Treffen der Regierungschefs aus EU und Afrika:Nur ein Mittel hilft gegen Schlepper

African migrants climb a border fence covered in razor wire between Morocco and Spain's north African enclave of Melilla

Lebensgefährliches Roulette: Migranten aus Afrika versuchen, den Zaun zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla zu überwinden (Bild von 2014).

(Foto: REUTERS)

Vielen Regierungschefs in Afrika kommt es sehr gelegen, dass ihre Bürger nach Europa wollen.

Kommentar von Tobias Zick

Viel symbolträchtiger hätte man den Tagungsort nicht wählen können: Valletta, die Hauptstadt der Insel Malta, mitten im Mittelmeer, das die beiden Kontinente zugleich verbindet und trennt. Hier kommen die Staats- und Regierungschefs der EU und ihre Kollegen aus Afrika zusammen, um über Flucht und Migration zu beraten. Europa und Afrika also treffen sich in der Mitte.

Die geografische Symbolik wird allerdings nicht weit reichen. Nach dem Eröffnungsgeplänkel dürfte schnell klar werden, dass sich da zwei Blöcke mit sehr unterschiedlichen Interessen gegenüberstehen.

Die Europäer wollen, dass weniger Afrikaner übers Mittelmeer zu ihnen kommen. Das ist ungefähr das Gegenteil dessen, was ihre Gesprächspartner wollen. Es ist kein Zufall, dass nach jedem Schiffsunglück, das afrikanische Migranten in den Tod reißt, von den Regierungen der Herkunftsländer bislang vor allem dröhnendes Schweigen zu vernehmen war.

Der Kontinent exportiert jene, die den Herrschern Ärger machen

Es wäre naiv anzunehmen, dass unter Afrikas Staats- und Regierungschefs der Wille vorherrsche, den Exodus ihrer Bürger zu stoppen. Vielen von ihnen kommt es sehr gelegen, wenn die überwiegend jungen Männer zu Tausenden das Land verlassen, um im Norden irgendeine Arbeit zu finden und dann Geld nach Hause zu überweisen. Millionen von Großfamilien hängen von solchen Geldtransfers ab.

Die jungen Menschen am Aufbruch zu hindern, hieße, noch mehr Perspektivlosigkeit und Frust im eigenen Land anzustauen - jenen Frust, der in Brazzaville, Kinshasa oder Bujumbura Demonstranten antreibt, gegen ihre herrschende Klasse aufzubegehren. Migration ist für korrupte Regime ein Ventil, um den Druck der Straße zu lindern.

Selbst wenn es gelänge, durch bessere Entwicklungszusammenarbeit neue Perspektiven in den Heimatländern zu schaffen - es wäre ein sehr langsamer Prozess, und er müsste Schritt halten mit dem rasanten Bevölkerungswachstum südlich der Sahara. Die Zahl junger Afrikaner wird noch einige Jahrzehnte lang wachsen.

Das Roulettespiel ist lebensgefährlich - aber es kann lohnend sein

Die Europäer sollten also nicht erwarten, dass ihre afrikanischen Kollegen sich der Migration mit vereinten Kräften entgegenstemmen; einem Phänomen, das nur diesseits des Mittelmeers als "Problem" wahrgenommen wird. Wohl aber hat es Europa in der Hand, an seiner eigenen Rolle vieles zu korrigieren - indem es sich zu allererst zu einem ehrlicheren Umgang mit dem Thema durchringt.

Die jungen Männer, die sich auf den Weg durch die Sahara und übers Mittelmeer machen, kennen sehr wohl die Fernsehbilder der sinkenden Boote und gestrandeten Leichen. Sie kennen aber auch die Geschichten derer, die es geschafft und in Europa ein leidliches Auskommen gefunden haben. Sie wissen, dass das Roulette-Spiel, bei dem sie ihr Leben und das Vermögen ihrer Familien in die Hände der Schlepper legen, risikoreich ist - aber durchaus lohnend ausgehen kann.

Die meisten wollen nicht bleiben, sondern Geld verdienen für zu Hause

Ehrlich wäre es, wenn Europa endlich zugäbe, dass es von afrikanischen "Wirtschaftsflüchtlingen" durchaus profitiert; dass die Aussicht auf Arbeit in Gewächshäusern in Andalusien oder auf Plantagen in Kalabrien jungen Afrikanern handfeste Anreize liefert, die gefährliche Reise übers Mittelmeer anzutreten. Aufrichtig wäre es, solchen Arbeitsmigranten legale Wege zu öffnen, durchaus auch mit Quoten und zeitlich befristet. Die meisten jungen Männer wollen ohnehin nicht für immer in Europa bleiben. Sie wollen mit Arbeit Geld verdienen und sich dann eines Tages daheim eine eigene Existenz aufbauen.

Dieser Wille ist so stark, dass die Mehrheit von ihnen sich nicht aufhalten lässt; nicht durch Gesetze, nicht durch Zäune, nicht durch Lebensgefahr. Europa kann die Schlepper bekämpfen. Aber das wird wenig nutzen, wenn man ihnen nicht zugleich die Geschäftsgrundlage entzieht.

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