Studie:Verrechnet

Mit der Praxis vieler internationaler Konzerne, Erträge in steuergünstige Länder zu verschieben, soll Schluss sein. Den Firmen gefällt das nicht.

Von Guido Bohsem, Berlin

Das Konstrukt, das sich hinter dem Namen Verrechnungspreise verbirgt, hat in den vergangenen Monaten nicht gerade an Ansehen gewonnen. Darunter versteht man, grob gesprochen, die Preise, die Unternehmen für konzerninterne Lieferungen etwa von Gütern, Dienstleistungen und für die Nutzung von Rechten und Patenten veranschlagen. Konzerne wie Google, Amazon und Starbucks haben die interne Verrechnung gekonnt dazu genutzt, um ihre Steuerlast beinahe gegen Null zu drücken. Sie siedelten ihre Holding in einem Niedrigsteuerland an und ziehen dort alle Rechte und Patente zusammen. Ihr eigentliches Geschäft machen sie in Hochsteuerländern, ihre Töchter dort aber müssen hohe Preise für die Nutzung eben dieser Patente zahlen. So bleibt der Ertrag im Niedrigsteuerland und kein besteuerbarer Gewinn im Hochsteuerland.

Die internationale Staatengemeinschaft will diesem Spiel ein Ende bereiten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) soll von 2016 an darüber wachen, dass die neuen Regeln gegen Steuervermeidung und Gewinnverlagerung (BEPS) auch wirklich angewandt werden: Konzerne sollen grundsätzlich dort Steuern zahlen, wo sie auch Gewinne machen.

International agierende Unternehmen mit Sitz in Deutschland können diese Steuervermeidung nicht nutzen. Der Kampf gegen die Praxis dürfte jedoch für sie zu zusätzlichen bürokratischen Belastungen und Unsicherheiten über die Höhe ihrer Steuer führen. Das ergab eine Studie der Professoren Andreas Oestreicher und Ekkehart Reimer von den Unis Göttingen und Heidelberg, die von der Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegeben wurde.

Schon um die geltenden Rechtsvorschriften bei den Verrechnungspreisen anzuwenden, sei der Aufwand für die Unternehmen enorm hoch, heißt es in der Untersuchung. "Den Unternehmen erwachsen aus der Erfüllung ihrer Dokumentationspflichten enorm hohe Kosten." Der BEPS-Prozess lasse nun erwarten, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren ungebremst fortsetzen werde. Auch die Klagen der Unternehmen über Unsicherheit und Willkür bei der Anwendung der Regelungen werde steigen.

Eine Umfrage unter etwa 100 Familienunternehmen ergab, dass 45 Prozent aller dem Finanzamt vorgelegten Fälle von Verrechnungspreisen beanstandet wurden. In mehr als 15 Prozent dieser Fälle stellten die Unternehmen fest, dass dies häufig oder fast immer der Fall ist. In mehr als 40 Prozent der Fälle wurde die Dokumentation und in 54 Prozent die Höhe des Verrechnungspreises beanstandet. Besonders hoch ist die Beanstandungsquote bei immateriellen Wirtschaftsgütern - also zum Beispiel Rechte und Patente. Sie liegt laut Umfrage bei 80 Prozent.

Viele Betriebe leiden unter einer anhaltenden Rechtsunsicherheit

Aus Sicht der Unternehmen bestünden laut Gutachten zudem Zweifel daran, ob Ausbildung und Expertise der Finanzbeamten mit der steigenden Internationalisierung der Unternehmen mitgehalten habe. Dadurch entstünden unnötige Konflikte und Verzögerungen. Zudem seien nicht genügend Beamte für das Thema zuständig, das an Bedeutung gewinne.

Nach den Worten von Rainer Kirchdörfer, Vorstandsmitglied der Stiftung Familienunternehmen, leiden die großen, international aufgestellten Familienunternehmen in hohem Maß unter der Rechtsunsicherheit bei der Ermittlung der Verrechnungspreise. "Es bedarf dringend einer Anpassung des deutschen Verfahrensrechts an internationale Standards." Peter Kulitz, Präsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) forderte die Finanzverwaltung auf, anders als heute verbindliche Auskünfte und Zusagen auch in Verrechnungspreisfragen zu erteilen. Das sei nach Verfahrensrecht möglich.

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