Nürnberg:Flucht und Vertreibung

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Das Internationale Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte

Von Katja Auer, Nürnberg

Das Thema hat die Organisatoren des Nürnberger Filmfestivals für Menschenrechte auf bedrückende Weise eingeholt: Um Flucht und Migration geht es in diesem Jahr, doch als dieser Schwerpunkt im Sommer festgelegt wurde, wusste noch niemand etwas von Stacheldraht an der ungarischen Grenze, von Wasserwerfern, aber auch nicht von den spontanen Hilfsaktionen an den Bahnhöfen. Doch Festivalleiterin Andrea Kuhn will nicht nur "diese armen Leute" zeigen und Betroffenheit schüren. Vielmehr würden in den Filmen auch die Fluchtursachen beleuchtet und die europäische Abschottungspolitik diskutiert, sagt Kuhn.

Um diese Themen geht es auch bei einer Podiumsdiskussion mit dem Schriftsteller Ilija Trojanow. Zum Abschluss des Festivals wird dann der Film "Those Who Feel The Fire Burning" gezeigt, eine Anklage gegen die Festung Europa aus der Sicht eines ertrunkenen Flüchtlings. Das ist freilich polemisch und surreal, "aber man kann bei diesem Thema schon mal die ausgewogene Sicht der Dinge verlassen", meint Andrea Kuhn.

Einen zweiten Schwerpunkt legt das Festival, das in diesem Jahr zum neunten Mal stattfindet, auf die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Für die meist schlecht bezahlten Arbeiterinnen setzt sich auch Amirul Haque Amin ein, der dafür in diesem Jahr mit dem Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet wird.

Das Festival, das nach eigenen Angaben das größte seiner Art in Europa ist, hat Gäste aus aller Welt. In diesem Jahr auch endlich den Iraner Mohammad Rasoulof. Der regimekritische Regisseur, der wegen seiner Arbeit im Iran zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, war 2013 Schirmherr des Festivals und bekam den Ehrenpreis verliehen, doch der Iran verweigerte Rasoulof die Ausreise. In diesem Jahr nun kann er nach Nürnberg kommen.

Eröffnet wird das Festival in der Tafelhalle mit dem neuen Werk des Regisseurs Joshua Oppenheimer, der schon vor zwei Jahren Aufsehen erregt hat. Damals hatte er für seinen Film "The Act of Killing" Mörder und Machthaber im heutigen Indonesien vor die Kamera geholt, die ohne jede Reue von ihren Verbrechen nach dem Militärputsch 1965 erzählten. In seinem neuen Werk "The Look of Silence" wendet sich Oppenheimer nun den Opfern zu. Der Regisseur wird in diesem Jahr mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet.

Es gibt Filme aus aller Welt zu sehen, die sich mit allen Facetten der Menschenrechte befassen. 730 Filme aus 113 Ländern wurden eingereicht, sagt Kuhn, soviel wie noch nie. Die Themen sind vielfältig. Es geht um das zerstörte Dorf bei Fukushima genauso wie um kriminelle Priester in Chile oder die Arbeiter in Südafrikas größter Platinmine. Gezeigt wird auch das Werk "Maidan" des preisgekrönten Regisseurs Sergei Loznitsa, der anwesend sein wird. Damit will das Festival den Blick auch auf jene Themen lenken, die gerade nicht so im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit stehen. Wie nach Guatemala, wo sich Staatsanwältin Claudia Paz y Paz um Gerechtigkeit bemühte. Joey Boink hat sich filmisch dabei begleitet. Deutsche Filme sind ebenfalls darunter, wie jener von Lars Kraume über Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der Ende der Fünfzigerjahre unerbittlich den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann jagte.

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Bislang unbekannte Filme stehen auf dem Programm, aber auch solche, die schon auf anderen Festivals ausgezeichnet worden, auf der Berlinale etwa oder dem Sundance Festival. Zum Festival gehört auch das Schulprojekt "Open Eyes", bei dem sich Schüler die Filme anschauen und mit dem Filmschaffenden aus aller Welt diskutieren. Leiterin Andrea Kuhn verbucht einen Anmelderekord: 3400 Schüler wollen in diesem Jahr in die Kinos kommen; und noch gebe es Kapazitäten für weitere Klassen.

9. Internationales Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte, 30. September, bis 7. Oktober. Informationen unter www.nihrff.de

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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