Russland:Wie Putin den Syrien-Konflikt zum Stellvertreterkrieg macht

Putin

Russlands Präsident Putin verfolgt in Syrien eine gefährliche Strategie.

(Foto: REUTERS)

Mit atemberaubender Kaltschnäuzigkeit hat Russlands Präsident erst Gespräche mit den USA gesucht und dann Kampfjets in Syrien losgeschickt. Das weckt Erinnerungen an dunkle Zeiten.

Kommentar von Hubert Wetzel

Ein Luftangriff sagt oft mehr als tausend Worte. Wobei man dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht vorwerfen kann, er habe der Welt verheimlicht, was er in Syrien vorhat. Putin will seinen Verbündeten in Damaskus, den Diktator und Giftgasmörder Baschar al-Assad, vor dem Sturz retten. Das hat er in seiner Rede vor den Vereinten Nationen angekündigt, und insofern ist es nur folgerichtig, dass er nun seine Kampfflugzeuge die Stellungen von Rebellenkämpfern bombardieren lässt.

Zwar ist der Westen von dem Herrscher im Kreml seit Beginn der Ukraine-Krise einiges an Aggressivität und Doppelspiel gewöhnt. Dennoch ist die Chuzpe und Kaltschnäuzigkeit atemberaubend, mit welcher Putin zuerst den amerikanischen Präsidenten Barack Obama zu einem persönlichen Gespräch über Syrien zwang, dann die Welt 48 Stunden lang in der vagen Hoffnung ließ, irgendwie könnte dieses Treffen der Staatsmänner vielleicht zu einem Frieden in Syrien führen - nur um dann seine Jets loszuschicken und damit den ohnehin komplizierten und völlig außer Kontrolle geratenen Krieg in Syrien noch anzuschüren.

Der Kampf in Syrien ist zu einem Stellvertreterkrieg geworden

Obama spiele Mühle, Putin hingegen spiele Schach, hieß es, als Russland die Amerikaner mit der Besetzung und Annexion der Krim überraschte. Doch eher ist es so: Obama, der Professor und Denker, spielt Schach. Und während er noch über den nächsten Zug nachsinnt, schießt ihm Putin, der Kampfsportler und frühere Geheimagent, mit einer großen Kalaschnikow den König weg.

Das, was in der Ukraine trotz aller russischen Provokationen mit Mühe verhindert wurde, weil der Westen die Belieferung Kiews mit Waffen verweigerte, ist in Syrien durch Putins Intervention nun eingetreten: Der Kampf zwischen Rebellen und Regime ist zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Amerika und Russland geworden, an dem die beiden Großmächte unmittelbar beteiligt sind. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges reden Militärvertreter aus Washington und Moskau wieder darüber, wie man verhindert, dass die Kampfjets beider Seiten sich versehentlich abschießen. Das ist ein Rückschritt in dunkle Zeiten, und niemand kann garantieren, dass es nicht irgendwann zu einem sehr gefährlichen Missverständnis kommt.

Präsident Putin ist nicht zu trauen

Das Gruselige an diesem Befund ist: Schaut man sich das Verhalten Putins in den vergangenen Jahren an, dann war genau dieser Rückschritt sein Ziel. Für Putin speist sich Respekt für Russland aus Furcht vor Russland. Deshalb schüchtert der Präsident seine Nachbarn ein, führt seinen amerikanischen Kollegen vor und düpiert selbst noch diejenigen europäischen Regierungen, die mit Moskau eigentlich lieber in Ruhe Geschäfte machen würden, als darüber zu streiten, welche Fahne über Simferopol weht. Hauptsache, Russland redet und entscheidet mit am Tisch der Mächtigen. Sei's drum, wenn ukrainische und syrische Zivilisten den Preis dafür bezahlen.

Für den Westen wird der Umgang mit Putin jetzt noch schwieriger. Wie viel Vertrauen kann man einem Mann entgegenbringen, der sich an einem Tag als Friedenspartner anbietet, nur um am Tag darauf auf der anderen Seite der Front in den Krieg zu ziehen? Wie viel guten Willen zur Zusammenarbeit kann man von ihm erwarten? Die ehrliche Antwort: wenig.

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