Kundgebung:"Niemand kann mich aus Ebersberg rausschmeißen"

Mohammed Gharibyar, Inhaber des von Rechten überfallenen Döner-Imbiss, bedankt sich in einer emotionalen Ansprache für die Solidarität der über 500 Teilnehmer an einer Kundgebung gegen Fremdenfeindlichkeit in der Kreisstadt

Von Karin Kampwerth, Ebersberg

Über 500 Ebersberger sind am Samstagvormittag im Klosterbauhof in der Kreisstadt zusammengekommen, um gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu demonstrieren. Bei der Kundgebung, zu der ein überparteiliches Bündnis aufgerufen hatte, nachdem eine Woche zuvor ein Döner-Imbiss am Bahnhof von einer bewaffneten Gruppe Rechtsradikaler überfallen worden war, meldeten sich Politiker aller Kreistagsfraktionen und Vertreter des Bündnisses Bunt statt Braun, der Ausländerhilfe, des Kreisjugendringes und des DGB zu Wort.

Seinen emotionalen Höhepunkt fand die Kundgebung mit der Ansprache des Imbissbetreibers Mohammed Gharibyar. "Vielen Dank, vielen Dank" sagte Gharibyar sichtlich gerührt über die große Anteilnahme aus der Bevölkerung. Diese Tat, bei der ein Landsmann Gharibyars krankenhausreif geschlagen und ein weiterer mit einem Messer an der Hand verletzt wurde, sei bislang die einzige schlechte Erfahrung gewesen, die der afghanische Gastronom seit seiner Flucht nach Deutschland im Jahr 2002 gemacht habe. "Ich habe nur gute Sachen erlebt", sagte er. Dass es Ausländerfeindlichkeit gebe, sei traurig, denn "Mensch ist Mensch". Und unter tosendem Applaus weiter: "Keiner kann mich rausschmeißen aus meinem Laden, aus Ebersberg."

Dennoch ist es möglicherweise zu einem erneuten Übergriff auf den Döner-Imbiss gekommen. Wie Gharibyar am Ende der Veranstaltung der Initiatorin und SPD-Landtagsabgeordneten Doris Rauscher erzählte, sei am Freitag ein Mann zu ihm in den Imbiss gekommen und habe angeboten, die von den rechten Gewalttätern zertrümmerte Ladentür reparieren zu wollen. Dankbar hatte Gharibyar das Angebot angenommen und die kaputte Glasscheibe entfernt, denn der Mann hatte versprochen, am Abend eine neue Scheibe einzusetzen. Doch er sei nicht wieder aufgetaucht. Gharibyar hatte daraufhin seinen Kühlschrank vor die Tür geschoben und im Imbiss übernachtet. Bei den Kundgebungsteilnehmern auf dem Klosterbauhof fanden sich aber schnell Helfer, die die Tür provisorisch mit einer Holzplatte ersetzen konnten, um Gharibyar eine weitere Nacht im Imbiss zu ersparen.

Aber auch mit Geldspenden halfen die Kundgebungsteilnehmer Gharibyar, der für den Schaden, den die Rechten mit Hämmern und einem Holzstock am Inventar angerichtet hatten, selbst aufkommen muss, so lange die Täter nicht verurteilt sind. Auf dem Klosterbauhof wurden "Bunt statt Braun"-Buttons verkauft, der Erlös kommt dem Imbissbetreiber zugute, damit er seine Ladentheke - und vielleicht nun auch die Tür - ersetzen kann.

Rauscher zeigte sich beeindruckt über die große Resonanz der Kundgebung, die auch dank der Musiker Rudi Baumann und Helmut Zeller ein Fest der Toleranz sei. Und ein Zeichen, dass Menschen wie Gharibyar "ein Teil unserer Stadt, unseres Landkreises" sind.

Kundgebung: "Niemand kann mich aus Ebersberg rausschmeißen", sagt Mohammed Gharibyar in seiner bewegenden Ansprache auf dem Klosterbauhof.

"Niemand kann mich aus Ebersberg rausschmeißen", sagt Mohammed Gharibyar in seiner bewegenden Ansprache auf dem Klosterbauhof.

(Foto: Hinz-Rosin)

Darin geschlossen äußerten sich Politiker aller Parteien in ihren Redebeiträgen. Toni Ried (FW), der nicht nur Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer, sondern auch Landrat Robert Niedergesäß (beide CSU) vertrat, sagte, dass Gewalt aus ideologischer Verblendung der Feind einer demokratischen Gesellschaft sei und konsequent und entschieden verfolgt werden müsse. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer sprach davon, dass es nichts schöneres gebe als die Vielfalt in einer Gesellschaft. Der Kampf gegen Rassismus sei der Kampf um die Deutungshoheit der Demokratie. Josef Peis, Sprecher des Bündnisses Bunt statt Braun, kritisierte, dass die rechte Szene durch Politiker-Aussagen wie "Das Boot ist voll" Zulauf bekäme. Wenn Flüchtlinge nicht mehr als Menschen, sondern als störendes Problem angesehen werden, zeige, dass Fremdenfeindlichkeit längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Der Landtagsabgeordneter und CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber unterstrich, wie ernst man die Gefahren von rechts nehme. Huber forderte alle Parteien auf, an einem Strang zu ziehen, denn "die Feinde unserer demokratischen Gesellschaft lauern an jeder Ecke." Er richtete seinen Dank an alle, die zur Kundgebung gekommen waren, für ein "eindeutiges Signal aus der Kreisstadt". Ilke Ackstaller von der Ebersberger Ausländerhilfe ärgerte sich über die zunehmende "Islamophobie" und erinnerte daran, wie viele Fremde Bayern in der Zeit nach dem Krieg und auch nach der Wiedervereinigung aufgenommen habe, "ohne dass wir unsere bayerische Identität aufgegeben haben". Und Grünen-Kreisrat Reinhard Oellerer zitierte Bundeskanzlerin Angela Merkel, allerdings auf bayerisch: "Mir packen des scho." Gleichwohl forderte Oellerer dazu auf, mehr günstigen Wohnraum zu schaffen und dafür zu sorgen, dass die Ärmsten in der Gesellschaft Flüchtlinge nicht als Konkurrenten betrachteten. Außerdem müsse die Dublin-Gesetzgebung außer Kraft und mit einem fairen Verteilungsschlüssel auf die europäischen Staaten ersetzt werden. Nicht zuletzt forderte Oellerer zu der für ihn zweifelsfrei vorhandenen Willkommenskultur auch eine Abschiedskultur. Man dürfe Menschen, die kein Bleiberecht in Deutschland erhielten, nicht in eine ungewisse Zukunft schicken, sondern man müsse etwa in den Balkanstaaten Strukturen schaffen, die Hoffnung zuließen.

Wilfried Seidelmann, Kreisvorsitzender der Freien Wähler, lud zum interkonfessionellen Gebet nach Kirchseeon ein, um sich davon zu überzeugen, dass die unterschiedlichen Religionen vom Buddhismus über den Islam bis zum Christentum durchaus eine gemeinsame Basis hätten. Blandine Ehrl vom Kreisjugendring warnte davor, solche Überfälle wie auf den Döner-Imbiss als "Dummer Jungen-Streich" zu verharmlosen, Johanna Weigl-Mühlfeld von der ÖDP erinnerte an ihren Sommerurlaub auf der griechischen Insel Lesbos, wo sie half, Flüchtlinge aus dem Meer zu ziehen und Alexander Müller, Kreisvorsitzender der FDP, warnte davor, dass die geistigen Brandstifter überall seien und populistischen Blödsinn verbreiteten. Man müsse den Mut haben, sich auch mit seinen Freunden und Bekannten auseinanderzusetzen. Ein DGB-Vertreter zitierte ein satirisches Gedicht von Erich Kästner "Ganz rechts zu singen" und Doris Rauscher schloss die Veranstaltung mit dem Wunsch, "dass wir uns in einem solchen Kontext nie wieder sehen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: