Altbayerisches Donaumoos:Dem Untergang geweiht

Donaumoos

Der Nebel lässt das Altbayerische Donaumoos nur zeitweise verschwinden - langfristig ist es dem Untergang geweiht.

(Foto: Stefan Puchner)

Es ist der flachste und wohl skurrilste Landstrich des Freistaats - und seine Tage sind gezählt: Denn der Boden löst sich allmählich in Luft auf.

Von Stefan Mayr, Karlshuld

Als Friedrich Koch vor 25 Jahren zum ersten Mal ins Altbayerische Donaumoos kam, dachte er zunächst: "Da will ich nimmer her." Dem Mann aus Unterfranken war es hier viel zu neblig, zu eintönig, zu fremd. Nach seinem Volkskunde-Studium in München hat er hat dann trotzdem den Job als Leiter des Museums "Haus im Moos" angenommen.

Heute sagt er über seine neue Heimat: "Das Moos ist keine laute Schönheit, eher eine stille." Und dann gerät er ins Schwärmen: "Der Himmel ist hier größer als anderswo." Weil hier alles so flach ist, sagt er, wird der Blick gen Horizont von nichts verstellt. Schönes bayerisches Flachland. Oder wie die alten "Mösler", so nennen sich die Bewohner des Donaumooses, sagen: "Bei uns sieht man schon am Freitag, wer am Sonntag zu Besuch kommt."

Für Friesen mit Heimweh nach der flachen Heimat

Das Donaumoos ist tatsächlich eine Gegend, deren Schönheit sich manchen erst auf den zweiten Blick erschließt. In jedem Fall aber ist das Moos ein bayernweit einzigartiger Landstrich. Wer Besucher zu Gast hat, denen er beweisen will, dass Bayern nicht nur voller Berge und Wälder ist, der ist hier genau richtig. Oder wer selbst aus Nordfriesland stammt und Heimweh nach der flachen Heimat hat. Oder auch jeder normale Bayer, der alle anderen Attraktionen schon kennt und einfach mal was anderes sehen will.

Man kann schon von einer anderen Welt sprechen. Zum Beispiel Ludwigsmoos. Das ganze Dorf besteht aus einer einzigen Straße, die gefühlte zehn Kilometer lang ist und gerade wie eine Landebahn. Keine einzige Kurve, keine einzige Erhebung. Links und rechts von der Straße stehen aufgereiht die Häuser. Fertig ist Bayerns vielleicht längstes und gleichzeitig schmalstes Dorf. Die Hälfte der Grundstücke ist nur über eine Brücke zu erreichen. Die grauen Betonteile führen über den mächtigen Entwässerungsgraben, der parallel zur Landebahn verläuft.

Ein Dorfzentrum, ein Marktplatz, irgendeine markante Stelle? Fehlanzeige. Ja, natürlich haben sie eine Kirche und ein Rathaus. Aber keine Gasse, die sich malerisch darum herumschlängelt. Nur diese eine Straße. Links davon Graben, rechts davon Fußweg. Ein kuriose Mischung aus Manhattan und Venedig. Und parallel zu Ludwigsmoos liegt Klingsmoos, das gleiche Landebahndorf in Grün.

Größtes Niedermoor Süddeutschlands

Die Erde im Moos ist nicht braun, sondern tiefschwarz. Und feucht. Das Altbayerische Donaumoos gilt als größtes Niedermoor Süddeutschlands. Es ist eine Senke zwischen Neuburg und Schrobenhausen, durch die einst die Donau floss. Der Fluss verzog sich irgendwann und ließ jede Menge Wasser zurück. Vom Ende des 18. Jahrhunderts an wurde das Moos entwässert und dadurch erst allmählich bewohnbar gemacht. Sehenswürdigkeiten aus vergangenen Bauepochen gibt es hier deshalb nicht.

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Das einzige Museum ist das Haus im Moos: Friedrich Koch hat hier ein Freiluftmuseum aufgebaut, mit alten Bauernhäusern und einem Moorerlebnispfad mit Biotopen und einer Wisent-Herde. "Neulich habe ich einen Eisvogel gesehen", berichtet der 57-jährige Museumsleiter stolz.

Surreales Schauspiel mit morbidem Charme

Wenn der Nebel nachlässt, erblickt man beim Wandern vielleicht eine kleine Erhebung am Horizont. Auf diesem Hügelchen gaben die Siedler ihrem Ort in grenzenlosem Übermut einen erhabenen Namen: Berg im Gau. Immerhin, man hat hier eine gute Aussicht auf das weite, grün-schwarz gestreifte Moos. Man sieht die vollkommen waldfreie Ebene. Es gibt nur vereinzelte Bäume. Dazwischen Bodennebelbänke. Autoscheinwerfer leuchten aus ihnen heraus oder tauchen in sie hinein.

Ein surreales Schauspiel. Mit morbidem Charme. Das kommt womöglich nicht von ungefähr: Denn das Donaumoos teilt das Schicksal von Venedig. Es wird eines Tages wohl untergehen. Weil sich der Moorboden in Luft auflöst, wenn er mit Sauerstoff in Kontakt kommt.

In Ludwigsmoos steht der Donaumoospegel. Der hölzerne Pfahl zeigt an, wo sich hier die Erdoberfläche im 19. Jahrhundert befand - zwei Meter über dem jetzigen Boden. Pro Jahr sinkt der Untergrund etwa zwei Zentimeter ab. Das alte Schulhaus ist schon so weit aus dem Boden herausgewachsen, dass die Hohlräume des Fundaments herausschauen.

Der Spargel wächst weiter südlich

Auch wenn das Donaumoos zum Kreis Neuburg-Schrobenhausen gehört, ist es nicht mit dem Schrobenhausener Spargelland zu verwechseln. Der wächst hier nicht, sondern weiter südlich, wo der Boden braun und leicht ist. Hier wird dafür die Kartoffel angebaut. Mit dem guten alten Erdapfel kam auch der Wohlstand. Und weil auch Audi in Ingolstadt und München gut erreichbar sind, gibt es hier die ersten Wohnpaläste im Toskana-Stil.

Wer sie passiert, muss halt wegschauen und seine Augen für andere Reize öffnen. Auf dem Weg nach Neuburg steht zum Beispiel ein Wegweiser: Baiern. Das macht neugierig: Baiern in Bayern? Den Ort muss man sehen. Ein paar Höfe und Häuser, ein Kirchlein, mehr nicht. Aber der Umweg hat sich gelohnt: Auf der Kirchturmspitze sitzt ein Storchenpaar. Der Turm ist alles andere als hoch, so nah sieht man Störche sonst nirgends.

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