Gesundheit:Hilfe für die Helfer

Mikroben

Nährboden: Eine Pilzkultur wird in einer Petri-Schale zur Antibiotika-Forschung angesetzt.

(Foto: dpa)

Antibiotika wirken immer seltener. Die Gesundheitsminister der G7 wollen das ändern.

Von Guido Bohsem, Berlin

Infektionskrankheiten galten schon als ausgestorben. Kurorte gegen Tuberkulose wie sie zum Beispiel Thomas Mann im "Zauberberg" beschrieb, spielen in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle mehr. Die Menschheit - jedenfalls, wenn sie in der industrialisierten Welt lebt - hat sich daran gewöhnt, dass bakterielle Erkrankungen leicht und schnell behandelt werden können, durch den Einsatz wirksamer Antibiotika.

Doch diese Sicherheit ist eine Illusion. Nach Schätzungen sterben jährlich etwa 700 000 Menschen weltweit an den Folgen von Infektionskrankheiten, allein in Deutschland sollen es zwischen 12 000 und 15 000 sein. Das sind fast viereinhalb mal mehr als 2014 im Straßenverkehr ums Leben kamen. Glaubt man den Prognosen, wird diese Zahl in den kommenden Jahren weiter zunehmen, und zwar deutlich. Immer mehr Antibiotika wirken nicht mehr gegen die Bakterien. Die scheinbar zuverlässigen Diener der Menschheit versagen.

Angesichts dieser Bedrohung wollen sich die Gesundheitsminister der sieben führenden Industrienationen (G 7) an diesem Freitag bei ihrem Treffen in Berlin auf ein umfangreiches Programm zur Bekämpfung von multiresistenten Keimen verständigen. Im Zentrum der Beschlüsse steht nach Informationen der SZ die Frage, wie die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika weltweit gefördert werden kann.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen dürfte es dabei auf eine verstärkte internationale Kooperation, eine intensivere Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und Industrie sowie auf die Einrichtung eines globalen Fonds für Grundlagenforschung bei Antibiotika hinauslaufen. Die Vorschläge basieren weitgehend auf der von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgestellten Guard-Initiative, einer globalen Allianz zur Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika.

In die Erforschung neuer Antibiotika investieren Unternehmen nur noch sehr wenig Zeit und Energie, vor allem im Vergleich zu Alzheimer oder Krebserkrankungen. Nach einer vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegebenen Studie der Boston Consulting Group (BCG) kamen zwischen 1980 und 1984 noch 19 neue Antibiotika auf den Markt. Zwischen 2010 und 2012 war es nur ein einziges. "Von den 20 Unternehmen mit Antibiotika-Programmen in den 90er-Jahren waren 2014 nur noch fünf Unternehmen in diesem Bereich aktiv", heißt es in der Untersuchung. Die Börse belohnt diese Spezialisierung: Die Aktien von Unternehmen, die sich nur auf ein enges Forschungsfeld konzentrieren, notieren höher als die von Unternehmen, die auf breiter Grundlage forschen.

Die größte Herausforderung für die Unternehmen im Antibiotika-Markt ist allerdings, dass sie mit den Präparaten - so wichtig sie auch sein mögen - nicht viel Geld verdienen können. Denn selbst wenn Unternehmen ein neues, hochwirksames Antibiotikum herstellen, dürfen sie es nicht zu einem Verkaufsschlager machen, sondern müssen im Gegenteil dafür sorgen, dass es spärlich und nur in ausgewählten Fällen eingesetzt wird. Je mehr Menschen das Mittel nämlich einnehmen, desto höher ist die Gefahr, dass die Bakterien auch dagegen eine Resistenz entwickeln.

Aus diesem Grund fielen die Verkaufszahlen bei hochwirksamen neuen Antibiotika nur sehr niedrig aus, heißt es in der Studie. Hinzu komme, dass in der Regel auch keine hohen Preise zu erzielen seien, weil die Konkurrenzprodukte auf dem Markt billig sind. "Das Ergebnis ist, dass Ertrag und Gewinnerwartungen bei Antibiotika niedrig sind." Und weil die Gewinnerwartungen der Unternehmen in diesem Bereich so niedrig sind, engagieren sich auch immer weniger Forscher auf dem Feld. Derzeit gibt es weltweit laut Studie noch zwischen 250 und 300, viele davon sind 60 Jahre oder älter.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen wollen die G-7-Gesundheitsminister deshalb der Industrie zumindest bei der Erforschung neuer Antibiotika einige Lasten abnehmen. So könnte die Initiative zur Einrichtung eines globalen Fonds bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) führen. Mit den Mitteln aus diesem Geldtopf könnte ein wichtiger Teil der Grundlagenforschung finanziert werden, die für die Entwicklung neuer Medikamente notwendig ist. Ziel ist es, insbesondere die Projekte kleiner und mittlerer Unternehmen zu fördern. Verstärkt soll es auch zu Kooperationen zwischen Unternehmen und öffentlichen Forschungsinstituten kommen. Als Beispiel dient hier die Zusammenarbeit zwischen dem Pharmakonzern Sanofi und dem Fraunhofer-Institut. Zudem wollen die Gesundheitsminister ein Netzwerk einrichten, über das sich Forscher austauschen sollen.

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