50 und 90 Prozent des weltweit gehandelten Holzes werden laut Interpol illegal geschlagen. Das zerstört nicht nur wertvolle Biotope, sondern trägt auch erheblich zum Klimawandel bei. Aurélie Shapiro von der Umweltorganisation WWF in Berlin hält Whites Handymethode für eine gute Gegenmaßnahme, da sie billig und umweltfreundlich ist.

Ebenfalls geeignet ist laut Shapiro die Überwachung mit hochauflösenden Satellitenbildern, mit denen der WWF zurzeit Baumdiebe in Indonesien und bald auch in Russland dingfest machen will. "Wir bekommen fast täglich Bilder mit einer metergenauen Auflösung", sagt sie. Registriert das System, dass in einem Schutzgebiet plötzlich ein Stück Wald fehlt, werden die Projektpartner vor Ort informiert. "Die Holzfäller sind oft mehrere Tage am Werk. Man hat also durchaus eine Chance, sie noch zu erwischen", sagt Shapiro. Auch die brasilianische Regierung setzt seit vielen Jahren auf Satellitenbilder, die allerdings mit 250 Metern deutlich schlechter auflösen. Die Baumdiebe haben sich einer aktuellen Studie zufolge schon darauf eingestellt und roden kleinere Flächen.

Whites Team in San Francisco plant derweil neue Projekte, unter anderem für gefährdete Waldgebiete in Ekuador und auf den Philippinen. Um auch abgelegene Regionen überwachen zu können, wollen die Umweltschützer eigene Übertragungsnetze mit koffergroßen Geräten errichten, die an Bäumen montiert Handymasten ersetzen können. Die dafür erforderliche Technologie stamme von einem Kooperationspartner im Silicon Valley, sagt White. "Da die Audiodaten ohnehin gespeichert werden, wäre es auch möglich, sie via Funk auf Drohnen zu übertragen und dann von diesen in einem vernetzten Gebiet wieder auszulesen."

Außerdem wollen die Forscher ihre Daten für andere Zwecke verfügbar machen. Mit einer verfeinerten Software könnten Biologen Informationen über die Artenvielfalt aus den Lauten der Tiere gewinnen. Und wenn das System bald auch Schüsse im Dschungelgetöse erkennt, könnte es dabei helfen, Wilderern das Handwerk zu legen.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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