Nahostkonflikt:Anschlagserie erschüttert Jerusalem

Nahostkonflikt: Es sind keine von langer Hand geplanten Bombenanschläge, wie es früher der Fall war, sondern spontan anmutende Attacken mit Messern, mit denen die Zivilbevölkerung in Israel terrorisiert wird.

Es sind keine von langer Hand geplanten Bombenanschläge, wie es früher der Fall war, sondern spontan anmutende Attacken mit Messern, mit denen die Zivilbevölkerung in Israel terrorisiert wird.

(Foto: AP)

Manch einer spricht schon von einer dritten Intifada: Seit Anfang Oktober gehen Palästinenser täglich auf israelische Zivilisten los. Israels Armee schlägt zurück.

Von Deniz Aykanat

In Israel und in den Palästinensergebieten eskaliert die Gewalt. Seit Anfang des Monats bricht sich der Frust vor allem der jungen männlichen Palästinenser Bahn. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern war Mitte September anlässlich des Streits um die Nutzungsrechte auf dem Jerusalemer Tempelberg erneut aufgeflammt. Seither vergeht kein Tag, ohne dass Palästinenser auf Israelis losgehen. Doch auch arabische Israelis werden zur Zielscheibe des Hasses.

Ministerpräsident Netanjahu und andere Politiker warnen schon vor einer dritten Intifada. Intifada (arabisch für "sich erheben", "Aufstand") ist die palästinensische Bezeichnung für Auflehnung gegen Israel. Die Protestaktionen münden häufig in Gewaltspiralen mit vielen Toten. Während der als "Krieg der Steine" begonnenen ersten Intifada von 1987 bis 1993 verloren etwa 2200 Palästinenser und 200 Israelis ihr Leben. Als Auslöser der zweiten Intifada gilt ein demonstrativer Besuch des damaligen israelischen Oppositionsführers Ariel Scharon im September 2000 auf dem Tempelberg an der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Diese "Al-Aksa-Intifada" erfasste bald die besetzten Palästinensergebiete und das gesamte israelische Kernland.

Eine Chronik der jüngsten Ereignisse:

1. Oktober: Ein jüdisches Siedlerpaar wird im Westjordanland von mutmaßlich palästinensischen Angreifern erschossen, als es mit seinen vier Kindern durch das Gebiet nahe dem palästinensischen Dorf Beit Furik fährt. Die Kinder müssen mit ansehen, wie ihre Eltern sterben. Sie selbst bleiben unverletzt. Israel schickt nach dem Mord Soldaten ins Westjordanland.

3./4. Oktober: Binnen weniger Stunden greifen Palästinenser mehrere Israelis in Jerusalem mit Messern an. Am 3. Oktober ersticht ein Palästinenser einen israelischen Soldaten, der mit Frau und Kindern unterwegs ist, sowie einen jüdischen Geistlichen, der ihnen zu Hilfe eilte. Der Angreifer wird von der Polizei erschossen. Am Tag darauf sticht ein Palästinenser einen 15-jährigen Israeli nieder. Das Opfer wird verletzt in ein Krankenhaus gebracht, der Angreifer ebenfalls von Polizisten erschossen. Nach den Angriffen wird die Altstadt Jerusalems für zwei Tage für Palästinenser gesperrt. Bei einer Razzia der israelischen Armee nach der Ermordung des Siedlerehepaars werden im Westjordanland zehn Palästinenser unter anderem durch Schüsse verletzt.

5. Oktober: Bei den anschließenden heftigen Zusammenstößen mit der israelischen Armee werden im Westjordanland zwei Palästinenser getötet, darunter ein dreizehnjähriger Junge. Ein 18-jähriger Palästinenser stirbt durch Schüsse israelischer Sicherheitskräfte, die er nahe der Stadt Tulkarem erleidet. Die Proteste nach seinem Tod führen zu weiteren gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die israelische Armee fliegt einen Luftangriff auf den Gazastreifen.

6. Oktober: Israel zerstört die Häuser von zwei palästinensischen Attentätern, die im vergangenen Jahr tödliche Anschläge in Jerusalem ausgeführt hatten. Die Zerstörung sei auf Anweisung von Verteidigungsminister Mosche Jaalon erfolgt, teilt das Militär mit. Die Häuser gehörten den Familien eines Mannes, der in einer Synagoge sieben Gläubige getötet hatte sowie einem zweiten Mann, der einen Menschen tötete, als er mit einem Bagger in den fließenden Verkehr fährt. Im teilweise arabisch bewohnten südlichen Tel Aviver Stadtteil Jaffa werfen vermummte Jugendliche Steine gegen israelische Polizisten, es gibt Dutzende Verletzte.

7. Oktober: In der Altstadt von Jerusalem werden eine Palästinenserin und ein Israeli verletzt. Die Palästinenserin soll den Mann mit einem Messer angegriffen haben, daraufhin habe er auf die Frau geschossen, heißt es von Seiten der israelischen Polizei. Die Palästinenserin wird schwer, der Israeli leicht verletzt.

8. Oktober: Ein jüdischer Mann verletzt vier vermutlich arabische Israelis im südisraelischen Dimona mit Messerstichen. Im Westjordanland sowie in mehreren Städten in Israel ereignen sich weitere Angriffe mit Stichwaffen durch Palästinenser.

9. Oktober: An der Grenze zu Gaza kommt es zu schweren Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten mit mehreren Toten und Verletzten, vor allem auf Seiten der Palästinenser. Auch an anderen Orten eskaliert die Gewalt.

10. Oktober: Israelische Polizisten erschießen in Jerusalem einen 16-jährigen Palästinenser, der zwei Israelis mit einem Messer angegriffen und verletzt hat. Der Jugendliche soll am Damaskus-Tor, einem der wichtigsten Eingänge zur Altstadt, auf die Opfer losgegangen sein. Zwei palästinensische Teenager werden bei Unruhen am Gaza-Zaun erschossen.

11. Oktober: Bei einem israelischen Luftangriff auf den Gazastreifen sterben nach Krankenhausangaben eine palästinensische Frau und ihre Tochter. Eine Palästinenserin versucht, sich an einem israelischen Kontrollposten im besetzten Westjordanland in die Luft zu sprengen. Die Frau sei schwer und ein israelischer Polizist leicht verletzt worden, teilte die Polizei mit.

12. Oktober: Nach einer weiteren Messerattacke in Jerusalem erschießen israelische Sicherheitskräfte einen arabischen Täter. Der Mann habe in einem Bus einen Soldaten außer Dienst mit einem Messer angegriffen und versucht, ihm die Waffe zu entreißen, teilte die Polizei mit. Der Soldat sei leicht verletzt worden. Ob es sich bei dem Täter um einen Palästinenser oder einen arabischen Israeli handelte, wurde nicht mitgeteilt.

13. Oktober: Bei zwei Terrorattacken in Jerusalem werden Medien zufolge mindestens drei Israelis und ein palästinensischer Angreifer getötet. Weitere 20 Menschen werden verletzt, davon sechs schwer. In einem Fall greifen zwei Attentäter in einem Autobus die Fahrgäste mit Schusswaffen und Messern an. Mindestens zwei Menschen sterben. Einer der Attentäter wird von Polizisten erschossen, der zweite durch Schüsse verletzt. Im zweiten Fall fährt ein Palästinenser mit seinem Wagen in eine Gruppe wartender Menschen an einer Bushaltestelle. Er steigt aus und sticht mit einem Messer auf die Passanten ein. Ein Israeli stirbt. Der Angreifer wird festgenommen.

Auch in Raanana nördlich von Tel Aviv kommt es zu zwei Messerangriffen. Die Angreifer werden festgenommen, Tote gibt es nicht.

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