Walfang im Nordatlantik:Sinnloses Schlachten

Vor Island läuft eine der größten Waljagden der Welt. Dabei gibt es für die tonnenschweren Fleischberge noch nicht einmal Abnehmer.

Gunnar Herrmann

Tierschützer sind empört - auf Island hat in diesem Sommer eine der größten Walfangaktionen der Welt begonnen. Etwa 100 Tiere haben die Schiffe des Unternehmers Kristjan Loftsson schon erlegt. Und es könnten noch mehr werden: Loftssons Firma Hvalur hat eine Fangquote für insgesamt 150 Finnwale erhalten.

"Bloß ein politisches Spiel"

"Sinnlos" sei das, sagt der isländische Umweltaktivist Arni Finnson, es gebe keinen Abnehmer für das Fleisch. Auf Island wird es so gut wie nicht gegessen. Auch in Japan - wohin Hvalur die Beute exportieren möchte - ist Finnwal aus der Mode gekommen. Greenpeace meint sogar beweisen zu können, dass dort niemand das Walfleisch kaufen wird. "Das ganze ist bloß ein politisches Spiel", schimpft Finnson.

Finnwale sind nach den Blauwalen die zweitgrößten Tiere der Erde, ausgewachsene Weibchen wiegen bis zu 70 Tonnen. Durch exzessive Jagd wurden sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast ausgerottet, damals wurden jährlich teils Zehntausende Tiere harpuniert. 1986 beschloss die Internationale Wahlfangkommission ein Moratorium.

Zum Abschuss freigegeben

Der Finnwal steht auf der Roten Liste und wird durch das Internationale Artenschutzabkommen geschützt. Dennoch ließ Islands Regierung im Sommer 2006 wieder kommerzielle Jagd zu. Die Begründung: Der Finnwal sei zwar woanders auf der Welt bedroht, im Nordatlantik um Island herum gebe es jedoch genug davon. Sieben Tiere wurden 2006 zum Abschuss freigegeben.

Das Fleisch der Finnwale, fast 100 Tonnen, konnte erst zwei Jahre später, Mitte 2008, nach Japan geliefert werden. Loftsson hatte offenbar Probleme gehabt, die Anforderungen japanischer Gesundheitsbehörden zu erfüllen. Loftsson ist der einzige Walfänger, der Jagd auf Finnwale macht. Er ist überaus beharrlich: In den vielen Jahren, in denen Finnwale auch auf Island geschützt waren, ließ er seine vier Fangschiffe in einem Hafen nahe des Zentrums der Hauptstadt Reykjavik ankern. Er hielt die arbeitslose Flotte stets so gut in Schuss, dass sie jederzeit hätte auslaufen können. Sie wurde zum Symbol für den Kampf gegen das Fangverbot.

Nach 2006 erteilte die Regierung zunächst keine neuen Fanglizenzen für Finnwale mehr. Man wollte abwarten, ob sich das Geschäft überhaupt lohnt. Aber als Loftsson das Fleisch der ersten sieben Tiere nach Japan verschifft hatte, schwanden offenbar die letzten Bedenken. Anfang 2009 gab Fischereiminister Einar Gudfinnsson 150 Tieren pro Saison zum Abschuss frei, die Quote schrieb er gleich für die nächsten fünf Jahre fest. Es war eine seiner letzten Amtshandlungen: Gudfinnssons Regierung musste wegen der Proteste in Folge der Finanzkrise zurücktreten.

Tonnenweise gefrorenes Walfleisch

In der rot-grünen Koalition, die heute das Sagen hat, gibt es zwar viele Walfanggegner. Dennoch tastete die neue Regierung die Quote nicht an. Dem Fischereiministerium zufolge ist das in diesem Jahr einfach aus juristischen Gründen unmöglich. Allerdings will man die Quote für die nächsten Jahre "überprüfen".

Hunderte Tonnen Walfleisch eingefroren

Dabei dürfte eine wichtige Rolle spielen, was mit den Hunderten Tonnen Finnwalfleisch geschieht, die Loftssons Firma in diesem Sommer verpackt und eingefroren hat. Auf Island gibt es dafür keinen Bedarf. Die Menge ist zu groß für die kleine Insel, zudem essen Isländer lieber Zwergwale - deren Fleisch ist ein beliebtes Grillgericht, auch weil es billig ist. Loftsson hat zwar mehrfach angekündigt, er werde seine Finnwale nach Japan verkaufen.

Aber dort ist trotz vieler Bemühungen, den Walfleischkonsum anzukurbeln, die Nachfrage nur sehr gering. Tatsächlich ist laut isländischer Exportstatistik 2009 noch kein Gramm Wal nach Japan verkauft worden. Und Greenpeace veröffentlichte kürzlich den Mitschnitt eines Telefongesprächs mit einem japanischen Walfleisch-Importeur. Darin sagt der Japaner einem Aktivisten ganz offen, er plane in diesem Jahr keinen Einkauf in Island. Es gebe keinen Markt für die Finnwale.

Wenn das stimmt, sitzt Island auf einem großen unverkäuflichen Fleischberg, der nichts einbringt als Probleme. Etwa beim jetzt angelaufenen EU-Beitrittsverfahren: Brüssel hat kürzlich einen 300 Seiten starken Fragebogen an den Kandidaten Island geschickt. Auf Seite 285 wird die Regierung gebeten, die Sache mit dem Walfang zu erläutern. Umweltschützer Finnson freut sich. "Die EU wird diese Jagd niemals akzeptieren", sagt er.

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