BGH-Urteil:Mieter sollten messen - und sparen

Wohnflächen-Regelung

Ist die Wohnung wirklich so groß, wie der Vermieter behauptet? Das ist künftig entscheidend, wenn es um Mieterhöhungen geht.

(Foto: Axel Heimken/dpa)
  • Nach einem BGH-Urteil gilt künftig bei Mieterhöhungen die tatsächliche Größe der Wohnung - und nicht die Quadratmeterzahl im Mietvertrag.
  • Wer genau nachmisst, kann damit wohl in vielen Fällen Geld sparen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

In Deutschlands Mietwohnungen wird nun das große Nachmessen beginnen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass bei Mieterhöhungen fortan die tatsächliche Wohnungsgröße ausschlaggebend ist - und nicht die im Mietvertrag angegebene Quadratmeterzahl. Das könnte sich in vielen Fällen zugunsten der Mieter auswirken. Der Deutsche Mieterbund geht davon aus, dass die Wohnfläche in zahlreichen Mietverträgen zu hoch angegeben ist.

Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung

Damit hat der BGH einen Schwenk in seiner Rechtsprechung vollzogen. Bisher galt nämlich bei Abweichungen zwischen tatsächlicher und im Mietvertrag vereinbarter Wohnfläche ein Toleranzbereich von zehn Prozent. Wenn die Differenz nicht darüber lag, war die Flächenangabe im Vertrag maßgeblich. Diese Rechtsprechung hat der BGH nun aufgegeben, mit der Begründung, dass eine Mieterhöhung es dem Vermieter ermöglichen solle, eine "angemessene, am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen". Maßgeblich dafür seien der "objektive Wohnwert" und somit die tatsächlichen, nicht die im Vertrag festgelegten Umstände. (Az: VIII ZR 266/14)

Von nun an kommt es allein darauf an, welche Fläche sich mithilfe des Zollstocks ermitteln lässt. In vielen Fällen dürfte hier allerdings fachkundige Hilfe vonnöten sein. Die Fläche unter einer Dachschräge wird beispielsweise nicht in vollem Umfang mitgezählt, gleiches gilt für Balkone und Terrassen.

Damit hat der BGH klargestellt, was die maßgebliche Rechengröße für eine Mieterhöhung ist. Für die Praxis wichtig ist dies, weil die Obergrenze jeder Mieterhöhung die ortsübliche Vergleichsmiete ist, also der Quadratmeterpreis, der sich beispielsweise aus dem Mietspiegel ergibt. Hat der Vermieter die Quadratmeterzahl im Mietvertrag zu hoch angegeben, ergibt sich für den Mieter aus der faktisch geringeren Fläche ein rechnerisch höherer Quadratmeterpreis - Miete geteilt durch Quadratmeterzahl. Für den Vermieter wird damit der Spielraum für Mieterhöhungen geringer, weil die Differenz zur Vergleichsmiete kleiner ausfällt.

Die Miete darf in jedem Fall maximal um 20 Prozent steigen

Für die Praxis wichtig ist zudem die zweite Aussage des Urteils: Auch bei Flächenabweichungen gilt die sogenannte Kappungsgrenze, die nur Erhöhungen um 15 bis 20 Prozent erlaubt. Und zwar selbst dann, wenn die Wohnung tatsächlich viel größer ist als im Vertrag angegeben. So war es im BGH-Verfahren - ein eher untypischer Fall. Der Mieter bewohnte eine Fünf-Zimmer-Wohnung am Berliner Savignyplatz. Gute Charlottenburger Wohngegend, dort zahlt man laut Mietspiegel mehr als zehn Euro pro Quadratmeter. Er wohnt dort seit 1986 und zahlte zuletzt 630 Euro für 157 Quadratmeter, so jedenfalls stand es im Mietvertrag. Wie sich nun herausstellte, beträgt die Wohnfläche aber gut 210 Quadratmeter. Ein echtes Schnäppchen also, beziehungsweise ein Renditeproblem, wenn man es aus Sicht des Vermieters betrachtet. Der Vermieter wollte die Miete deshalb in einem Schlag dramatisch nach oben korrigieren, und zwar auf fast 940 Euro. Über den erlaubten Zuschlag von 15 Prozent hinaus sah er sich berechtigt, auch die nunmehr um 34 Prozent nach oben korrigierte Wohnfläche in Anschlag zu bringen.

Der BGH hat dies nicht akzeptiert. Trotz der für den Vermieter ungünstigen Flächenabweichung dürfte er die Miete lediglich um 15 Prozent aufschlagen - das ist die für Berlin wie für viele Ballungsräume maßgebliche Kappungsgrenze. Normalerweise liegt diese Grenze bei 20 Prozent für Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren. Aber seit zwei Jahren dürfen die Bundesländer den Wert für angespannte Wohnungsmärkte auf 15 Prozent absenken. Davon machen inzwischen elf Bundesländern für rund 270 Kommunen Gebrauch.

Nach den Erfahrungen des Deutschen Mieterbundes kommen Flächenabweichungen - wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als im BGH-Fall - relativ häufig vor. Auch der TÜV Rheinland hatte vor Jahren festgestellt, dass Flächendifferenzen häufig sind. "In den meisten Fällen werden im Mietvertrag größere Wohnflächen angegeben, als tatsächlich vorhanden sind", sagt Mieterbundpräsident Lukas Siebenkotten. "Es wurde Zeit, dass der BGH hier seine Rechtsprechung korrigiert hat. Bisher konnten Mieter erst bei Flächenabweichungen von mehr als zehn Prozent Rechte geltend machen." Siebenkotten forderte nach dem Urteil Konsequenzen auch für die Berechnung der Nebenkosten - der praktisch wichtigste Bereich, in dem Mieter und Vermieter über die Wohnfläche streiten. Auch hier gilt bisher eine Flächentoleranz von zehn Prozent. Aus Sicht von Mieterschützer Siebenkotten müsste der BGH - oder der Gesetzgeber - auch hier durchsetzen, dass Betriebskosten auf der Grundlage der tatsächlichen Fläche abgerechnet werden.

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