Zukunft des Reisens:App in den Urlaub

Apps für die Reise

Die Digitalisierung verändert das Reisen - zumindest so lange der Akku reicht.

(Foto: Alper Özer)

Besser als Beamen und Finden statt Suchen: Fünf digitale Trends, die das Reisen verändern.

Guckst du - Entdeckungen sollen kein Zufall mehr sein

Neulich hat P. die beste Bar seines bisherigen Lebens gefunden. In der Schweiz. Afghanische Teppiche, gemütliche Sofas, bester Ethnic-Electro, Wodka Mule aus dem Kupferbecher, und ein Haufen gechillter Menschen wie er, der gerade ein halbes Jahr lang um die Welt reist. Zufall? Natürlich nicht.

P. hat da diese App auf seinem Smartphone, die weiß, was er mag und die ihm Vorschläge macht: "Du bist gerade in St. Moritz", sagt die App, "wie wäre es mit dem Bamyan Ski Club? - Abgefahrene Pop-up-Bar!" - "Du magst Asien, sonst hättest du da nicht drei Monate auf deiner Reise verbracht" (das schreibt sie nicht, das weiß sie aufgrund der Daten, die ihr P. bereitwillig gegeben hat). Sein Handy ist voll mit Electro-Musik und seine Vorliebe für Cocktails ist eh jedem seiner 321 Facebook-Freunde bekannt. Drei von denen waren schon in der Bar und haben sie geliked. Das weiß die App auch.

Und so verbringt P. einen ziemlich guten Abend im Bamyan Ski Club. Ganz so weit wie hier skizziert ist es noch nicht, aber die Internetkonzerne arbeiten daran, dass dieses Szenario bald real wird. Personalized Discovery nennt sich das und es soll bald nicht nur mehr vom Gleichen vorschlagen, wie das etwa Amazon oder Spotify machen. Sondern es soll, plattformübergreifend, dem Nutzer Neues zeigen, wirkliche Entdeckungen ermöglichen. Das ist noch utopisch, gleichzeitig auch beängstigend.

Denn wie gut muss einen die Maschine kennen, um so individuelle Vorschläge zu machen? Google Now geht bisher am stärksten in diese Richtung. Es kombiniert Daten aus dem Kalender mit Verkehrsinformationen wie Staus oder Flugplänen sowie Wetterdaten und macht Vorschläge wie sonst nur der persönliche Sekretär: "Ihr Flug geht um 11.30, die S-Bahn ist ausgefallen, Sie sollten jetzt losfahren mit der U1 bis . . ."

Auch kleinere Unternehmen bieten Apps an, die Ähnliches leisten. Qloo macht dem Nutzer Vorschläge in acht verschiedenen Kategorien, von Musik über Mode bis hin zu Reisen. Es lernt durch die Eingaben des Nutzers und die Kombination mit Vorlieben ähnlicher Nutzer. Die App Wist, bei der man sich nur über sein Facebook-Profil anmelden kann, macht Vorschläge zu Essen und Trinken in verschiedenen amerikanischen Großstädten. Sie kombiniert dafür die Vorlieben des Nutzers mit denen seiner Facebook-Freunde und jenen von ausgewählten Einheimischen. Der Preis für all diese Services ist die Preisgabe von immer mehr persönlichen Daten.

Hans Gasser

Besser als Beamen - Everest und Antarktis für Sesselreisende

Das Beamen, jene wunderbare Instant-Körperversand-Vision aus "Star Trek", harrt zwar immer noch seiner Erfindung, aber wer außer ein paar nostalgischen Filmfans braucht so etwas überhaupt noch? Wir, oder sagen wir: die moderne Technik, ist nämlich schon einen Schritt weiter: Anstatt sich in eine dieser - wer mehr als zwei Episoden "Star Trek" gesehen hat, weiß das - fehleranfälligen Teleportationskammern zu stellen, tippt man einfach einige Wörter auf das Display des Smartphones, und ist dann, schwuppdiwupp, überall auf der Welt. Also nicht nur im Garten des Nachbarn oder auf kicker.de, sondern dort, wo man selbst nie hinkommen könnte oder auch nie hinkommen will: in der Kletterroute "The Nose" am El Capitan, an Wracks inmitten der Karibik oder über dem Grab des Antarktis-Forschers Ernest Shackleton.

Das Display-Beamen ans Shackleton-Grab hat beispielsweise die Firma Lindblad Expedition ermöglicht, indem sie einen gewissen Eric Wehrmeister mit einer 19,5 Kilogramm schweren Spezialkamera am Buckel auf die Inselgruppe Südgeorgien schickte. An der legendären Nose wiederum klettert man mit Szenegrößen wie Lynn Hill und Alex Honnold durch Passagen wie King Swing oder The Great Roof. Es ist dann nicht nur der Internetgigant Google, der die Bilder zu 360-Grad-Rundum-Erlebnissen zusammenbaut. Auch der Schweizer Sportartikelhersteller Mammut hat beispielsweise 3D-Bergbesteigungen wie die des Matterhorns schon für Werbezwecke genutzt.

Man darf sich daher sicher sein, dass die Elefanten im Samburu-Nationalpark und das Everest-Basislager nicht das Ende des interaktiven Erforschens sind. Wahrscheinlich können Ärzte aus München mithilfe von Google und der Kassenärztlichen Vereinigung schon bald Gesundheitschecks wie Darmspiegelungen bei Patienten im Amazonas durchführen. Das würde nicht nur das Beamen überflüssig machen, sondern jede Auslandskrankenversicherung.

Dominik Prantl

Bleib bei mir - Der Reiseleiter ist jetzt immer erreichbar

Reiseleiter brauchen seit jeher ein dickes Fell. Es kommen Leute zu ihnen, die sich beklagen, weil das Zimmer nicht zum Meer zeigt, der Tischnachbar sich den Teller überlädt oder sie im Bus zu weit hinten sitzen. Insofern kann man nur begrüßen, wenn neue Techniken dem Berufsstand einen Teil der Last abnehmen.

Der interaktive Reiseleiter ist bei großen Konzernen wie Thomas Cook oder Tui bereits im Einsatz: erreichbar rund um die Uhr, über möglichst viele Kanäle, variierend je nach Anbieter - Telefon, SMS, Whatsapp, Skype, Facebook, Twitter, Webchat. Weil so ein Dauer-Gefragtsein niemand auf Dauer stemmen kann, arbeiten die Berater in Schichten in Servicezentren.

Connected Service Consultants heißen sie dann etwa bei Thomas Cook. Sie kümmern sich um alles, was die Gäste - gern direkt vor und direkt nach dem Strandbesuch - geklärt haben wollen: die Buchung von Ausflügen, das Überprüfen der Abflugzeit oder die zu weiche Matratze. Sie wollen nicht darauf warten, bis der Reiseleiter vor Ort einmal in der Woche in der Lobby zur Sprechstunde erscheint. Zwar teilen beide Konzerne eine Beobachtung: Noch ist der Reiseleiter, der dem Gast leibhaftig gegenübersteht, unersetzbar. Aber die Gäste erwarten zunehmend, dass immer jemand für sie ansprechbar ist.

Die Tui hat eine App entwickelt, die dem Gast eine individualisierte Begleitung bieten will - er findet so von der Parkmöglichkeit am Flughafen bis zu Einreisebestimmungen alles, was zur Organisation der von ihm gebuchten Reise wichtig ist. Wenn es aber Probleme gibt oder konkrete Rückfragen, können sich Gäste auch über verschiedene Kanäle an Servicezentren wenden. Bei Thomas Cook sitzen derzeit 50 Mitarbeiter auf Mallorca, Kreta und in Antalya. Von dort werden Anfragen aus der ganzen Welt bearbeitet. Dabei zeigt sich, dass Belgier und Engländer gern skypen, Deutsche lieber telefonieren. SMS, Whatsapp und E-Mails holen aber auf.

Monika Maier-Albang

Foto fix - Digitale Dienste sortieren die Bilderflut

Kam man früher von einer Reise nach Hause, ging es für die ganz Ehrgeizigen erst richtig los: Tausende Bilder mussten auf den Computer geschaufelt, ausgewählt und dann wahlweise in eine Dia-Show oder in ein Fotobuch verwandelt werden. Das fraß nicht selten ganze Wochenenden. Auch wer gerne die Route auf einer Karte eintrug, um sich im Freundeskreis mit geografischer Sachkundigkeit zu schmücken, hatte ein ordentliches Stück Arbeit vor sich. Man schwelgte noch ein wenig in Erinnerungen. Erst nach dem großen Dia-Abend hatte der Alltag einen definitiv wieder.

Zeitraubende Nachbereitung, handbeschriftete Straßenkarten, Dia-Shows, programmiert und zusammengepuzzelt am Rechner - das gehört für die meisten Menschen wohl bald der Vergangenheit an. Immer mehr Foto-Apps und Smartphone-Dienste machen die Nachbereitung überflüssig. Apps wie Trip Journal pinnen alle geschossenen Bilder auf eine Karte, man kann also ganz leicht sehen, wo welches Motiv entstand. Und hat auch gleich eine Karte mit eingezeichneter Route, mit der man wieder bei den Geografen punkten kann.

Auch Facebook nimmt uns komplett die Nachbereitung ab, die App dafür heißt Moments. Automatisch werden kleine Videos mit Musik aus den Urlaubsbildern erstellt. Hat man den Urlaub auch noch als Event bei Facebook eingetragen, kann jeder Teilnehmer, also Mitreisende, auf alle Bilder zugreifen. Man muss weder USB-Sticks austauschen noch virtuelle Speicherkörbe befüllen. Das Gleiche gibt es auch bei Google, es nennt sich "Geschichten": Automatisch werden aus den Bildern und Videos kurze Clips erstellt - manchmal auch in sinnloser Weise. Ganz überflüssig ist der Mensch noch nicht.

Die Mutter aller Foto-Souvenirs, die Postkarte, wurde ohnehin schon längst von allen möglichen Apps verschluckt, mit denen man Bilder schickt. Die Weltreise des Künstlers Ai Weiwei zum Beispiel kann man gerade live auf Instagram sehen.

Hannes Vollmuth

Iss jetzt! - Reise-Apps geben ungefragt Tipps

Etwas zu suchen kann unglaublich lästig sein: den Reisepass, die Kofferschlüssel, einen günstigen Flug oder ein Restaurant mit guter einheimischer Küche. Die Digitalisierung beinhaltet insofern ein sehr verlockendes Versprechen: nämlich das meiste davon rasch für einen zu finden. Man muss einer Suchmaschine oder App lediglich mitteilen, wonach man sucht.

Künftig soll dieser Schritt entfallen. "Die Welt, in der wir fragen, weil wir einen Bedarf haben, verwandelt sich gerade in eine Welt automatischer Antworten", sagt Michael Buller, Vorstand des Verbandes Internet Reisevertrieb. Das gilt für alle Lebensbereiche, also auch für den Tourismus. Die Smart-Watches, die keine Eingabetasten mehr haben, sind ein erstes Versuchsfeld für touristische Anbieter.

Das Such-Prinzip wird in ein Push-Prinzip verkehrt: Bislang muss der Nutzer digitaler Anwendungen eine Eingabe tätigen, wodurch ein Algorithmus ihn dann in eine Schublade steckt und Angebote unterbreitet, die er allen andern Bewohnern dieser Schubladen auch macht - so funktioniert Big Data heutzutage überwiegend. Künftig werden über das Konsumverhalten, über Bewegungsprofile und alle weiteren digitalen Spuren eines Nutzers so viele Daten vorliegen, dass er mit konkret auf ihn bezogenen Informationen versorgt wird. Da, wo der Mensch ein Gewohnheitstier ist, muss er seine Bedürfnisse dann nicht mehr artikulieren.

Das Zukunftsszenario: Auf einer Städtereise sucht man nicht mehr nach einem Restaurant, wenn man Hunger hat. Sondern eine App informiert einen von sich aus um 19.30 Uhr - weil man meistens gegen 20 Uhr isst -, wo das nächste gutbewertete italienische Restaurant ist - weil man eben bevorzugt zum Italiener geht. Die Schwierigkeit im Augenblick sei, sagt Buller: "Wir müssen erst noch lernen, die richtige Information zur richtigen Zeit zu verschicken, anstatt die Kunden mit unbrauchbaren Informationen in den Wahnsinn zu treiben."

Noch hat die Tourismusbranche gar nicht genügend Daten für personenbezogene Angebote. Diese Informationen liegen ganz überwiegend in der Hand großer Technologie-Firmen, die die Nutzer im Sekundentakt tracken. Das sei eine Gefahr für den Wettbewerb, sagt Buller. Derzeit sieht es so aus, als würden diese Firmen künftig einen nennenswerten Teil des Umsatzes im Tourismus für sich verbuchen. "Aber wer weiß, was Google macht", sagt Buller, "wenn es keine Suchmaschinen mehr gibt, weil die Menschen nichts mehr suchen."

Stefan Fischer

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