Konzert:Magie im Spiel

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Der international etablierte Pianist Florian Uhlig spielt in Tutzing Musik von Ravel, Schumann und Brahmsso überzeugend und leicht, als würde alles wie von selbst geschehen

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Die Zeiten des Shootingstars sind definitiv vorbei. Florian Uhlig ist unbeschadet daraus hervorgegangen und längst, was man einen etablierten Künstler nennt. Und zwar international. Nach der Gründung und künstlerischen Leitung des International Mozart Festival in Johannesburg 2009 folgte 2014 die Professur in Dresden. Und nun die Glorifizierung: Florian Uhlig ist mit der Ehrenmitgliedschaft der Royal Academy of Music in London geadelt worden. Nicht zum ersten Mal geadelt, hatte ihn doch der Kaiser selbst, SZ-Kritiker Joachim Kaiser, schon vor Jahren mit Lorbeeren überschüttet.

Sein Rezital bei den 18. Tutzinger Brahmstagen in der Evangelischen Akademie zeigte einmal mehr, worauf diese Auszeichnungen basieren. Leicht machte es sich Uhlig keinesfalls. Nicht nur, weil die gespielte Klavierliteratur von Schumann, Ravel und Brahms zu den Meilensteinen der Musikgeschichte gehört, sondern vor allem, weil es keine Stücke waren, die per se ihre Wirkung offenbaren. Ravels "Gaspard de la nuit" ist zudem eine höchst virtuose Komposition, deren Zusammenhänge und inhaltlichen Offenbarungen erst dann zutage treten, wenn die Virtuosität nebensächlich wird und der Pianist aus ihr die Farbigkeit sowie die übergeordneten Strukturen und Motive extrahieren kann. Und das ist es wohl, was Florian Uhlig besonders auszeichnet: Er vermag die Bestandteile mit Sorgfalt und Präzision zu ordnen, zielsicher mit musikalischen Parametern zu versehen und vor allem das Ergebnis so zu präsentieren, als wäre das alles von selbst geschehen. Fähigkeiten, die wohl aus seiner reichhaltigen Erfahrung als Kammermusiker und Liedbegleiter herrühren, wo das angestrebte Ergebnis außerhalb des eigenen Instruments liegt und höchstes Einfühlungsvermögen erfordert.

Ähnlich wie Ravels dreiteiliger Zyklus sind Schumanns Kreisleriana op. 16 ein Werk, das nicht nur eine umfängliche Denkarbeit voraussetzt, sondern auch Einfühlungsvermögen verlangt. Ging es aber bei Ravel um Bilder einer literarischen Vorlage, so galt es für Uhlig bei Schumann, die Liebeswirrungen des Komponisten selbst hinter der literarischen Vorlage aufzudecken. Und der Pianist legte hier in den acht Fantasien eine Berg- und Talfahrt der Gefühle auf - zwischen seligem Schwärmen über forsches Drängen bis hin zu hymnischen Gesängen und akkordischen Klangfluten. Was Uhlig zu Beginn des Konzerts mit Schumanns "Nachtstücke" op. 23 in zurückhaltender Form mit feinster anschlagstechnischer Differenzierung vorwegnahm, schlüpfte nun in große Formen. Der ruhelose unentwegte Wechsel der Stimmungen darin, die Uhlig hinter jeder Wendung mit einer neuen, präzis formulierten Charakteristik ausstattete, machte aber auch deutlich, wie sehr sich Brahmsens Variationen op. 9 an dem Vorbild Schumann orientieren. Also darüber hinaus, dass den Variationen ein Thema Schumanns aus dem Zyklus "Bunte Blätter" op. 99 entnommen ist. Es sind nicht die typischen weiterentwickelnden Veränderungen, die Brahms später hervorbringen solle, sondern Variationen, die sich jeweils auf die Vorlage beziehen und das Thema stets zumindest spüren lassen. Uhligs Klarheit und Transparenz im Spiel setzte damit eine gedankliche Ebene hinzu. Diese Vielschichtigkeit ermöglichte es, dass Denken und Fühlen eine Synthese in schlüssiger Balance eingehen konnten. Und das sprach das sehr zahlreich erschienene Publikum hörbar an: Lang anhaltender, frenetischer Applaus und zwei Zugaben.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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