Wahlen in Myanmar:Gebremste Favoritin

Aung San Suu Kyi

Kann selbst bei einem Wahlsieg nicht Präsidentin von Myanmar werden: Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.

(Foto: REUTERS)
  • Bei den Wahlen in Myanmar ist die Oppositionsführerin, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, Favoritin.
  • Weil sie zwei Kinder mit ausländischem Pass hat, ist sie formal als Kandidatin für das höchste Staatsamt disqualifiziert.
  • Unter Wählern herrschte am Sonntag immer noch Skepsis, ob das Militär tatsächlich die Wahlen anerkennen würde.

Von Arne Perras, Singapur/Yangon

Bei den ersten freien Wahlen in Myanmar seit einem Vierteljahrhundert haben Millionen Wähler ihre Stimme abgegeben. Vielerorten war Begeisterung zu spüren. Analysten rechneten damit, dass die Partei der Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi, die Nationale Liga für Demokratie (NLD), die meisten Sitze bekommt. Dennoch kann die 70-Jährige aufgrund einer vom Militär geschaffenen Verfassungsklausel nicht Präsidentin werden.

Weil sie zwei Kinder mit ausländischem Pass hat, ist sie formal als Kandidatin für das höchste Staatsamt disqualifiziert, eine Änderung des Paragrafen ist nur mit Zustimmung des Militärs möglich. Auch sind 25 Prozent aller Sitze in beiden Parlamentskammern für die Armee reserviert, weshalb die NLD zwei Drittel aller noch freien Sitze erobern muss, um die Regierung zu stellen. Ob ihr dies gelungen ist, wird sich in den kommenden Tagen zeigen, wenn Ergebnisse bekannt gemacht werden.

Wahlbeteiligung habe bei etwa 80 Prozent gelegen

Größere Zwischenfälle wurden am Sonntag zunächst nicht gemeldet. Der Chef der EU-Beobachtermission, Alexander Graf Lambsdorff, sagte: "Im großen und ganzen lief die Prozedur ordentlich ab." Er sprach jedoch auch von Mängeln, die er nicht näher benennen wollte. Die NLD hatte vor der Abstimmung angezweifelt, dass die Bedingungen fair seien; sie warf den Gegnern Einschüchterungen und versuchten Stimmenkauf vor. Ein Mitarbeiter der Wahlkommission sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Wahlbeteiligung habe bei etwa 80 Prozent gelegen.

Etwa 30 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Die Abstimmung gilt als Weichenstellung, um den Vielvölkerstaat mit seinen 53 Millionen Einwohnern nach mehr als fünf Jahrzehnten der Militärherrschaft in eine demokratische Zukunft zu führen. Bei den letzten weitgehend freien Wahlen im Jahr 1990 hatte die NLD von Aung San Suu Kyi 80 Prozent der Sitze gewonnen. Doch dann annullierte das Militär das Ergebnis und setzte seine autoritäre Herrschaft fort. Die Armee beherrscht das Land seit 1962, wobei es in den vergangenen vier Jahren eine vorsichtige Öffnung und Reformen eingeleitet und formal die Macht an eine zivile Regierung übertragen hat.

Skepsis unter den Wählern

Unter Wählern herrschte am Sonntag immer noch Skepsis, ob das Militär tatsächlich die Wahlen anerkennen würde. "Ich habe Bekannte, die gar nicht abstimmen wollten, weil sie überzeugt sind, dass die Generäle die Macht sowieso nicht abgeben", sagt die 50-Jährige Tin Tin Aye. Eine große Mehrheit schien am Sonntag aber doch zuversichtlich zu sein und wollte sich die Chance nicht entgehen lassen. Manche reckten stolz ihren in Tinte getauchten Finger in die Höhe, als sie aus den Wahlkabinen kamen. Präsident Thein Sein, der sich mit der militärnahen Partei USDP an der Macht halten möchte, hatte kurz vor der Wahl versichert, er und die Armee würden das Ergebnis respektieren.

Seine Strategie bestand darin, die Wähler davon zu überzeugen, dass der Wandel mit der USDP längst begonnen habe, die NLD also überflüssig sei. Er brachte die Botschaft unters Volk, dass das Land die Armee brauche, um stabil zu bleiben. In einem Videoclip auf seiner Facebook-Seite zeigt er Szenen von den blutigen Umbrüchen im Mittleren Osten, die den Wählern suggerieren sollten: Wählt USDP, wenn ihr wollt, dass Myanmar ein solches Chaos erspart bleibt.

Dass er ausgerechnet die arabische Welt als apokalyptischen Hintergrund wählte, war kein Zufall, es passt zur verbreiteten Phobie gegen Muslime in Myanmar, die auch von radikalen buddhistischen Mönchen geschürt wird. Muslime machen bis zu zehn Prozent der Bevölkerung aus und leben über das Land verteilt. Viele sind erfolgreiche Geschäftsleute. Nur im äußersten Westen, an der Grenze zu Bangladesch, bilden Muslime in manchen Gegenden eine Mehrheit. 2012 kam es dort zu blutigen Unruhen, bei denen vor allem Rohingyas starben, eine muslimische Gruppe, die der Staat als illegale Einwanderer ächtet, obgleich sie teils schon seit Generationen in Myanmar leben. Hunderttausende sind staatenlos und durften nicht wählen.

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