Manipulation:Wie teuer der Abgas-Skandal für VW wird

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Einige der zwölf VW-Marken (von links oben) Škoda, Bentley, Porsche, Ducati, Volkswagen, Bugatti, Seat, Audi und Lamborghini. Es könnten nun Verkäufe anstehen. (Foto: J. Stratenschulte/dpa)
  • In der Abgas-Affäre könnte es für Volkswagen teuer werden. Der Schaden wird auf bis zu 50 Milliarden Euro geschätzt.
  • Auch Notverkäufe einzelner Marken scheinen nicht mehr ausgeschlossen - der designierte Aufsichtsratschef Pötsch spricht von einer "existenzbedrohenden Krise".

Von Thomas Fromm, München

Autofahrer wollen Geld zurück, Aktionäre Entschädigung für Kursverluste, sogar ganze Staaten wollen VW bestrafen und fordern bereits gewährte Subventionen zurück. Zurückgelegt hat VW bislang 6,5 Milliarden Euro für die technische Umrüstung seiner Autos - viel zu wenig angesichts der drohenden Gesamtsumme, sagen Experten. Hans Dieter Pötsch, der designierte Aufsichtsratschef von VW, spricht bereits von einer "existenzbedrohenden Krise". Was kommt da wirklich auf Europas größten Autokonzern zu?

Wer geht alles gegen VW vor?

Die Lage wird wegen der vielen Schadenersatzansprüche und Sammelklagen immer unüberschaubarer. Allein in den USA könnten sich die Strafen auf bis zu 18 Milliarden Dollar summieren. Nicht nur Kunden und Politiker sind hier empört - in Texas hat bereits ein erster Landkreis VW wegen Luftverschmutzung verklagt und fordert 89 Millionen Euro. Dem Beispiel könnten nun noch viele andere folgen. In Frankreich und Spanien könnten die Regierungen bereits gezahlte Subventionen zurückfordern, in Australien könnte für jedes betroffene Auto eine Strafe von umgerechnet 687 800 Euro anfallen.

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Wie ist die Situation in Deutschland?

In Deutschland, wo fast drei Millionen Autos von dem Skandal betroffen sind, muss sich VW unter anderem auf eine Flut von Anleger-Klagen einstellen. Anders als in den USA muss VW hier zwar nicht mit Sammelklagen von Geschädigten rechnen, allerdings können Anleger Musterverfahren anstrengen und Geld zurückfordern, das sie durch den Einbruch der VW-Aktie verloren haben. Auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwälte argumentieren, dass VW seinen Informationspflichten gegenüber den Anlegern nicht nachgekommen sein könnte. Immerhin: Seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals Mitte September sind die Aktien von VW um fast 40 Prozent eingebrochen; der Konzern hat seitdem an der Börse an die 30 Milliarden Euro an Wert verloren. "Wir gehen von einem Mindestschaden von circa 60 Euro pro Aktie aus", sagte der auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwalt Andreas Tilp.

Was droht dem Wolfsburger Unternehmen im schlimmsten Fall - und könnte es das alles bezahlen?

Bisher sind alle Zahlen reine Spekulation. Die Landesbank Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem Schaden für VW von 47 Milliarden Euro in den kommenden Jahren - andere rechnen mit deutlich weniger Geld, andere mit einer noch größeren Belastung. Fakt ist: VW hat derzeit an die 18 Milliarden Euro in der Kasse, dazu kommen weitere Milliarden an Wertpapierbeständen und Unternehmensbeteiligungen. Es hängt am Ende also von den tatsächlichen Forderungen ab, ob VW das alles stemmen kann.

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Muss VW nun sparen?

Klare Antwort: ja. Die Frage ist nur: wie und wo? In Situationen wie dieser reagieren Unternehmen häufig mit den üblichen Rezepten: Entlassungen, Einstellungsstopps, Gehaltskürzungen. Die Arbeitnehmervertreter im Konzern haben aber schon klargemacht, dass der Skandal nicht auf Kosten der Mitarbeiter gehen darf. Hinter den Kulissen beraten Betriebsräte und Management bereits über mögliche Einsparungen - die dann nicht zulasten der Belegschaft gehen sollen. Zum Beispiel geht es auch um die Frage, wie es VW in Zukunft mit seinen Investitionen halten soll. Rund 100 Milliarden Euro wollte der Konzern in den nächsten vier bis fünf Jahren eigentlich für weltweite Investitionen bereitstellen. Es geht um die Zukunft: den Ausbau von Standorten, Fabriken, die Entwicklung neuer Technologien, Investitionen in Zukunftsthemen wie selbstfahrende Autos und die Digitalisierung der Fahrzeuge. Milliarden könnten hier eingespart werden - nur: will VW das wirklich? Experten warnen bereits: Spart der Konzern zu viel, könnte er im Wettbewerb hinter seine Rivalen zurückfallen.

Werden jetzt Konzerntöchter verkauft?

Wenn es ganz dramatisch wird, dürfte der Konzern ans Eingemachte gehen und eine oder mehrere seiner zwölf Markentöchter verkaufen. Dabei dürften zunächst die Luxus-Marken Bentley, Bugatti und Lamborghini sowie die erst vor Kurzem gekaufte italienische Motorradmarke Ducati ins Visier geraten. Auch ein Verkauf der Lastwagen-Töchter MAN und Scania, die gerade zu einem gemeinsamen Nutzfahrzeugverbund zusammengelegt werden, dürfte dann zur Sprache kommen. Der Wert der Lkw-Beteiligungen wird auf an die 30 Milliarden Euro geschätzt. Was derzeit als sehr unwahrscheinlich gilt: Dass die Wolfsburger ihre besten Stücke abgeben - und dies sind Audi und Porsche.

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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