Geheimdienstreform:Koalition will dem BND politische Spionage in der EU unmöglich machen

  • Dem Bundesnachrichtendienst soll künftig die politische Spionage in EU-Ländern und -Institutionen unmöglich gemacht werden.
  • Die Ausspähung von Telefonen und Computern im EU-Ausland soll nur bei Terrorverdacht, organisierter Kriminalität und der Umgehung von Rüstungsembargos möglich sein.
  • Zugleich ist eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste geplant.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Union und SPD sind sich auf der Ebene der Fachpolitiker in den Grundzügen über eine Reform der Geheimdienstkontrolle und des Gesetzes für den Bundesnachrichtendienst (BND) einig. Demnach soll dem BND politische Spionage in EU-Ländern und -Institutionen sowie Wirtschaftsspionage unmöglich gemacht werden.

Die zweite Säule der Reform soll zu einer verbesserten parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste führen. Dafür soll dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGR) ein ständiger Bevollmächtigter zur Verfügung gestellt werden. Nach Informationen der SZ hat der Haushaltsausschuss des Bundestages in dieser Woche bereits 20 zusätzliche Planstellen für diesen Bevollmächtigen bewilligt, die auf drei bis vier Referate verteilt werden. Unklar ist noch, ob der Bevollmächtigte vom Parlament gewählt wird oder vom PKGR.

BND in der Kritik

Der BND steht in der Kritik, weil ihm der US-Geheimdienst NSA Suchbegriffe unterjubeln konnte, die auf europäische und deutsche Ziele ausgerichtet waren. Und weil er selbst offenbar europäische Institutionen ausgeforscht hat, ohne dass dies vom Auftragsprofil der Bundesregierung gedeckt war.

Nach Informationen des RBB-Inforadio sollen etwa Frankreichs Außenminister Laurent Fabius und der deutsche Diplomat Hansjörg Haber vom BND abgehört worden sein. Auch der Internationale Strafgerichtshof, das UN-Kinderhilfswerk Unicef, die Weltgesundheitsorganisation WHO, das FBI sowie europäische und amerikanische Firmen hätten zu den Spionagezielen gehört.

Europäische Institutionen und Regierungen sollen deshalb künftig generell vor Ausspähaktionen des BND geschützt werden. Für das weitere Ausland sollen die Regeln strenger werden. Abhöraktionen im Bereich der strategischen Fernmeldeaufklärung sollen künftig generell vom BND-Präsidenten und vom Bundeskanzleramt genehmigt werden müssen.

Kontrolle im Nachgang

Im Nachgang soll es dann eine parlamentarische Kontrolle dieser Entscheidungen geben können. Damit wollen Union und SPD auch sicherstellen, dass das grundgesetzlich geschützte Telekommunikationsgeheimnis künftig jedem Ausländer zumindest in einer Basis-Version garantiert wird.

Unklar ist, ob diese nachgelagerte Kontrolle dem parlamentarischen Kontrollgremium übertragen wird. Oder der vom PKGR eingesetzten G10-Kommission, die für die Genehmigung von Abhöraktionen der Geheimdienste gegen deutsche Staatsbürger zuständig ist.

Schon heute schränkt das Auftragsprofil der Bundesregierung die Arbeit des BND etwa auf Krisengebiete im Nahen Osten ein. Allerdings lässt das BND-Gesetz mit seiner Generalklausel dem BND bisher großen Spielraum, auch über dieses Auftragsprofil hinaus tätig zu werden.

Dieser Generalklausel sollen stärkere Grenzen gesetzt werden. Das Auftragsprofil soll bindend werden für den BND. Eine Telekommunikations-Überwachung im EU-Ausland soll demnach nur noch möglich sein, wenn es um Terrorismus, organisierte Kriminalität oder illegale Waffengeschäfte geht.

Gesetzesvorlage im Januar

Um die Pläne umzusetzen sollen bis zum Januar zwei Gesetze geändert werden. Die Parlamentarier von Union und SPD bereiten einen Entwurf für die parlamentarische Kontrolle vor, zu der der neue Bevollmächtigte gehört. Die Bundesregierung wird die Neuordnung des BND-Gesetzes angehen. Beide Entwürfe sollen zeitgleich im Parlament beraten und bis zur Sommerpause im kommenden Jahr verabschiedet werden. Die Reform soll dann zum 1. Januar 2017 in Kraft treten.

Über diese Grundzüge besteht seit einigen Wochen unter den zuständigen Fachpolitikern der Koalitionsfraktionen Einigkeit. Eine schriftliche Vereinbarung darüber gibt es allerdings bisher nicht. Noch seien die Ideen auch nicht in den Fraktionsgremien besprochen worden, heißt es aus Koalitionskreisen. Die Details seien noch nicht zu Ende verhandelt.

Christian Flisek, Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss sieht die große Koalition dennoch "auf einem sehr guten Weg einen klaren Rechtsrahmen für die Arbeit der deutschen Geheimdienste zu schaffen", sagt er der SZ. Es gebe jetzt die Chance, Standards zu setzen. Wenn das gelinge sei die Arbeit im NSA-Ausschuss jetzt schon "ein sehr großer Erfolg gewesen". Clemens Binninger, der für die Unionseite die Reformen mitverhandelt, bestätigte zwar gegenüber der SZ die grundsätzliche Einigkeit. Er warnte aber: "Die Aufgabenerfüllung darf dem Bundesnachrichtendienst nicht unmöglich gemacht werden."

Bis tatsächlich alle Fragen geklärt sind, wird es wohl noch einige Verhandlungsrunden geben müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: