Gauck zur Deutschen Einheit:"Wir Deutschen können Freiheit"

Gauck zur Deutschen Einheit: Integration braucht Zeit: Joachim Gauck spricht zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt.

Integration braucht Zeit: Joachim Gauck spricht zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt.

(Foto: AP)
  • Bundespräsident Gauck widmet seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit der aktuellen Flüchtlingsproblematik. Diese hält er für die größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung.
  • Damit Integration gelingt, braucht es viel Zeit, Geduld und Zuversicht, so der Bundespräsident.
  • Von den Flüchtlingen fordert Gauck Anpassung an die deutsche Gesellschaftsordnung, von der Europäischen Union mehr Abstimmung in der Asylpolitik.

Wiedervereinigung als Vorbild

Die Integration von Flüchtlingen ist für Deutschland nach Ansicht von Bundespräsident Joachim Gauck eine ähnlich große Herausforderung wie die deutsche Einheit. Auch die Vereinigung von Ost- und Westdeutschland sei eine Aufgabe für Generationen, sagte Gauck in seiner Rede beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit. Die friedliche Wiedervereinigung habe gezeigt: "Wir Deutschen können Freiheit."

"Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte", sagte der Bundespräsident weiter. Heute müssten viel größere Distanzen überwunden werden als zwischen Ost- und Westdeutschen, die eine Sprache und eine gemeinsame Kultur und Geschichte gehabt hätten. Deswegen forderte Gauck Zeit und Geduld für diesen Prozess.

Der Bundespräsident warb in der Alten Oper in Frankfurt zudem für Verständnis, dass die Flüchtlingsdebatte in Ostdeutschland unterschiedlich geführt wird. Im Westen hätten die Menschen viel mehr Zeit gehabt hätten, sich an Einwanderer zu gewöhnen - "Und das war mühsam genug", sagte Gauck. Die Bürger der ehemaligen DDR hätten bis 1990 kaum Berührung mit Zuwanderern gehabt. Trotzdem zeigte sich Gauck zuversichtlich, dass Deutschland die Flüchtlingskrise meistern könne. Er legte in seiner Rede Wert darauf, die positive Bilanz der Wiedervereinigung als Vorbild für den Umgang mit der gegenwärtigen Flüchtlingskrise zu nehmen.

Den Empfang der Flüchtlinge in Deutschland in diesem Sommer nannte er ein "starkes Signal gegen Fremdenfeindlichkeit, Ressentiments, Hassreden und Gewalt". Von freiwilligen Helfern wie Behördenmitarbeitern werde Außerordentliches geleistet. Gauck sprach jedoch auch an, dass es Angst vor der Größe dieser Aufgabe gebe. "Dies ist unser Dilemma: Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich."

Gauck mahnte daher die Europäische Union zu einer abgestimmten Asylpolitik. Noch führe der Druck die europäischen Staaten nicht zusammen. Doch könne es "keine Lösung in der Flüchtlingsfrage geben - es sei denn, sie ist europäisch". "Wir werden den Zustrom von Flüchtlingen nicht verringern können - es sein denn, wir erhöhen unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Unterstützung von Flüchtlingen in den Krisenregionen sowie vor allem zur Bekämpfung der Fluchtursachen", sagte Gauck. Die heutige Offenheit lasse sich zudem nur erhalten, wenn die europäischen Außengrenzen besser gesichert würden.

Keine Toleranz für Interoleranz

Ausdrücklich forderte Gauck auch eine Integrationsleistung der Flüchtlinge. "Unsere Werte stehen nicht zur Disposition. Toleranz für Intoleranz wird es bei uns nicht geben", sagte er und verurteilte Antisemitismus und eine Diskriminierung von Frauen oder Homosexuellen. "In einer offenen Gesellschaft kommt es nicht darauf an, ob diese Gesellschaft ethnisch homogen ist, sondern ob sie eine gemeinsame Wertegrundlage hat."

Auch an dieser Stelle forderte Gauck wieder Geduld. Es brauche Zeit, bis sich die Neuankommenden an eine Gesellschaftsordnung gewöhnen, "die sie nicht selten in Konflikt mit ihren traditionellen Normen bringt". Zudem müssten sich Einheimische an ein Land gewöhnen, in dem Vertrautes zuweilen verloren geht. Eine Debatte müsse sein, doch: "Lassen Sie aus Kontroversen keine Feindschaft entstehen", sagte Gauck vor 1300 Gästen in der Frankfurter Alten Oper.

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