Betriebsrente:Reformpläne unter Beschuss

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Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will die Betriebsrente für mittelständische Firmen attraktiver machen. Doch ihre Vorschläge sind bei Arbeitgebern, Gewerkschaften und Versicherern umstritten.

Von Jonas Tauber

Wer den Finanzteil einer Zeitung aufschlägt, kommt selten daran vorbei: An den zahllosen Nachrichten, Studien und Befragungen, die darauf hinweisen, dass für kommende Generationen die gesetzliche Rente fürs Alter nicht ausreicht; dass private Vorsorge nötig ist, aber viel zu wenige Leute tatsächlich etwas zurücklegen, und dass zögerlichen Sparern schlimme Altersarmut droht.

Die Bundesregierung will mehr Menschen dazu bringen, für den Ruhestand vorzusorgen. Neben der staatlich geförderten Riester-Rente versucht sie das noch auf einem anderen Weg: Die betriebliche Altersversorgung (bAV) soll in mittelständischen Betrieben mehr Verbreitung finden, so will es Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Denn im Vergleich zu größeren Unternehmen und Konzernen sind entsprechende Angebote in diesem Bereich noch dünn gesät. Mit der nach ihr benannten Nahles-Rente will die Ministerin die Verbreitung der Betriebsrenten in diesem Bereich fördern und für Unternehmer attraktiver machen.

Die Ministerin will Arbeitgeber von der Haftung für Betriebsrenten befreien

Als ein großes "Hemmnis", so heißt es im Bürokratenjargon des Ministeriums, hat Nahles die im Betriebsrentengesetz verankerte Arbeitgeberhaftung ausgemacht. Geht beispielsweise der Versorgungsträger insolvent, über den das Unternehmen eine bAV anbietet, muss der Arbeitgeber für zugesagte Rentenleistungen geradestehen. Das will die Ministerin ändern und hat einen Vorschlag präsentiert: Das sogenannte "Neue Sozialpartnermodell Betriebsrente" sieht vor, dass Arbeitgeber für Leistungszusagen aus Betriebsrenten nicht haften müssen, wenn die Beträge in gemeinsam mit den Gewerkschaften geschaffene Einrichtungen einbezahlt werden. Stattdessen sollen diese Einrichtungen haften.

Bisher gibt es diese Einrichtungen noch nicht. Sie müssten erst neu gegründet werden. Das eigentliche Management der Pensionsverpflichtungen könnten Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen übernehmen, die zu den etablierten Durchführungswegen der bAV zählen. Die Arbeitgeber müssten sich nur noch zur Zahlung von Beiträgen verpflichten, nicht aber für eine Rentenzahlung in bestimmter Höhe geradestehen. "Pay and Forget" nennen Fachleute das. Für die Politik sind solche tariflich vereinbarten Regelungen attraktiv, weil sich so ganze Branchen erreichen lassen.

Allerdings sind Nahles' Vorschläge weder bei Gewerkschaften noch bei den Arbeitgebern gut angekommen. "Gut gemeint, aber nicht ausreichend und wahrscheinlich schädlich" - so lassen sich die Reaktionen zusammenfassen.

Die Gewerkschaften sind gegen die Aufhebung der Arbeitgeberhaftung und fürchten, dass mit dem Vorstoß nur tarifgebundene Unternehmen erreicht werden. Außerdem erwarten sie, dass Betriebsrenten durch den Nahles-Vorstoß teurer werden könnten.

Die Arbeitgeber wiederum befürchten genau im Gegenteil, dass Tarifverträge in der Folge noch häufiger für allgemeinverbindlich erklärt werden, also auch für bislang tarifungebundene Unternehmen gelten könnten. Sie halten es außerdem für sachlich unbegründet, dass die Haftungsfreistellung nur für Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen gelten soll und für Unterstützungskassen oder bei der Direktzusage. Beide Seiten sind sich mit Experten von der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba) einig, dass die Nahles-Rente für noch mehr Komplexität sorgen würde.

Auch die Versicherungswirtschaft hält nicht viel von Nahles' Plänen. Sie befürchtet die Beschädigung der bestehenden bAV-Einrichtungen. Deswegen hat der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Juni einen Gegenvorschlag präsentiert. Um Arbeitgebern die Entgeltumwandlung zu erleichtern, sprach sich der Verband für ein Opting-out-Modell aus, bei dem sich Arbeitnehmer aktiv gegen die Teilnahme an der bAV ihres Arbeitgebers entscheiden müssen. "Internationale Beispiele zeigen, dass ein freiwilliges Opting-out positive Wirkung hätte", sagte Frank-Florian Henning, Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses des GDV.

Ähnlich argumentiert der CDU-Rentenexperte Peter Weiß. "Dass das funktioniert, hat das Opting-out im Falle von freiwilligen Rentenbeiträgen bei Minijobs gezeigt", sagt er. Weiß ist Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied des Fraktionsvorstandes.

Die Regierung hat die Nahles-Rente trotz aller Kritik nicht aufgegeben. "Der Vorschlag wird weiter mit allen Beteiligten diskutiert", bestätigt ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums. Aber offenbar ist die Botschaft angekommen, dass eine Aufhebung der Arbeitgeberhaftung nur bei gemeinsam verwalteten Einrichtungen der Tarifpartner zu keiner nennenswerten zusätzlichen bAV-Verbreitung führen wird. "Der Vorschlag ist einer unter vielen", sagt Weiß. Eine erfolgreiche Reform müsse nicht nur kleine und mittlere Unternehmen ansprechen, sondern die bAV auch für Geringverdiener interessanter machen. Denkbar wäre, Rentenzahlungen nicht mehr auf die Grundsicherung im Alter anzurechnen.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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