Ungarn:Später Höhepunkt

Den TSV 1860 München musste Torwart Gabor Király unter seltsamen Umständen verlassen - mit seinem Heimatland hat der 39-Jährige nun die EM-Qualifikation geschafft.

Von Markus Schäflein, Budapest/München

Beim TSV 1860 München hat sich unlängst die Ikone Karsten Wettberg mal wieder darüber beklagt, dass es beim TSV 1860 München keine Ikonen mehr gibt. Es gibt natürlich jede Menge, neben Wettberg beispielsweise sämtliche Meisterlöwen von 1966, den Präsidenten Adalbert Wetzel, der einen Machetenangriff im kolumbianischen Dschungel mit aufgeschlitzter Bauchdecke überlebte, und die Christl vom Löwenstüberl. Was der frühere Erfolgstrainer Wettberg meinte, war jedoch: Es gibt keine Ikonen mehr in der aktuellen Zweitliga-Mannschaft. Die vorerst letzte war ohne Frage der ungarische Torwart Gabor Király, der seit 2009 für die Sechziger spielte, in seinen berühmten grauen Jogginghosen, die er zuvor auch schon von 1997 bis 2004 bei Hertha BSC Berlin getragen hatte.

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In der Jogginghose zur EM: Gabor Király beim 2:1 Ungarns im Playoff-Rückspiel gegen Norwegen.

(Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Doch vor eineinviertel Jahren musste Király bei 1860 gehen, und die grauen Schlabberhosen im Fanshop, die sich sehr gut verkauft hatten, wurden zum Auslaufmodell. Es geschah in einem Sommer des kompletten Irrsinns, in dem der damalige Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner den halben Kader austauschte und 13 Spieler aus aller Welt holte - und Trainer Ricardo Moniz die Meisterschaft als Ziel ausgab. Király, der das alles etwas seltsam fand und auch darüber sprach, dass er es seltsam fand, zog in einem Spiel den von Poschner geholten Verteidiger Gary Kagelmacher an dessen schönem Zopf. Er wollte ihn wohl zu mehr Aufmerksamkeit ermahnen. Die Konsequenzen waren weitreichend. Király war nun angeblich ein Übeltäter und ein Störenfried. Er ging für 100 000 Euro Ablöse zum FC Fulham nach England. Der von Poschner verpflichtete Stefan Ortega ist mittlerweile nicht mehr Stammtorwart, und Kagelmacher trägt nun eine Kurzhaarfrisur.

Ergebnisse der Play-off-Spiele

Die Resultate der Play-off-Spiele für die EM-Qualifikation stehen hier.

Der jetzt 39 Jahre alte Király ging im Sommer nach Ungarn zurück und schloss sich seinem Heimatverein Szombathely Haladas an. Wer befürchtete, dass eine große Karriere grau ihrem Ende entgegenschlabbern würde, sah sich allerdings getäuscht. Das deutsche Trainerduo der ungarischen Nationalmannschaft, Bernd Storck und Andreas Möller, entschied sich schließlich dafür, Király zum Stammtorwart in der EM-Qualifikation zu machen.

Und Ungarn hat es nun, nach dem 2:1 (1:0) im Playoff-Rückspiel gegen Norwegen, erstmals seit 1972 tatsächlich zur Europameisterschaft geschafft. Stürmer Tamas Priskin traf vor 26 186 Zuschauern im strömenden Regen zur Führung (14.), Gergö Lovrencsics verpasste den zweiten Treffer knapp (36.). So musste Király in seinem 101. Länderspiel Ungarn die Führung retten, als Marcus Pedersen eine Viertelstunde vor Spielende alleine vor ihm auftauchte. Nach einem Eigentor durch Markus Henriksen (83.) kannte der Jubel in Budapest dann keine Grenzen mehr. Norwegen verpasste trotz Henriksens Anschlusstreffer (87.) nach zwei enttäuschenden Playoff-Vorstellungen die zweite EM-Teilnahme nach dem Jahr 2000. Schon beim 1:0-Sieg der Ungarn im Hinspiel hatte Király eine starke Leistung gezeigt.

Bei der Endrunde im kommenden Sommer wird der Torwart 40 Jahre alt sein. Er kann dann zum ältesten Spieler werden, der jemals bei einer EM-Endrunde im Einsatz war. Bislang hält Lothar Matthäus diesen Rekord: Er war 39 Jahre und 91 Tage alt, als er mit der deutschen Nationalmannschaft bei der EM 2000 nach der miserablen Hinrunde und einer abschließenden 0:3-Niederlage gegen Portugal ausschied. Da hätten die Münchner Löwen endlich mal einen Rekordhalter in ihren Reihen haben können - wenn sie ihre vorerst letzte Ikone bloß noch ein bisschen länger behalten hätten.

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