Existenzgründung:Lernen im eigenen Laden

Existenzgründung: Mein Platz im Beruf: Nur wenige Absolventen trauen sich, ihren eigenen Arbeitsplatz mit einer Firmengründung zu schaffen.

Mein Platz im Beruf: Nur wenige Absolventen trauen sich, ihren eigenen Arbeitsplatz mit einer Firmengründung zu schaffen.

(Foto: imago)

Junge Unternehmer schätzen ihre Freiheit. Doch nur wenige Absolventen wagen nach dem Studium den Sprung in die Selbständigkeit. Förderprogramme sollen helfen.

Von Katharina Vitinius

Mit elf Jahren kam Wenxin Zhang von Shanghai nach Deutschland. Weil sie die Sprache schneller lernte als ihre Mutter, wurde sie zur Familienbeauftragten für den Papierkram mit den Behörden: Visa, Pässe, Anfragen vom Einwohnermeldeamt - alles lief über ihren Tisch. Bei jungen Chinesen, die zum Studium nach Deutschland gekommen waren, galt Zhang bald als Fachfrau für deutsche Bürokratie. Als sie dann selbst BWL-Studentin war, kam sie auf die Idee, den Welcome-Service für ihre Landsleute zu einem Geschäft zu machen.

Lange gewartet hat sie nicht: "German Education Partners" kam zeitgleich mit Zhangs Bachelorabschluss zur Welt. Praktikanten und Teilzeitmitarbeiter in Düsseldorf sowie Freelancer in China helfen ihr nun dabei, für bildungsbeflissene Eltern aus Fernost das passende Internat oder die richtige Uni für die Kinder zu finden und den Nachwuchs mit der deutschen Kultur vertraut zu machen. Das Geschäft blüht, deshalb schiebt sie den Master vor sich her. "Ich wollte schon immer selbständig sein", sagt sie. Die Expansion der Agentur ist ihr wichtiger als ein zweites Examen.

Wenxin Zhang stammt aus einer Unternehmerfamilie. Das ist wichtig zu wissen, denn nach einer Studie der Stiftung der Deutschen Wirtschaft startet nur einer von zehn Studierenden gleich nach der Hochschule in die Selbständigkeit, und wenn, dann sind es oft Unternehmerkinder. Die meisten Absolventen dagegen wollen lieber erst als Angestellte arbeiten.

Zu den Ausnahmen gehört der Berliner Informatiker Timo Glaser. Er hat während seines Studiums gleich zwei Firmen gegründet. "Eine wurde eingestellt und eine verkauft", erzählt der 33-Jährige, "und dann habe ich während meiner Promotion die dritte gegründet." Seit sechs Jahren führt Glaser zusammen mit einem Partner ein klassisches IT-Systemhaus in Berlin. 30 Mitarbeiter, Full-Service von Beratung und Installation bis zur Wartung und zum Support. Auch Glaser kommt aus einem Unternehmerhaushalt. "Ich mag es, Strukturen aufzubauen und mir zu überlegen, wie Systeme funktionieren können", erzählt er. Außerdem lernt er gern Neues dazu. "Das muss man auch als Unternehmer", sagt Glaser, "denn zumindest am Anfang muss man alles selbst machen." Glaser hat zeit seines jungen Lebens stets Arbeit gegeben und nie genommen. "Das werde ich wahrscheinlich auch nie", sagt der Unternehmer selbstbewusst. "Es gibt zwar Momente, wo man sich wünscht, ein ruhiges Angestelltendasein zu haben. Aber das verfliegt auch wieder ganz schnell."

Die meisten Jung-Entrepreneure starten wie der Berliner mit ganz wenigen Mitarbeitern - wenn sie überhaupt bezahlte Kräfte an ihre Seite holen. Auch finanziell tasten sie sich erst langsam an das unternehmerische Risiko heran. Etwas anderes bleibt ihnen auch kaum übrig. Die Kreditinstitute zögern, wenn sie von Studierenden Businesspläne mit einem hohen Fremdkapitalbedarf vorgelegt bekommen, und nicht viele Eltern wollen oder können das Start-up des Nachwuchses finanzieren. In die Lücke springen Gründerprogramme von Bundesländern, Hochschulen, Stiftungen und Banken.

Dort macht man sich nämlich große Sorgen über die rückläufige Gründungsbereitschaft in Deutschland. Haben 2001 noch fast drei Prozent der Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren den Schritt in die Selbständigkeit gewagt, so sackte die Gründerquote bis 2008 auf die Hälfte ab und erholte sich bis 2013 nur geringfügig auf 1,7 Prozent. "Der demografische Wandel lässt auch für die Zukunft sinkende Gründerzahlen erwarten", schätzt die KfW Bankengruppe, "da die Alterskohorte der 30- bis 45-Jährigen, die das Gründungsgeschehen maßgeblich treibt, zahlenmäßig abnehmen wird." Dabei ist theoretisch genügend Kapital vorhanden, das sich auch mit geringen Erträgen zufriedengeben würde. Wäre da nicht das mit jeder Gründung verbundene Risiko, das in eine Geschäftsidee geflossene Geld nie mehr wiederzusehen. Sämtliche Banken-Studien der vergangenen Jahre entlarven die Deutschen als risikoscheue Bedenkenträger, denen Sicherheit heute mehr wert ist als Reichtum morgen.

Hätte Johann Huber auch so gedacht, dann würde der 28-jährige Wirtschaftsingenieur heute gewiss an irgendeinem fremden Schreibtisch auf seinen monatlichen Gehaltseingang warten. So aber sitzt er meist am eigenen Tisch in London, im Flugzeug oder bei einem Kunden, um die Gehälter seiner Mitarbeiter und sein Einkommen als Unternehmer zu sichern. Soma Analytics heißt das Start-up von Huber und seinen beiden Partnern, das eine Applikation für Handys produziert und vertreibt. "Die App misst auf wissenschaftlicher Basis, wie gestresst der Anwender des Smartphones ist", erklärt Huber. "Und dann bekommt man Vorschläge für Übungen, mit denen man Stress abbauen kann."

Manche warten nur darauf, bis ihnen die richtige Idee für ein Start-up kommt

Kennengelernt haben sich Huber und seine Mitgründer im Förderprogramm der Stiftung der Deutschen Wirtschaft. Damals waren alle drei Mitte 20 und standen kurz vor dem Abschluss: Ein Ingenieur, ein Volkswirt und ein Mathematiker, denen es in den Fingern juckte, etwas Eigenes loszutreten. "Ich wollte schon immer gern Unternehmer werden", sagt Huber, "ich habe nur gewartet, bis die richtige Idee kommt." Die lief ihm 2012 in der bayerischen Hauptstadt über den Weg, als ein Freund an einer stressbedingten Depression erkrankte. "Wir haben das Thema recherchiert, Hilfemöglichkeiten erkannt und dass es dafür einen Markt gibt", sagt Huber. Vor allem in Großbritannien, deshalb ist die Firma auf die Insel gezogen. Zu den Abonnenten gehören vor allem Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern helfen wollen, gesund zu bleiben. Das Geschäft laufe nicht schlecht, sagt Huber. Ob er sich vorstellen kann, noch einmal als Angestellter zu arbeiten? "Kommt auf die Umstände an", sagt Huber, "aber vorher würde ich noch mal eine andere Idee probieren." Wenn es funktioniert, sei es gut, wenn nicht, sei es auch nicht schlimm. "Es geht darum, zu lernen. Wenn man das gleich im eigenen Unternehmen anwenden kann, dann ist das ein ganz anderes Lernen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: