Abgasskandal:VW kämpft gegen sein faules System

VW-Logo an verwittertem Volkswagen

Das VW-Logo auf einem alten, verwitterten Golf - aus der Zeit vor dem Abgasskandal

(Foto: dpa)

Noch profitiert VW vom jahrzehntelangen Vertrauen der Kunden. Aber die Salamitaktik bei der Krisenbewältigung könnte für den Konzern bitter enden.

Von Angelika Slavik

Wenn Unternehmen in einer großen Krise stecken, so wie jetzt der VW-Konzern, gibt es vieles, was sie falsch machen können. Der mit Abstand größte Fehler von allen ist die sogenannte Salamitaktik: das scheibchenweise Einräumen von Verfehlungen, gern kombiniert mit blumigen Euphemismen und ein bisschen heißer Luft. Diese Strategie ist fatal, denn sie zieht nicht nur die Krise in die Länge, sie schadet auch der Glaubwürdigkeit eines Unternehmens zusätzlich zu dem ohnehin schon entstandenen Vertrauensverlust durch den ursprünglichen Fehler.

Es liegt nahe, genau das nun VW vorzuwerfen, schließlich kommen Stück für Stück immer neue Verfehlungen ans Licht. Mit jedem Tag, manchmal mit jeder Stunde, wird die Manipulationsaffäre bei Volkswagen größer und die Außenwirkung immer verheerender. Bloß: Die Krisenkommunikation bei Volkswagen mag holprig aussehen, ist aber nur das Resultat der Zustände in diesem Konzern. Das Problem bei VW scheint zu sein, dass es offenbar tatsächlich niemanden in Wolfsburg gibt, der das volle Ausmaß der Missstände überblickt.

"Die schlimmen Fehler einiger weniger" hatte der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn vor ein paar Wochen als Ursache für die Dieselmanipulationen genannt. Heute ist nicht nur Winterkorn Geschichte, auch seine Fehleranalyse muss zu den Akten gelegt werden.

Konsumenten sind treu und vergesslich. Doch bei VW wird das nichts nützen

Bei Volkswagen gibt es nun eben nicht mehr nur einen Brandherd. Es geht um Stickoxide und Kohlendioxid, um Diesel und Benziner, um die Stammmarke und offenbar auch einige Konzerntöchter. Volkswagen ist nicht, wie man vor einigen Wochen noch hätte glauben können, ein erfolgreicher, im Grunde gesunder Konzern, der sich aufgrund eines großen Fehlers nun in einer Krise befindet. Nein, die Analyse muss lauten: Bei VW ist vieles durch und durch faul.

Bislang gab es vor allem einen Faktor, auf den Volkswagen in dieser Krise hoffen konnte: die Kunden. Menschen, so sagt es die einschlägige Wissenschaft, ändern grundsätzlich ihre Konsumgewohnheiten nur schleppend; und auch wenn der Kauf eines Autos nicht alltäglich ist, ist die Marke VW doch vielen Menschen, vor allem in Deutschland, seit jeher vertraut. Dazu kommt, dass Konsumenten traditionell ein schlechtes Gedächtnis haben. Zugespitzt könnte man sagen, dass sie manchmal Affären und Verfehlungen von Unternehmen schon wieder vergessen haben, bevor sie sich überhaupt aufraffen konnten, ihr Kaufverhalten deswegen zu ändern.

Auch Marken wie Volkswagen sind nicht unendlich belastbar

Bei Volkswagen kommt noch ein dritter Faktor dazu, denn das Unternehmen wird von vielen Bürgern als Aushängeschild der deutschen Wirtschaft betrachtet. Volkswagen war also, selbst wenn man lieber Renault, BMW oder Dacia fährt, etwas, worauf man stolz sein konnte. Ein Stück Deutschland.

Diese drei Faktoren erklären, warum die Absatzzahlen von VW in den ersten Wochen dieser Krise nicht eingebrochen sind. Trotzdem muss man sagen: Marken, auch so traditionsreiche wie Volkswagen, sind nicht bis ins Unendliche belastbar. In den vergangenen Tagen hat das Wolfsburger Desaster eine völlig neue Qualität bekommen. Das könnte für den Konzern bitter werden. Denn die Loyalität der Kunden wird spätestens dann enden, wenn sie fürchten müssen, beim Kauf eines Autos aus dem Haus Volkswagen nicht nur einen Wagen, sondern auch jede Menge Probleme obendrauf zu bekommen.

Wie ein Unternehmen mit einer Krise umgeht, wie es die Vergangenheit bewältigt, ist maßgeblich dafür, wie die Zukunft aussehen wird. Bei Volkswagen macht man in diesen Tagen eigentlich vieles richtig. Es wird eifrig ermittelt, das Unternehmen müht sich sichtlich um Transparenz - und bleibt doch getrieben von den Enthüllungen durch Medien und Behörden. Volkswagen kämpft. Aber der Kampf wird immer schwieriger.

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