Neuer 1860-Präsident:"Wer kennt Plattling, wer kennt Weiden?"

TSV 1860 Muenchen - Extraordinary General Assembly

Peace: Der neue Oberlöwe Peter Cassalette freut sich über das Vertrauen der Mitglieder.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Peter Cassalette ist zum neuen Präsidenten des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München gewählt worden.
  • Inhaltlich präsentiert er noch nichts Neues, über die wichtigsten Themen könne er nicht reden, so Cassalette.
  • Die zentrale Frage bleibt, wie es mit dem Verhältnis des Klubs zu Investor Hasan Ismaik weitergeht.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Er wolle doch bitteschön wenigstens kurz daran erinnern, sprach der Allesfahrer Franz Hell um kurz vor drei ins Mikrofon, dass es seines Wissens während seiner 50-jährigen Mitgliedschaft beim TSV 1860 München noch nie einen Löwenpräsidenten gegeben habe, der vor seiner Wahl ein Konzept vorweisen konnte.

"Kann ich mich nicht daran erinnern", sagte Hell: "Der wäre dann ja auch ein Milch gebendes Wollschwein gewesen, oder wie es heißt." Großer Applaus brandete auf in der Zenith-Halle im Münchner Norden, wo Sechzig am Sonntag mal wieder eine außerordentliche Mitgliederversammlung veranstalten musste, weil mal wieder ein neuer Präsident gesucht wurde.

"Das Chaotische müssen wir ordnen, dann kommt alles wieder in Ordnung"

Im Prinzip hatte Peter Cassalette, dem ein Mangel an Konzepten vorgeworfen worden war, spätestens nach dieser Wortmeldung die Wahl gewonnen. An seiner Rede lag es kaum, sie war ein Referat über die Historie des TSV 1860 von der Meisterschaft 1966 bis zum Kioyo-Fehlschuss 2004 und erntete immer dann den größten Applaus, wenn sie zufällig auf den ehemaligen Trainer Torsten Fröhling kam.

Er habe auch in Bayernligazeiten die Auswärtsspiele besucht, berichtete Cassalette: "Wer kennt Frohnlach, wer kennt Plattling, wer kennt Weiden?" Auf einen pikierten Zwischenruf eines mutmaßlichen Plattlingers (oder Weideners) antwortete Cassalette: "Entschuldigung, ich wollte keinen beleidigen, der aus Plattling kommt." Am Ende streckten 306 von nur 462 anwesenden Mitgliedern ihre blauen Stimmkarten in die Luft, angesichts von 113 Absagen an seine Präsidentschaft war Cassalette mit 66 Prozent der Stimmen gewählt. Er bedankte sich und sagte: "Ich nehme die Wahl voller Stolz und mit viel Ehrgeiz an."

Danach hielt der langjährige Sponsor Hans Sitzberger, als Vizepräsident vorgesehen, seine Ansprache. "Als Löwenfan bin ich nicht geboren, ein Löwenfan ist man. Einmal Löwe, immer Löwe", sagte Sitzberger. Er wolle "nicht in die Insolvenz gehen, auf keinen Fall" und "nicht absteigen, auf keinen Fall", erklärte er: "Das Chaotische müssen wir ordnen, dann kommt alles wieder in Ordnung." Sitzberger wurde mit 309 Ja-Stimmen und 95 Nein-Stimmen gewählt, mit 67 Prozent.

"Wir haben leider einen Investor!"

Die Ultras hatten den Saal verlassen - wohl aus Protest, weil Sitzberger an dem von ihm gesponsorten Kunstrasenplatz auf einem Werbeplakat "gegen Rassismus und Pyrotechnik" zwei sehr unterschiedliche Dinge gleichsetze. Etwas hitziger wurden die Debatten vor der Wiederwahl von Vize Peter Helfer, der schon im Präsidium Gerhard Mayrhofer amtierte. Anders als Cassalette und Sitzberger konnte er schließlich, so dachten offenbar die Mitglieder, befragt werden über die vielen falschen Entscheidungen in diesem bewegten Jahr bei Sechzig.

Warum etwa Fröhling entlassen werden musste, obwohl es ja nun mit Benno Möhlmann auch nicht besser laufe? "Ich bin nicht gefragt worden, ich war nicht dabei, als der neue Trainer oder der neue Sportdirektor verpflichtet wurden", klagte Helfer. Ob das Präsidium also etwas abgeschnitten sei von so manchen Entscheidungen? "Es tut mit Leid, ich geb' dir vollkommen Recht, aber dann hätten wir unseren Verein nicht verkaufen dürfen. Wir haben leider einen Investor!"

Der scheidende Übergangspräsident Siegfried Schneider beteuerte also schnell, bestens eingebunden gewesen zu sein. Und das war er ja tatsächlich. Die Einstellung von Sportdirektor Oliver Kreuzer hatten er und Vize Heinz Schmidt abgesegnet. Das half nun aber Helfer nicht weiter, der mit dem Eingeständnis seiner Ohnmacht eine naheliegende Nachfrage erntete: Wofür braucht es dann einen dritten Vizepräsidenten? Gewählt wurde Helfer, der den Kollegen die zahlreichen Fanklubbesuche abnehmen soll, dann trotzdem; er erhielt 294 Ja-Stimmen und 88 Nein-Voten. Der Saal wurde immer leerer.

Cassalette plant die Gründung eines Arbeitskreises zum Turnhallenbau

Angesichts der Inhaltslosigkeit der Veranstaltung musste man das Schlimmste für den TSV 1860 befürchten, aber so düster ist die Lage doch nicht: Cassalette und seine neuen Kollegen verwiesen ja darauf, über die wichtigsten Themen lediglich noch nicht reden zu können: Gespräche mit der Stadt und Vermieter FC Bayern zu einem möglichen Auszug aus der Arena stünden ebenso noch aus wie die Gründung eines Arbeitskreises zum Turnhallenbau - sowie der Antrittsbesuch bei Investor Hasan Ismaik, der auch noch nie ein Milch gebendes Wollschwein war, weswegen sich Cassalette mit ihm irgendwann auf irgendwas einigen muss: Investitionen oder Anteilsverkauf.

Ein besorgtes Mitglied sah es als Sechzigs Kernproblem an, dass Ismaik als Jordanier aus einem anderen Kulturkreis stammt und schlug vor, den früheren Löwenprofi Erich Beer als Vermittler zu engagieren: "Der hat zum Ende seiner Karriere mal zwei Jahre in Saudi-Arabien gespielt." Cassalette merkte an, er könne jede Hilfe brauchen, sei sich aber nicht ganz sicher, ob Beer der geeignete Mann sei. Er selbst sei ja den Umgang mit verschiedenen Kulturen gewohnt. "Ich bin in meiner Karriere auch schon nach China gereist."

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