Synode:Zweifel zugelassen

Die Kirche verabschiedet sich von ihrer alten Selbstgewissheit und akzeptiert, dass der römische Zentralismus keine Lösung bietet für die vielfältige Welt.

Von Matthias Drobinski

Zwei Jahre ist es her, dass Papst Franziskus seiner katholischen Kirche verordnet hat, über Ehe, Familie und Sexualität zu reden. Er hat das Kirchenvolk befragen lassen, und das Kirchenvolk hat geantwortet, dass es mit der Lehre nur noch wenig anfangen könne, wonach jeder Sex außerhalb der katholischen Ehe Sünde sei. Der Papst hat dann ein paar Hundert Bischöfe und Kardinäle zu zwei Synoden nach Rom geladen, insgesamt sechs Wochen haben sich die hohen Herren die Köpfe heiß geredet. Ein paar Regalmeter Buch sind geschrieben worden.

Und das Ergebnis? Ein Dokument, in dem so gut wie nichts von dem steht, was viele Katholiken erhofft hatten. Es gibt Winzigkeiten für Wiederverheiratete, aber kein Wort über Ehen ohne Trauschein oder homosexuelle Partnerschaften; es fehlt das in der deutschsprachigen Gruppe formulierte Schuldbekenntnis, zu harsch über Menschen geurteilt zu haben, die nicht ins katholische Raster passten. Das eigentliche Ziel des Kompromisstextes war es, den innerkirchlichen Frieden nicht zu gefährden.

Und weniger, ein starkes Signal für die Familien zu setzen. Und dafür der Aufwand? Immerhin zeigen die Synodenberatungen ein realistisches Bild vom Zustand der katholischen Kirche. Ein Teil der Bischöfe unterstützt Papst Franziskus bei seinen Reformen; mal begeistert, mal gehorsam, weil man eben dem Papst folgt. Ein Teil folgt aber nicht - aus Sorge um die Reinheit der Lehre, aus Angst, Macht und Kontrolle abzugeben. Mehr als ein Vierteljahrhundert lang hat Papst Johannes Paul II. die Quasi-Dogmatisierung der kirchlichen Sexualmoral vorangetrieben. Über Jahrzehnte hinweg wurden Bischöfe danach ausgewählt, ob sie treu zu dieser Lehre standen. Die Folge war eine theologische wie menschliche Selbstverarmung dieser Kirche, verbunden mit einer verschwiemelten Doppelmoral, bei der unter der Decke gehalten werden musste, wenn Lehre und Leben auseinanderklafften. Mühsam müssen nun die Bischöfe wieder glaubwürdig werden und den Diskurs lernen.

Der ist in der globalisierten Kirche schwierig genug. Zu dieser Kirche gehören afrikanische Bischöfe, die es nicht schlimm finden, dass in ihrer Heimat Männer im Gefängnis landen, wenn sie einen Mann lieben. Zu ihr gehören Kirchenmänner aus Osteuropa, die Wladimir Putin verehren, weil er angeblich für Familienwerte steht. Zu ihr gehören westeuropäische Hirten, die auch von treuen Kirchgängern zu hören bekommen, wie lebensfern diese Sexualmoral ist. Auch das ist eine Erkenntnis aus zwei Jahren Beratungen: In dieser widersprüchlichen Welt stößt der römische Zentralismus an seine Grenze. In Rom können Grundsätze festgelegt werden - etwa, dass es dem Katechismus widerspricht, Schwule ins Gefängnis zu werfen. Wie aber die Lehre in die konkrete Seelsorge umgesetzt wird, darum werden zunehmend die Kirchen in den einzelnen Kontinenten und Ländern ringen müssen.

Die Kirche verabschiedet sich von der Selbstsicherheit

So gesehen kann man dem Kompromisstext tatsächlich Gutes abgewinnen. Er hält die Türen offen. Er vermeidet eine Sprache, die Menschen ausschließt, er reitet nicht auf dem Kirchenrecht daher und urteilt vom hohen Ross herab. Der Text redet vom Gewissen und von der Unterscheidung: Nicht alles, was nicht dem katholischen Eheverständnis entspricht, muss auch gleich verdammt werden. Die Erklärung verabschiedet sich von jener kirchlichen Selbstsicherheit, die viele Menschen so unerträglich finden.

Und dann ist da noch Papst Franziskus, der Unruhestifter. Die Kirche ist nicht zum Verurteilen auf der Welt, sondern um Barmherzigkeit zu üben, hat er zum Schluss der Synode gesagt und klargemacht: Die Debatten sind nicht zu Ende, sie müssen auf den Kontinenten und in den Ländern weitergeführt werden. Die Reformer hoffen auf ein befreiendes Wort des Papstes, die Konservativen fürchten es; der Papst fordert mutige Synoden, die Synode wünscht, dass der Papst entscheidet - auch das gehört zu den Paradoxien einer Kirche im Übergang.

Nur: Ohne Bischöfe, die weitergehen, ohne Kirchenvolk, das dies auch fordert, wird das Wort von der Barmherzigkeit erst zur Floskel und dann zur Farce. Ob diese Synode ein Erfolg wird oder die Reisekosten nicht wert war, wird sich in den Ortskirchen zeigen, auch in Deutschland. Wird die Bischofskonferenz ein Schuldbekenntnis ablegen? Wird sie Ermutigendes auch über jene Lebensformen sagen, die bislang als "irregulär" abgewertet wurden? Wird sie gar eine Regelung für Wiederverheiratete finden? Das wird, da seien die Bischöfe aus Regensburg und Passau vor, nicht ohne Streit gehen. Doch eine Kirche, die diesen Streit nicht wagt, der fehlt auch das Vertrauen, dass Gott ihr den richtigen Weg zeigen wird.

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