Prozess vor dem Landgericht:Wurmkur mit schweren Folgen

  • Eine Heilpraktikerin hat einer Patientin ein Medikament gegeben, um Parasiten zu bekämpfen - das allerdings wird nur in der Tiermedizin angewendet.
  • Die Frau musste fünf Tage im Krankenhaus behandelt werden.
  • Die Heilpraktikerin legte gegen ein Urteil des Amtsgerichts Starnberg Berufung ein, mit dem sie zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

Von Andreas Salch

"Die meisten Menschen sterben an ihren Medikamenten und nicht an ihren Krankheiten", meinte der französische Komödiendichter Jean Molière, der im 17. Jahrhundert lebte. Dieser Erkenntnis wird womöglich nun auch eine Frau zustimmen, die mit einer Heilpraktikerin und Biologin aus dem Landkreis befreundet war. Gestorben ist die Frau, die wegen Fadenwürmern im Darm Hilfe bei der 55-jährigen Heilkundigen suchte, glücklicherweise nicht.

Doch nach der Rosskur, die ihr die Heilpraktikerin verordnet hatte, ging es ihr so schlecht, dass sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Dort musste sie fünf Tage lang behandelt werden. Die Heilpraktikerin hatte der Frau eine Arznei namens Levamisol ausgehändigt, um die Parasiten zu bekämpfen. Das hätte sie nicht tun dürfen, da sie keine Ärztin ist und das Pulver obendrein auch noch verschreibungspflichtig ist. Viel schlimmer aber: Das Mittel ist nicht dafür vorgesehen, um Menschen zu kurieren. Es wird ausschließlich in der Tiermedizin angewandt.

Berufung gegen Geldstrafe eingelegt

Jetzt saß die Heilpraktikerin auf der Anklagebank 8. Strafkammer am Landgericht München II. In erster Instanz hatte sie das Amtsgericht Starnberg wegen eines Vergehens gegen das Arzneimittelgesetz zu einer Geldstrafe in Höhe von 9100 Euro (140 Tagessätze) verurteilt. Die Strafe erschien der 55-Jährigen zu hart. Außerdem befürchtet sie, dass die Gesundheitsbehörde am Landratsamt ihre Zulassung als Heilpraktikerin kassiert.

Insgesamt hatte die 55-Jährige ihrer Freundin drei Dosen der Tier-Arznei mit nach Hause gegeben und empfohlen den Inhalt jeweils innerhalb weniger Tage einzunehmen. Die Wirkung war katastrophal. Der Frau wurde schlecht. Sie musste sich übergeben, sie litt an Atemnot, Schwindel und Unwohlsein. Als sie dies der Heilpraktikerin mitteilte, sagte diese ihr sinngemäß, dass es sich bei den Symptomen um einen Prozess handle, durch den sie jetzt durchmüsse.

Richterin kennt kein Pardon

Richterin Michaela Welnhofer-Zeitler beschied der Heilpraktikerin, sie könne von Glück reden, dass nicht auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt habe. Denn so habe sie, belehrte die Vorsitzende die 55-Jährige, jederzeit die Möglichkeit, ihre Berufung zurückzunehmen. Ohnehin hätte in der ersten Instanz keine Geldstrafe, sondern ein Freiheitsstrafe verhängt werden müssen, so die Vorsitzende. Eine niedrigere Strafe, könne sie nicht erwarten, sagte Richterin Welnhofer-Zeitler zu der schweigsamen Angeklagten, die das Reden ihrer Verteidigerin überließ.

Ihre Mandantin habe die Nebenwirkung von Levamisol nicht gekannt, sagte die Anwältin. Außerdem nehme die 55-Jährige das Mittel selbst und habe noch nie Probleme gehabt. Als Heilpraktikerin sei die Angeklagte nicht befugt, Medikamente weiterzugeben, entgegnete Welnhofer-Zeitler und fügte hinzu, sie finde deren Verhalten "schockierend". Sie selbst, so die Vorsitzende, habe auch eine Heilpraktiker-Prüfung und sei bestimmt nicht voreingenommen gegen diese Form der Heilkunde. Daraufhin beriet sich die Heilpraktikerin vor dem Saal mit ihrer Anwältin, danach nahm sie ihre Berufung zurück.

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