Unterhaching:Vermittlerin zwischen zwei Welten

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Claudia Köhler (re.) vermittelt Asylbewerbern Jobs, wie zum Beispiel der Spülerin aus Nigeria (Mitte). Auch Küchenchef Volker Quint ist zufrieden. (Foto: Angelika Bardehle)

Claudia Köhler hat es sich zum Ziel gesetzt, Jobs für Asylbewerber zu finden. Die Grünen-Gemeinderätin aus Unterhaching lässt sich auch durch ein erstes Nein nicht abschrecken und kämpft sich durch den Behördendschungel

Von Michael Morosow, Unterhaching

Der selige Blick eines einsamen alten Menschen, dem man Nähe und Aufmerksamkeit geschenkt hat, die strahlenden Augen eines Kindes, das erstmals an einem gedeckten Frühstückstisch sitzen darf - nach der Entlohnung für ihre Hilfsbereitschaft gefragt, berichten viele ehrenamtlich tätige Helfer und Betreuer von diesen Augenblicken aufrichtiger Dankbarkeit der Beschenkten und Betreuten. Sie wärmen ihre Seelen und verleihen ihnen neue Kräfte für weitere Guttaten. Einen solchen ergreifenden Moment hat auch Claudia Köhler erlebt, als sie vor einigen Wochen in der Unterkunft für Asylbewerber in Unterhaching erschien, um Dennis (Name geändert), einem jungen Flüchtling aus Nigeria, im Kreise seiner Mitbewohner eine gute Nachricht zu überbringen: "Der Bayerische Hof war angetan von Deiner Probearbeit, du kriegst den Job", sagte sie. Was daraufhin passierte in der Flüchtlingsunterkunft, ging der Unterhachingerin ziemlich unter die Haut. "Der junge Mann hat geweint, alle anderen haben gejohlt und rhythmisch geklatscht und seinen Namen skandiert", erinnert sich Claudia Köhler, und auch daran, dass sie eine Gänsehaut verspürt habe in diesen Augenblicken. "Man muss sich das einmal vorstellen - der ganze Jubel für einen Spülerjob im Bayerischen Hof - da merkt man erst, wie gut es uns geht", sagt sie.

Köhler hat es sich zur Aufgabe gemacht, den oftmals verängstigten, unsicheren, der deutschen Sprache kaum mächtigen Flüchtlingen, die in Unterhaching eine erste Bleibe gefunden haben, eine Arbeitsstelle zu vermitteln. Ihr Motto: "Die Zivilbevölkerung macht es der Politik vor, wie es geht." Dabei ist die Frau selbst eine gewählte Politikerin, sitzt für die Grünen seit Beginn der laufenden Amtsperiode im Gemeinderat. Die 49 Jahre alte Betriebswirtin, verheiratet und Mutter dreier Söhne, mag zwar Kommunalpolitikerin sein, und sie macht auch keinen Hehl daraus, dass ihr das Mandat in dieser Angelegenheit beim Öffnen von Türen behilflich ist, aber im Grunde genommen ist es ihre persönliche Mission, für die sie seit mehr als einem halben Jahr hin- und herpendelt zwischen Flüchtlingswohnheim, Arbeitsagentur, Personalbüros, Chefetagen und Ausländerbehörde.

Das Ergebnis ihrer Bemühungen kann sich mehr als nur sehen lassen, würde jedem professionellen Arbeitsvermittler zur Ehre gereichen: "Stand heute sind es 13", sagte Claudia Köhler Ende September. Allein sechs verdingen sich inzwischen in der Küche des Bayerischen Hofes. Zwei Männer aus Nigeria arbeiten seit Anfang Oktober im Zentrallager des Unterhachinger Senf- und Feinkostherstellers Develey in Parsdorf. Er habe seine Bereitschaft, Flüchtlinge in seiner Firma arbeiten zu lassen, Claudia Köhler mitgeteilt, berichtet Develey-Geschäftsführer Michael Durach, der für die CSU im Unterhachinger Gemeinderat sitzt. "Die beiden arbeiten gerne, und wir haben immer Bedarf", erklärt der Unternehmer, weist aber auf die langen Genehmigungsverfahren hin, die Einstellungen in die Länge ziehen.

Ins gleiche Horn stößt Köhler. Sie würde viel lieber kurze, klare Wege gehen, statt sich ständig durch den Behörden-Dschungel schlagen zu müssen. Wie im Falle einer Frau aus Nigeria, die sich für einen Job als Spülerin in der Großküche des KWA-Wohnstiftes bewarb, aber bis zum Arbeitsantritt mehrere Monate warten musste, weil sich die Agentur für Arbeit querstellte. Die Behörde habe die Weisung, Asylbewerbern keine 450-Euro-Jobs zu genehmigen, erklärt Köhler die erste Absage, nach der sie aber die Flinte nicht ins Korn warf, sondern im Gegenteil ihre Bemühungen verstärkte. So bat sie die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm (Grüne) und Landrat Christoph Göbel (CSU) um Beistand und fuhr gut damit. Auf deren Fürsprache hin bot die Arbeitsagentur an, sich mit dem KWA-Personalchef und Claudia Köhler an einen Runden Tisch zu setzen, um eine Lösung zu finden.

Dabei erfuhren die Beteiligten, unter welchen Voraussetzungen der Spül-Job in der Großküche genehmigungsfähig wäre. Die Voraussetzungen wurden kurz darauf geschaffen. Seit vier Wochen nun schon spült die Nigerianerin das Geschirr vorwiegend an Wochenenden in der KWA-Großküche, zur vollen Zufriedenheit von Küchenchef Volker Quint und Personalleiter Bruno Binner. "Sie macht ihre Arbeit gut, und ihr gefällt auch der Job", sagt Binner, "aber ihre Deutschkenntnisse müssten verbessert werden." In dieser Hinsicht haben die sechs im Bayerischen Hof arbeitenden Asylbewerber wahrscheinlich Glück; das Hotel plant laut Köhler, seinen Bediensteten Sprachkurse anzubieten. Unzureichende Sprachkenntnisse sind nach wie vor die größte Hürde für arbeitswillige Asylbewerber. Aus diesem Grund kommen seit Mai dieses Jahres VHS-Sprachlehrer regelmäßig in die Unterhachinger Flüchtlingsunterkunft, bieten Alphabetisierungskurse an und weitere zertifizierte Abschlüsse von A1 (Elementare Sprachverwendung bis C2 ( nahezu muttersprachliche Sprachbeherrschung). Die Kosten für diese Nachhilfe trägt die öffentliche Hand. Vor Antritt einer Lehrstelle müssen junge Flüchtlinge, insbesondere für den Theorieteil in den Berufsschulen, das Goethe-Zertifikat "B2" (Selbständige Sprachverwendung) nachweisen. Um sie zu erreichen sind jedoch 600 bis 800 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten notwendig. Für die große Mehrheit der jungen Leute stellt das aufgrund der langen Dauer schon per se ein kaum zu überwindendes Hindernis dar. "Dabei wären viele Unternehmen bereit, jungen Flüchtlingen eine Ausbildungschance zu geben", weiß Köhler. Es gibt freilich einen anderen, für die Betroffenen traurigeren Grund für das Scheitern eines Arbeits-oder Ausbildungsverhältnisses: die bevorstehende Abschiebung. So hatte die Grünen-Gemeinderätin mehrere Landschaftsgärtner in der Region angeschrieben und Pflanzen Kölle im Gewerbegebiet am Grünwalder Weg für ihre Sache gewonnen. Vor einem Monat bekam ein Flüchtling aus Nordafrika die Zusage, die ihm aber nichts bringt. "Er steht auf der Abschiebeliste", berichtet Köhler. Dafür kann sie möglicherweise im Hagebaumarkt in Brunnthal bald ein dickes Brett bohren. Der Filialleiter hat von sich aus eine Gesprächsrunde angeboten, an der sich gleich mehrere Flüchtlinge vorstellen können.

Auch im Unterhachinger Rathaus fand die Verwaltung eine Möglichkeit, Asylbewerbern einen Job zu geben. Der Baubetriebshof hatte Verwendung für zwei Asylbewerber als Ein-Euro-Jobber. Die beiden haben laut Rathaussprecher Simon Hötzl inzwischen einen besser bezahlten Job bekommen. Hötzl gibt dabei unumwunden zu, dass die unsichere Rechtslage, insbesondere offene versicherungsrechtliche Fragen, ein Problem bei der Anstellung darstellen. Man werde aber wieder versuchen, Asylbewerber für den Baubetriebshof zu akquirieren. Das wird Claudia Köhler gerne hören.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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