Merkel in Flüchtlingsdebatte:So einsam wie mächtig

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Mancher spricht bereits von der Kanzlerinnen-Dämmerung. Doch ist Angela Merkels Macht wirklich in Gefahr?

(Foto: AFP)

In Beliebtheitsumfragen stürzt Merkel ab, die ersten sprechen von Kanzlerinnen-Dämmerung. Damit stellen sich zwei Fragen: Warum ändert Merkel ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik nicht? Und: Ist ihre Kanzlerschaft in Gefahr?

Von Robert Roßmann

Um Angela Merkel wird es einsam. Die gerade noch als Über-Präsidentin verehrte Kanzlerin ist in den Beliebtheitsumfragen auf den vierten Platz abgestürzt. CSU-Chef Seehofer attackiert Merkels Flüchtlingspolitik beinahe täglich - und spricht damit einem Großteil der CDU-Mitglieder aus dem Herzen. Auch der Bundespräsident scheint sich von Merkel abzusetzen. Die Ersten sprechen bereits von der Kanzlerinnen-Dämmerung. Das ist die Lage, am Tag 25 nach Merkels Entscheidung, die Flüchtlinge vom Budapester Bahnhof nicht an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen. Damit stellen sich zwei Fragen: Warum ändert Merkel ihren Kurs nicht? Und: Ist ihre Kanzlerschaft jetzt wirklich in Gefahr?

Seehofer verlangt von Merkel eine Erklärung, die Zuwanderung deutlich begrenzen zu wollen. Doch so einfach will es sich die Kanzlerin nicht machen. Merkel ist der Auffassung, dass man besorgte Bürger mit Versprechen, die man nicht halten kann, erst recht verprellt. Der Ansturm der Flüchtlinge auf Deutschland lässt sich aber nicht einfach durch Kabinettsbeschlüsse aufhalten. Es gibt keine durchgängig gesicherten Anlagen an den Grenzen zu Österreich. Und selbst wenn es eine solche Mauer, die sich niemand wünschen sollte, geben würde, wäre das Problem nicht gelöst. Die Flüchtlinge würden dann halt über die grünen Grenzen zu Tschechien oder Polen nach Deutschland kommen. Es liegt auch nicht in der Macht Merkels, dass Länder wie Griechenland die EU-Außengrenzen wieder schließen. Die Kanzlerin kann sich nur darum bemühen.

Merkel muss sagen: "Wir schaffen das"

Wer die Zahl der Flüchtlinge nach Deutschland vernünftig begrenzen will, muss für menschenwürdige Zustände in den Flüchtlingslagern im Nahen Osten sorgen und die Fluchtursachen bekämpfen. Das ist aber schwerer getan als gesagt; der Weg zum Erfolg dürfte hier viele Jahre dauern. Ansonsten kann sich Deutschland nur darum bemühen, weniger attraktiv für Flüchtlinge zu werden. Das hat die Regierung aber bereits getan. Am Dienstag verschärfte sie die Asylgesetze so stark wie seit Jahrzehnten nicht.

Auch die Forderung, Merkel solle es wie Gauck halten, ist nicht hilfreich. Der Bundespräsident betont die Ängste der Bürger. Gauck kann das tun. Die Kanzlerin hat im Gegensatz zu ihm aber operative Verantwortung. Sie hat die Probleme nicht zu beschreiben, sondern zu lösen. Sie muss sagen: "Wir schaffen das." Wenn sie das bezweifeln würde, könnte sie gleich zurücktreten.

Was aber heißt das für die Machtfrage? SPD, Linke und Grüne können Merkel nicht wegen einer zu liberalen Asylpolitik angreifen. Und innerhalb der CDU gibt es niemand, der sie dauerhaft ersetzen kann. Sogar ein Anwachsen der AfD würde der CDU nicht schaden - im Gegenteil: Bei den anstehenden Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz würde ein Einzug der AfD in die Landtage voraussichtlich das Ende der rot-grünen Mehrheiten bedeuten. Kurz gesagt: Merkels Autorität mag gerade erodieren, eine ernsthafte Gefahr für sie ist das aber noch lange nicht.

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