Messe:Engel in Florenz

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Gino Severini: "Studie zu Stillleben mit Mandoline". (Foto: Tornabuoni Arte)

Ein neuer Chef lüftet die Biennale dell'Antiquariato durch - und kooperiert mit der Münchner Kunstmesse "Highlights".

Von Henning Klüver

Ist das ein Zufall? In Florenz wird Ende Oktober das neue Dommuseum eröffnet. Und just tauchen im Handel drei Marmorstatuen auf. Eine (der Heilige Andreas?) stammt aus der um 1300 von Arnolfo di Cambio geplanten und nur im Sockelgeschoss fertiggestellten alten Fassade von Santa Maria del Fiore. Die deutsch-italienische Galerie Mehringer Benappi (München/Turin) bietet die Statue jetzt zusammen mit zwei geflügelten Engeln von Tino di Camaino (1285-1337) auf ihrem Stand der Antiquitäten-Biennale in Florenz (BIAF) an.

Die Engel gehörten zu einem Grabmal im Dom. Der Preis von rund drei Millionen Euro übersteigt zwar die finanziellen Möglichkeiten des Museums, aber in der Lokalpresse wurde bereits über eine Crowdfunding-Aktion diskutiert. Der italienische Staat hätte bei diesem Kulturgut nationaler Bedeutung ein Vorkaufsrecht. Und auch am Stand von Mehringer sagt man: "Wäre doch schön, wenn die Arbeiten in Florenz blieben."

Seit 1959 ist die Messe eine der wichtigsten für Kunst aus Italien. 88 Galerien, davon 27 aus dem Ausland, zeigen noch bis zum Sonntag ihre Kostbarkeiten in den vom Bühnenbildner Pierluigi Pizzi etwas opernhaft inszenierten Räumen des barocken Palazzo Corsini am Arno. Mit bekannten Ausstellern, aber auch mit Neuzugängen wie Otto Naumann aus New York. Überhaupt zum ersten Mal sind Werke der Moderne bis 1979 im Angebot. Tornabuoni Arte aus Florenz zeigt etwa die "Vorstudie zu Stillleben mit Mandoline" von Gino Severini aus dem Jahr 1920 (350 000 Euro).

Die Veranstalter setzen besonders auf Publikum aus Europa und Amerika, das traditionell von der Kunststadt Florenz angezogen wird. Die Öffnung geht auf den neuen Generalsekretär der BIAF, den 40 Jahre alten florentinischen Kunsthändler Fabrizio Moretti zurück. Die Kunst, sagt er, dürfe man nicht durch "Zeitwände einsperren". Zumal weltweit der Raum für Alte Meister immer enger wird. Vor zehn Jahren bestritten die Aktionshäuser mit ihnen noch zehn Prozent ihres Umsatzes. Heute sind es nur noch sechs.

Parallel zur Messe wurde Jeff Koons nach Florenz eingeladen, um vor dem Palazzo Vecchio direkt neben die Kopie des Davids von Michelangelo seine goldglänzene, drei Meter hohe Stahlplastik "Pluto and Proserpina" aufzustellen, die Pop-Version von Berninis "Raub der Proserpina". Im Palazzo selbst zeigt der New Yorker außerdem neben einer Statue von Donatello seine Vision des Barberini'schen Fauns, der freimütig seine Genitalien offenbart - angefertigt nach dem Original in der Münchener Glyptothek. Koons durfte die Biennale dann auch zusammen mit dem Bürgermeister eröffnen. Um kritische Stimmen zu beruhigen, die die "Entweihung der Piazza della Signoria" beklagten, wies man darauf hin, dass Koons selbst ja alte Kunst sammle.

Zum ersten Mal arbeitet die BIAF dieses Jahr mit der Münchner Kunstmesse Highlights zusammen. An einem Gemeinschaftsstand, den Martin Grässle, Georg Laue und Thomas von Salis wie ein kleines Museum kuratiert haben, zeigen elf Galerien aus München und Österreich alte Meister und Arbeiten der klassischen Moderne. Die Preisspanne reicht von knapp unter 10 000 Euro für Skizzen italienischer Ansichten von Theodor Leopold Weller aus dem 19. Jahrhundert bei Katrin Bellinger bis zu siebenstelligen Beträgen - etwa für den "Sitzenden Halbakt" von Egon Schiele bei Wienerrroither & Kohlbacher.

Jeff Koons darf auf der Messe sanft provozieren. Keine Sorge, heißt es, er sammelt alte Kunst

Zu den Höhepunkten gehört auch ein kleines Bronzepferd aus der Zeit um 1500, das im direkten Gussverfahren hergestellt wurde. Offen ist die Provenienz (Florenz, Padua, Mailand?). Florian Eitle-Böhler hat das "Trabende Pferd" vor zehn Jahren erworben und stellt es zum ersten Mal hier in Florenz aus. Den Preis verschweigt er. Am liebsten würde er es aber ohnehin behalten. Wie viele Kollegen ist auch dieser Kunsthändler ein passionierter Sammler.

Gleich neben den Münchnern stellt Jörn Günther Rare Books (Stalden/Basel), der zum ersten Mal nach Florenz gekommen ist, reich illustrierte Ausgaben von Dante, Petrarca und Boccaccio aus. Dazu kurios im Schnitt bemalte Bücher der Biblioteca Piloni (1479-1550) aus dem Veneto. Emotionen zeigt auch Matteo Salamon aus Mailand. Das kostbarste Werk an seinem Stand ist eine um 1740 entstandene Ansicht der Rialtobrücke von Michele Marieschi (1,2 Millionen Euro). Verliebt ist er aber in eine Holztafel von Bicci di Lorenzo zum "Wunder des Hl. Johann Qualbert" (250 000 Euro). Nebenan beeindruckt die carraraweiße Marmorstatue eines jungen Bauern von Romolo Ferrucci del Tadda (1544-1621) bei Bacarelli Antichità.

Im historischen Ambiente des Palazzo Corsini stehen neben Skulpturen vor allem malerische Arbeiten im Vordergrund. Eine herrliche Darstellung der Flora von Giambattista Tiepolo kann man bei Jean-Luc Baroni (London) entdecken. Die römische Galerie Francesca Antonacci & Damianio Lapiccirella Fine Art bietet den auf Leinwand gemalten Entwurf eines Deckenfresko aus dem 17. Jahrhundert von Luca Giordano für 250 000 Euro an. Messechef Moretti wartet indes mit einer "Gürtelmadonna" des Ghirlandaio-Schülers Francesco Granacci zum Preis von 800 000 Euro auf.

Wie immer, wenn die Händler aus aller Welt zusammenkommen, wurde natürlich auch heftig diskutiert. Darüber, dass in der weltweiten Wirtschaftskrise der Mittelstand als Käuferschicht weggebrochen sei. Über die Fallen der italienischen Bürokratie; und natürlich über das geplante deutsche Kulturgutschutzgesetz. "Es vergiftet das Geschäftsklima", sagt ein Händler erbost am Münchner Stand und warnt vor dem "Rattenschwanz an Bürokratie", der demnächst auf jeden Händler zukomme, der etwa nach Maastricht zur Tefaf fahre. Zum Glück lebe er jetzt in der Schweiz, kommentierte der frühere Hamburger Jörn Günther trocken.

Wenn die BIAF am Sonntag zu Ende geht, bereiten die Händler sich schon auf die nächsten Messen vor. Darunter auf die Highlights in München. Dort werden dann elf italienische Kunsthändler von der Florentiner Biennale erstmals ihre "Höhepunkte" zeigen.

Biennale Internazionale dell'Antiquariato. Bis Sonntag. Palazzo Corsini, Florenz. www.biaf.it.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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