Denning:Geheime Kommandosache

Gutachten über die Raumluft in Denninger Schul-Containern werden besorgten Eltern auf Wunsch kurz vorgelegt. Sie allgemein zugänglich ins Internet zu stellen, lehnt das Bildungsreferat ab: Laien verstünden sie ohnehin nicht

Von Renate Winkler-Schlang, Denning

Da klagt ein Zweitklässler plötzlich über heftige Kopfschmerzen. Der Bub kann sich schlecht konzentrieren, Halsweh kommt dazu. Das mag natürlich etwas Harmloses sein. Doch ein Vater, der weiß, dass das Kind seit diesem Schuljahr an der Fritz-Lutz-Schule in einem nagelneuen Container unterrichtet wird, zieht zumindest den Kontakt mit einem Umweltgift in Betracht. Schließlich hat er die Berichte über die Formaldehyd-Probleme an der Obermenzinger Grandlschule noch frisch im Gedächtnis. Indiz für des Vaters These ist die Tatsache, dass die Symptome gerade am kühlsten Tag des neuen Schuljahres auftraten - dem ersten Tag also, an dem die Fenster in den fünf Container-Klassenzimmern zum ersten Mal meist geschlossen blieben. Auch andere Kinder hätten genau an dem Datum ähnliche körperliche Reaktionen gezeigt, erfährt er.

Der Vater, Roman Sedlmaier, von Beruf Jurist, recherchiert - auch, um sich zu beruhigen. Doch die Recherche hat den gegenteiligen Effekt. Die Schulleiterin versteht seine Sorge, doch auch sie hat das Gutachten, das den neuen Räumen angeblich Unbedenklichkeit bescheinigt, nicht in der Hand. Im Referat für Bildung und Sport erfährt er von einer Belastung mit flüchtigen organischen Verbindungen. Die sei aber am Tag der Messung so gering gewesen, dass regelmäßiges Lüften reiche. Statt der Beruhigung also neue Unklarheiten: Was ist regelmäßiges Lüften? Das Internet bietet ihm vielerlei Infos, vom Umweltbundesamt bis zur Europäischen Gesellschaft für gesundes Bauen und Innenraumhygiene beißt er sich durch, findet den fast 150-seitigen "Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden" und vieles mehr. Fazit: Er ist immer noch verwirrt, aber auf höherem Niveau.

Am meisten würde ihm helfen, das konkrete Gutachten einzusehen, das just vom Klassenraum seines Sprösslings handelt, und sich dieses Gutachten von einer befreundeten Expertin erklären zu lassen. Allein, er bekommt es nicht. Das ist es, was Roman Sedlmaier nun besonders verärgert: Er könne vorsprechen, Einsicht nehmen, sich Notizen machen. Herausgeben als Kopie oder etwa gar im Internet transparent machen könne man das Gutachten nicht, sagt man ihm. Begründung: das Urheberrecht des Gutachters einerseits, die Gleichbehandlung andererseits.

Für Sedlmaier sind solche Argumente jedoch nicht stichhaltig, sondern ein Vorwand. Der Gutachter, mit dem er selbst Kontakt aufgenommen hatte, sei gar nicht gefragt worden, ob er einer Veröffentlichung zustimme. Er verwies den Vater aber natürlich zurück an seinen Auftraggeber. Sedlmaier ist sicher, dass Gutachten nicht dem Urheberrecht unterliegen. Es fehle ihnen die im Urheberrechtsschutz geforderte "eigenschöpferische Prägung", sprich: Der Experte kreiert und erfindet nichts, er bildet nur die vorgefundene Wirklichkeit ab. Der Verweis auf andere, auch im Dunkeln gelassene Schulen gefällt dem Juristen auch nicht: Das sei "der Versuch von Gleichbehandlung im Unrecht" und damit rechtswidrig, argumentiert er. Die Stadtspitze, an die er sich wendet, nimmt seine Sorgen ernst - das Baureferat hatte an der Grandlschule doch hoch und heilig versprochen, künftig werde noch genauer hingeschaut. Oberbürgermeister Reiter und beide Bürgermeister versprechen umfassende Informationen. Am Dienstagabend wurden denn auch Vertreter aus Bildungs-, Bau- und Gesundheitsreferat in Marsch gesetzt zum Elternabend.

Vorher schon versichern Bildungs- und Gesundheitsreferat der SZ, es werde keine Schule ohne das Okay eines Sachverständigen freigegeben, denn die Gesundheit stehe an oberster Stelle. Da war kein Formaldehyd, heißt es. Es habe nur ein wenig "neu" gerochen anfangs, auch nicht anders, als wenn daheim der Maler komme oder man sich beim Schweden neue Möbel kaufe, verlautet es aus dem Gesundheitsreferat. Die neue Referentin Stephanie Jacobs, selbst Mutter zweier Kinder, verstehe auch den Wunsch nach Transparenz und werde sich bemühen, Wege zu finden, Gutachten zu veröffentlichen und zu übersetzen. Das Bildungsreferat aber bleibt dabei: Gutachten seien für Laien unverständlich. Daher nur das Angebot, "sie einzusehen und erklärt zu bekommen".

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