Überwachung in Großbritannien:Lizenz zum Speichern

Apparent Banksy graffiti on surveillance surfaces

Benutzer von Smartphones und Computern sollen in Großbritannien künftig stärker kontrolliert werden.

(Foto: Neil Munns/dpa)
  • Großbritannien steht kurz vor der Verabschiedung eines umstrittenen Überwachungsgesetzes.
  • Internet-Anbieter sollen auch Inhaltsdaten ihrer Kunden ein Jahr lang speichern, damit Polizei und Geheimdienste darauf zugreifen können.
  • Ein ähnlicher Vorstoß im Jahre 2012 war am Widerstand der Liberaldemokraten gescheitert und ist als "Schnüffler-Charta" bekannt.

Von Christian Zaschke, London

In dieser Woche stellt die britische Innenministerin Theresa May den Entwurf ihres neuen Überwachungsgesetzes im Parlament vor, und deshalb dürfte sie nicht sonderlich unfroh darüber sein, dass der neue James-Bond-Film "Spectre" bereits im Vereinigten Königreich läuft und neue Besucherrekorde aufstellt. Bond-Filme mögen mit der Realität wenig bis nichts zu tun haben, sie gehören jedoch zum kulturellen Kanon des Landes und vermitteln den Eindruck, dass die britischen Geheimdienste schon wissen, was sie tun, und letztlich zum Wohle aller Bürger arbeiten.

Insbesondere der Inlandsgeheimdienst MI5 und der auf Datenverkehr spezialisierte Dienst GCHQ fordern seit Längerem weiterreichende Kompetenzen zur Überwachung des Internets, und Ministerin May ist bereit, dem Wunsch der Dienste zumindest in Teilen nachzukommen.

Eine gezielte PR-Offensive

Es dürfte in diesem Zusammenhang kein Zufall sein, dass GCHQ in der vergangenen Woche just zum Start des Bond-Films und wenige Tage, bevor der Gesetzesentwurf im Parlament vorgestellt werden sollte, eine PR-Offensive gestartet und erstmals Journalisten Zugang zum Hauptquartier in Cheltenham gewährt hat. Die Londoner Times berichtete sehr freundlich über die Arbeit des Dienstes und wählte auf ihrer Titelseite wenig überraschend den Titel eines anderen Bond-Films als Überschrift: "For Your Eyes Only" (Deutscher Titel: "In tödlicher Mission").

Obwohl in Großbritannien also gerade die heiteren Spionage-Wochen angebrochen sind, wird sich May auf eine intensive Debatte gefasst machen müssen. Ihr Entwurf des Investigatory Powers Acts sieht unter anderem vor, dass Internet-Provider künftig dazu verpflichtet sein sollen, neben Verbindungs- und Standortdaten auch Inhalte anlasslos zu speichern. Die Anbieter sollen Informationen über besuchte Domains ihrer sämtlichen Kunden ein Jahr lang aufheben müssen. Die Polizei und die Geheimdienste sollen bei Ermittlungen auf diese Daten zugreifen können, wenn das Innenministerium einen entsprechenden Antrag bewilligt.

Das Gesetz ist selbst unter den Konservativen umstritten

Das Ministerium weist darauf hin, dass nicht die komplette Browser-Historie gespeichert werden soll, obwohl die Geheimdienste genau das gefordert haben. So wäre zum Beispiel nachvollziehbar, dass Nutzer die Internet-Domain bbc.co.uk besucht haben, nicht aber, welche Seiten sie sich dort im Einzelnen angesehen haben.

Bereits 2012 haben die Konservativen versucht, ein entsprechendes Gesetz durchs Parlament zu bringen. Sie scheiterten am Widerstand der Liberaldemokraten, mit denen sie damals in einer Koalition regierten. Mittlerweile regieren die Tories allein. Da sie allerdings lediglich über eine Mehrheit von zwölf Sitzen verfügen, ist unsicher, ob das Gesetz in der vorgelegten Form verabschiedet wird. Als strittig gilt auch unter Konservativen, wer Anträge auf Dateneinsicht bewilligt. Die Labour-Partei und manche Tories sind der Ansicht, diese Befugnisse sollten bei eigens bestellten Richtern liegen. Noch ist in dem Entwurf geplant, dass das Innenministerium die Entscheidung trifft.

Der alte Entwurf galt als "Schnüffler-Charta"

Derzeit gehen im Ministerium jährlich rund 1400 Anträge von Behörden ein, auf Daten spezifischer Nutzer zugreifen zu dürfen. Der konservative Abgeordnete David Davis, einer der Verteidiger der Privatsphäre unter den Tories, schlägt vor, dass diese Aufgabe künftig von 20 bis 30 Richtern übernommen wird.

Ministerin May sagte, der neue Entwurf sei nach ausgiebigen Konsultationen deutlich weniger strittig als der von 2012. Dieser war als "Schnüffler-Charta" bekannt geworden. Schatten-Innenminister Andy Burnham von der Labour-Partei sagte, es gebe eine breite Akzeptanz dafür, dass ein neues Gesetz verabschiedet werden müsse, damit das Land effektiv gegen Terroristen, Pädophile und andere Kriminelle vorgehen könne. Er warnte vor einer "über-hysterischen" Reaktion auf Mays Pläne, sagte aber auch, dass Richter entscheiden müssten, wann die Behörden auf die gesammelten Daten zugreifen dürften.

Maximalforderung als Verhandlungsstrategie

Diesen Punkt hält auch die Bürger- und Menschenrechtsorganisation Liberty für unerlässlich. Deren Direktorin Shami Chakrabati sagte: "Es ist der typische Tanz des Innenministeriums, erst extrem weitreichende Kompetenzen zu verlangen, damit selbst kleinste Konzessionen als vernünftiger erscheinen." May sagte, der Entwurf werde starke Kontrollen vorsehen, damit trotz der umfassenden Speicherung von Daten die Privatsphäre der Bürger geschützt werde. Das Recht, in Einzelfällen auf die Daten zugreifen zu können, sei jedoch für die Sicherheit des Landes notwendig und werde maßvoll und nachvollziehbar angewandt - und nur wenn nötig.

Nach seiner Vorstellung an diesem Mittwoch wird der Entwurf von einem gemeinsamen Ausschuss aus Unter- und Oberhaus geprüft. Dafür sind acht Wochen veranschlagt.

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