#nippelstatthetze:"Das Ding ist außer Kontrolle geraten"

Facebook Rassismus Pornografie

Wer verstößt gegen die Standards von Facebook? Tipp: Er ist es nicht.

(Foto: Olli Waldhauer/ http://www.olliwaldhauer.com/)

Seit zwei Tagen taucht ein Foto mit dem Hashtag #nippelstatthetze in allen Timelines auf - und wird von Facebook immer wieder gelöscht. Wegen Nacktheit, nicht wegen Rassismus. Ein Gespräch mit dem Urheber des Bildes, Fotograf Olli Waldhauer.

Von Barbara Vorsamer

SZ: Herr Waldhauer, dürfen Sie noch bei Facebook posten?

Olli Waldhauer: Im Moment ja. Über Nacht hat mir Facebook zwar meine komplette Timeline wegen pornografischer Inhalte gelöscht. Aber weil ich mein Bild nun mit Sternchen vor den Brustwarzen hochgeladen habe, steht es noch. Der rassistische Spruch stört erwartungsgemäß niemanden bei Facebook.

Wie kamen Sie auf die Idee zu dem Foto?

Samstagvormittag las ich auf Facebook das unsägliche Posting eines Pegidisten, das ich nicht wiederholen will, und habe mich mal wieder gefragt: Warum darf das da stehen? Gleichzeitig bin ich mit vielen Fotografen befreundet, die großartige Aktfotos machen, und ständig von Facebook gesperrt werden, wenn sie ihre Arbeiten zeigen. Da hat es klick gemacht - ich wollte diesen Widerspruch in einem Bild umsetzen.

Dass Facebook Nacktheit löscht und Rassismus stehen lässt, ist bekannt, den Hashtag #nippelstatthetze gibt es auch schon länger. Was ist neu an Ihrem Bild?

Bisher haben die Leute einfach Tittenbildchen hochgeladen und dann geguckt, wie schnell sie gelöscht werden. Keiner hatte die Eier, Rassismus und Nippel in einen Kontext zu bringen. Mein Bild ist jedoch nicht nur pornografisch, es ist auch noch rassistisch. Der Spruch ist eine Abwandlung der Parole "Kauft nicht bei Juden" aus der NS-Zeit, der geht echt gar nicht. Trotzdem wurde das Bild bisher immer nur wegen Nacktheit entfernt.

Hinzu kommt womöglich, dass es sich nicht um irgendeinen schlecht ausgeleuchteten Handyschnappschuss handelt. Der Mann ist der Schauspieler Matthias Weidenhöfer, die Frau das Model Leila Lowfire, und wir haben uns einige Gedanken zur Komposition gemacht. Auch der Rechtschreibfehler ist natürlich Absicht!

Das verstehen nicht alle?

Ne, Ironie ist nicht für jeden. Ich habe schon Nachrichten bekommen wie "Krasses Foto, aber kauf dir mal nen Duden, Alter!" oder "Hey, ist aber schon rassistisch, was du da schreibst." Meine Arbeit muss nicht jeder kapieren. Ich halte es da mit Michael Moore, dem auch vorgeworfen wird, dass seine Filme nicht jeder versteht. Er sagte: Es gib 30 Prozent Dumme und 70 Prozent Schlaue, und er macht lieber einen Film für die Mehrheit. Auch ich versuche mit meiner Arbeit die dünne Linie zwischen Aktivismus und Dialog zu erwischen. Dabei gibt es eben Kollateralschäden.

Wie oft wurde Ihr Bild inzwischen gepostet?

Keine Ahnung. Ich habe es absichtlich nicht so eingestellt, dass die Leute nur meinen Beitrag teilen können. Dann hätte Facebook das Foto irgendwann entfernt, mich gesperrt und die Sache wäre vorbei gewesen.

Stattdessen stelle ich das Bild auf meiner Homepage zum Download zur Verfügung, da kann es jeder so oft hochladen, teilen und liken wie er möchte. Im Radio hörte ich etwas von 6,5 Millionen Kontakten, 30 000 Shares und 10 000 Likes. Das Ding ist völlig außer Kontrolle geraten.

Das sollte es ja auch, oder?

Auf jeden Fall.

Dann wissen Sie jetzt, wie man eine virale Kampagne plant?

Ich hatte gehofft, dass das Ding hochgeht - aber für so einen Erfolg braucht es immer auch Glück.

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