Benediktbeuern:Stimmlich frisch bis zuletzt

Benediktbeurer Konzerte

Auch fürs Auge ein Ereignis: Der Münchner Motettenchor in der Klosterbasilika in Benediktbeuern.

(Foto: Manfred Neubauer)

Münchner Motettenchor und "Brassexperience" präsentieren in Benediktbeuern ein anspruchsvolles Programm

Von Reinhard Szyszka, Benediktbeuern

Nein, leicht haben sie es sich wahrlich nicht gemacht. Wer einen Blick auf den Programmzettel warf und sah, was sich der Münchner Motettenchor für seinen Auftritt in Benediktbeuern vorgenommen hatte, dem musste alleine der schiere Umfang des Programms Respekt abnötigen. Eine barocke Motette, eine große romantische Messe, ein Chorwerk von Brahms und anderes mehr, dazwischen immer wieder Werke für Blechbläser. Manch anderer und durchaus nicht schlechter Chor wäre stolz gewesen, die Hälfte dieses Programms im Konzert zu bestreiten.

Mit knapp 60 Sängerinnen und Sängern war der Münchner Motettenchor nach Benediktbeuern gekommen, erfreulich ausgewogen in den Stimmen. Der Chor nahm auf den Stufen des Hochaltars Aufstellung, davor saßen die Musiker des Bläserquintetts Brassexperience, und ganz vorne, fast am Volksaltar, befand sich das Dirigentenpult. Schon der erste Akkord ließ aufhorchen: sonor, in perfekter Balance zwischen Sängern und Instrumenten, dazu makellos intoniert. Die Motette "Herr, unser Herrscher" von Heinrich Schütz ist ein heikles Werk, weil sich darin A-cappella-Passagen und Abschnitte mit Bläserunterstützung abwechseln. Der Chor muss im a cappella die Intonation unbedingt halten; jede kleinste Abweichung fällt unbarmherzig ins Ohr, sobald die Instrumente wieder einsetzen. Aber kein Problem für diesen Chor.

Die Schütz-Motette war das einzige Werk des Programms, bei dem die Sänger und die Bläser zusammenwirkten; ansonsten wechselten sie sich ab. Die Motette "Jauchzet dem Herrn" ist ein etwas sonderbares Konglomerat aus Chorsätzen von Bach und Telemann; die Zusammenstellung geht möglicherweise auf Bachs eigene Musizierpraxis zurück. Der Chor bewältigte den Barockstil mit Beweglichkeit und schlanker, durchhörbarer Stimmführung. Mit einfachen, klaren Zeichen leitete Benedikt Haag seine Sänger, ruhig und präzise, ohne seine eigene Rolle in den Vordergrund zu drängen.

Bevor anschließend die Blechbläser spielten, trat der Chor ab und nahm in den Bänken des Querschiffs Platz, um hinterher wieder aufzutreten. Diese Ab- und Auftritte der Sänger wiederholten sich mehrfach während des Konzerts, und es spricht für die Sensibilität des Chorleiters, dass er die damit verbundene Unruhe in Kauf nahm, um dem Chor seine Erholungspausen im Sitzen zu gönnen. Allzu oft erlebt man es, dass die Chorsänger während ausgedehnter Instrumental- oder Solistenpassagen stehen müssen. Dass es hier anders war, tat dem Chor und damit der Qualität des Konzerts sicherlich gut.

Die Es-Dur-Messe von Joseph Gabriel Rheinberger gehört zum Anspruchsvollsten, was die Chorliteratur des 19. Jahrhunderts zu bieten hat: doppelchörig, durchgehend a cappella. Wieder merkte man schon beim ersten Akkord, dass hier ein gänzlich anderes Klangideal herrscht als bei Schütz oder Bach: flächig, farbig, klangvoll. Mit bewundernswerter Disziplin gestalteten der Dirigent und die Sänger die feinsten dynamischen Nuancen des Werks. Besonders gelungen waren die leisen Abschnitte: der Agnus-Dei-Teil im Gloria, "et sepultus est" im Credo. Dass zwischen den Sätzen jeweils neu angestimmt wurde, ist bei einem derart anspruchsvollen und umfangreichen Werk wahrlich keine Schande. Intonationssicher und stimmlich frisch bis zuletzt meisterten die Sänger die Messe.

Das Bläserquintett Brassexperience spielte kultiviert und wusste sich auf die unterschiedlichsten Stile einzustellen. Die Romantik war vertreten mit zwei Sätzen eines Konzerts von Victor Ewald, und aus dem 20. Jahrhundert gab es ein kurzes Quintett von Michael Kamen zu hören in allerdings sehr gemäßigter Modernität, vielmehr konventionell und tonal. Auch der Chor wagte sich - nach den drei "Fest- und Gedenksprüchen" von Brahms - in die neuere Zeit vor mit "Cantate Domino" des Engländers John Rutter. Mit diesem Werk ging das offizielle Programm zu Ende; der Chor bedankte sich für den reichhaltigen und verdienten Applaus mit dem allbekannten "Herr, bleibe bei uns" von Rheinberger.

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