Kritik aus der Kirche:Christliche Volkspartei vergrätzt Christen

Migrants cross a field as they walk from the Austrian village Kollerschlag towards Austrian-German border in Wegscheid

Eine Gruppe Flüchtlinge wandert an der österreichisch-deutschen Grenze bei Wegscheid durch das tiefkatholische Niederbayern.

(Foto: REUTERS)

Der CSU fehlt in der Flüchtlingspolitik die Orientierung - weshalb sich die Ordensoberen der katholischen Kirche zu Recht ärgern.

Kommentar von Sebastian Beck

Wenn sich 45 Ordensobere gegen die Flüchtlingspolitik der CSU auflehnen, dann ist das ungefähr so, als mache der Bund Naturschutz gegen die Umweltpolitik der Grünen mobil. Katholiken gehören immer noch zur Kernwählerschaft der Partei. Unter ihnen hat sich in den vergangenen Wochen aber erheblicher Unmut aufgestaut, der sich jetzt erstmals in einem offen Brief an Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer entlud.

Die Kritik gilt gar nicht so sehr den konkreten Entscheidungen als vielmehr der brachialen Rhetorik einiger CSU-Spitzenpolitiker - für die allen voran Finanzminister Markus Söder steht, aber auch Peter Ramsauer. Der Bundestagsabgeordnete tourt in Südostbayern über die Dörfer, um sich über die "Willkommenskultur" auszulassen, die ihm genauso wie Söder gewaltig auf die Nerven geht.

Ramsauer und Söder vergessen dabei, dass zu den ehrenamtlichen Helfern im ganzen Land auch Tausende Katholiken und Parteigänger der CSU zählen: Diese sind nicht naiv und wissen sehr genau, welche Probleme der ungebremste Flüchtlingsandrang bereitet. Dennoch lassen sie sich in ihrem Handeln auch von der christlichen Botschaft der Nächstenliebe leiten.

Die CSU gefällt sich derzeit sehr in ihrer Rolle derjenigen Partei, die alle anderen in der Flüchtlingspolitik vor sich hertreibt. In Berlin hat ihr das plötzlich zu neuer Bedeutung verholfen. An der Parteibasis daheim im Freistaat vergären derweil ungebrochene Hilfsbereitschaft mit berechtigten Ängsten und alten Ressentiments zu einem seltsamen Gebräu.

Es mangelt den Menschen offensichtlich an Orientierung. Ein bisschen mehr Katholizismus würde der christlichen Volkspartei CSU in der Situation gut tun - allerdings nicht der stockkonservative des Passauer Bischofs Stefan Oster und seiner Glaubensbrüder. Doch liberale, streitbare und der Welt zugewandte Katholiken haben derzeit weder in der CSU noch in der bayerischen Kirche viel mitzureden. All die Laien, die einfach nur helfen, können einem da fast schon leid tun.

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