Unterstützung für Asylbewerber:Herausforderung gemeistert

Großer Helferkreis bildet ein verlässliches Netzwerk für die Flüchtlinge an der Wippenhauser Straße

Von Katharina Aurich, Freising

An ihren gemeinsamen Entschluss, sich für Flüchtlinge zu engagieren und ihnen das Leben etwas zu erleichtern, erinnern sich Teresa Degelmann und Sabine Berenbold-Dieck noch genau. Nach einer Informationsveranstaltung des Landratsamtes im Juni, in der es um den Einzug von 150 Flüchtlingen in die Turnhalle der Wirtschaftsschule und damit in das Schulzentrum an der Wippenhauser Straße gegangen war, entschieden die beiden Frauen spontan, etwas zu tun. Nur was, das wussten sie noch nicht.

Fünf Monate später ist aus diesem zufälligen Treffen von Menschen, die nicht tatenlos bleiben wollten, ein Netzwerk aus 130 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern geworden, die in sechs Arbeitskreisen organisiert sind. Damit jeder weiß, worum es geht, gab sich die Gruppe den Namen "Flüchtlinge willkommen in Freising", so heißen auch die Facebook-Seite und die Homepage. Die Leitung der Arbeitsgruppen und den Gesamtüberblick haben Sabine Berenbold-Dieck, Luise Eidel, Teresa Degelmann, Carmen Brandmair, Regina Cordary und Nicole Habermeier.

Zu Beginn war ihr wichtigstes Anliegen, dass die Flüchtlinge aus der Halle heraus kämen. Denn sie fürchteten Konflikte, wenn 150 Menschen ohne Beschäftigung, ohne Aufgabe, ohne Tagesstruktur sich selbst überlassen blieben. "Wir hatten alle keine Ahnung, wie man so etwas organisiert, wir haben einfach angefangen," erinnert sich Berenbold-Dieck, die im IT-Bereich arbeitet.

Der erste Arbeitskreis begann, den Deutschunterricht für die Flüchtlinge, die inzwischen in der Halle angekommen waren, zu organisieren. Die Pfarrei St. Georg stellte dafür Räume zur Verfügung und über persönliche Kontakte wurden Deutschlehrer gesucht, die jedoch keine Pädagogen sein müssen. Inzwischen unterrichten 45 ehrenamtliche Schüler, Rentner, Hausfrauen und ausgebildete Pädagogen jeden Tag bis 13.30 Uhr abwechselnd Gruppen bis zu zwölf Flüchtlingen (Kasten). Als erster Anknüpfungspunkt für alle Ehrenamtlichen wurde eine Facebookseite eingerichtet. Diese habe inzwischen 1300 Likes, freut sich Dengelmann, die Politische Wissenschaften studiert.

Viel schwieriger war es, den Kontakt zu den Flüchtlingen aufzubauen. Die Helferinnen betraten die Halle nicht, dies sei die Privatsphäre der Flüchtlinge, so ihre Überzeugung. "Ich habe mich stundenlang im Vorraum auf den Boden gesetzt und sie auf Englisch, das die meisten von ihnen verstehen, angesprochen, sie über den Sprachunterricht informiert und Listen geschrieben", erinnert sich Sabine Berenbold-Dieck. Schließlich verabredeten sie sich mit ihnen für eine bestimmte Uhrzeit, um gemeinsam zum St. Georg-Haus zu gehen und den Neuankömmlingen den Weg zu zeigen. "Aber wir mussten erst lernen, dass Pünktlichkeit etwas sehr Deutsches ist. Wenn wir uns für neun Uhr verabredet hatten, dann kamen die ersten um kurz nach neun zum Treffpunkt. Mittlerweile klappt es jedoch viel besser", berichten die Pionierinnen in Sachen multikultureller Organisation.

Unterstützung für Asylbewerber: Sabine Langner-Beyer und Angela Einberger unterrichten ihre Schüler aus dem Senegal, Mali, Uganda, Pakistan und Nigeria.

Sabine Langner-Beyer und Angela Einberger unterrichten ihre Schüler aus dem Senegal, Mali, Uganda, Pakistan und Nigeria.

(Foto: Marco Einfeldt)

Auf der Homepage finden sich Informationen über die Asylverfahren

Da sich immer mehr Bürger engagieren, bauten die Initiatorinnen des Helferkreises Kommunikationsstrukturen auf, um über Mail und Doodle-Umfragen effizient zu informieren, Termine zu vereinbaren und schnell alle erreichen zu können. Ungefähr 20 Stunden in der Woche seien sie mit dem Aufbau und der Leitung des Helferkreises beschäftigt, sagt die Managementassistentin Luise Eidel. Vor allem über persönliche Kontakte erklärten sich immer mehr Freisinger bereit, je nach ihren Fähigkeiten und Zeitbudgets verantwortlich Flüchtlingen unter die Arme zu greifen. Inzwischen ist auch eine umfangreiche Homepage unter der Federführung von Christine Wimmer entstanden, die eine Fülle an Informationen über Asylverfahren und rechtliche Bestimmungen enthält, damit sich neue Helfer informieren können und die als Plattform für Einsatzdienste und Termine dient.

Die Kommunikation nach außen sei enorm wichtig, denn es gebe oft negative Kommentare zu den Flüchtlingen. Dem wollen wir Hintergrundinformationen über die Länder, aus denen die Menschen geflüchtet sind, entgegen setzen, betont Dengelmann. Nicht nur Aufklärung ist den Macherinnen wichtig, sondern auch die Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit der Helfer. "Die Flüchtlinge leben in einer komplett unsicheren Situation, sie wissen nicht, wie es weiter geht", schildert Degelmann. Deshalb sei es so wichtig, dass die Helfer verlässlich seien, immer wieder kommen, sich an Absprachen halten und dadurch Vertrauen aufbauen.

Als zweiter Arbeitskreis entstand der AK Stadtführungen, denn die Flüchtlinge kennen sich ja in Freising nicht aus. Bei regelmäßigen Führungen lernen sie den Waschsalon, die Stadtbücherei und vieles mehr kennen, schildert Degelmann. Auch auf Ämter würden sie begleitet, denn man wisse ja selbst, dass Ämtergänge oft nicht einfach seien, selbst wenn man die Sprache beherrsche. Ein großes Problem für die Flüchtlinge sei, dass es in den Unterkünften kein WLAN gebe. Das Landratsamt habe bisher aus haftungsrechtlichen Gründen keinen Hotspot eingerichtet, aber darüber sei man noch im Gespräch. In anderen Kommunen sei dies problemlos möglich.

Für die Flüchtlinge aus Nigeria, Pakistan, Afghanistan, Eritrea, Somalia, Senegal und Palästina sei es enorm wichtig, Kontakt zu ihren Familien zu halten. Sie müssten teure Handygebühren bezahlen und würden oft abgezockt, bedauern die Helferinnen. Einen Hotspot gibt es in der Sparkasse, deshalb trifft man dort manchmal auch noch zu später Stunde im Vorraum Flüchtlinge, die mit ihren Familien telefonieren. Leider komme es immer wieder zu abschätzigen Bemerkungen, wenn sie mit einer Gruppe von Flüchtlingen unterwegs sei, berichtet Degelmann. Aber meistens würden ihre Schützlinge in den Geschäften und auf den Straßen Freisings freundlich aufgenommen.

130 Freiwillige

130 ehrenamtliche Mitglieder engagieren sich in dem Freisinger Helferkreis für Flüchtlinge. 45 "Deutschlehrer" - Pädagogen, Schüler, Rentner, Hausfrauen und Arbeitnehmer - unterrichten die Asylbewerber. In dem Containerdorf an der Wippenhauser Straße leben zur Zeit 217 Menschen, 207 Männer und zehn Frauen. Es sind zwölf Kinder bis zum 13. Lebensjahr darunter und sechs Jugendliche bis 16 Jahre. Nächste Woche werden hier 119 weitere Personen untergebracht. Was die Nationalitäten angeht, kommen die meisten Flüchtlinge in dem Containerdorf aus Pakistan (66), gefolgt von Nigeria (38), Afghanistan (31), Senegal (17) und Syrien (16). In der Turnhalle an der Wippenhauser Straße sind derzeit noch 66 Jugendliche untergebracht, die im Auftrag des Amts für Jugend und Familie von neun SozialpädagogInnen rund um die Uhr betreut werden. Zusätzlich ist Sicherheitspersonal vor Ort und natürlich die engagierten ehrenamtlichen Kräfte. ka

Zu den vielen Herausforderungen der Helfer gehörten auch 20 schwangere Frauen, die im Juni in die Halle kamen und fast alle kurz vor der Entbindung waren. Sie waren aber noch nie von einem Frauenarzt untersucht worden oder besaßen gar einen Mutterpass. Für sie organisierte Degelmann rasch und unbürokratisch Termine bei Frauenärzten, Begleiterinnen und Termine im Krankenhaus. Doch damit war es nicht getan, denn die Frauen brauchten für eine Verständigung auch ehrenamtliche, meist arabische Dolmetscher und zwar weibliche, da sie natürlich keinen Mann zur Untersuchung akzeptierten. Aber auch dafür fanden sie die passenden Unterstützer. Alle Frauen haben nach kurzer Zeit die Halle wieder verlassen und sind dezentral gut untergebracht, berichtet Degelmann erleichtert.

Ein neuer Arbeitskreis kümmert sich um die berufliche Integration

Nachdem die Flüchtlinge ihre Umgebung zu Fuß erkundet hatten, begannen die Helfer, gebrauchte Fahrräder zu sammeln und gemeinsam zu reparieren. So entstand die Fahrradwerkstatt auf dem Parkplatz vor der Halle, die von den Freisinger Fahrradhändlern und vielen privaten Spendern mit Material unterstützt wird. Hier treffen sich regelmäßig meist samstags Helfer und Flüchtlinge und reparieren gemeinsam. Die intakten Fahrräder wurden anschließend gegen eine Kaution tageweise an die Flüchtlinge ausgeliehen. Die Vermietung hatte der Securitydienst der Halle übernommen. Im Containerdorf werden die Räder jetzt günstig an die Flüchtlinge verkauft und vom Erlös werde wieder Reparaturmaterial angeschafft, berichtet Eidel. Inzwischen sind auch im Haus der Vereine ein Spieletreff entstanden sowie zahlreiche Kontakte zu Freisinger Sportvereinen.

Als nächste Verbesserung beginnt nun Carmen Brandmair, die Wirtschaftspsychologie studiert, den AK Arbeit/berufliche Integration aufzubauen. Sie unterstützt Asylbewerber beim Arbeitsamt oder potenziellen Arbeitgebern und informiert über die unterschiedlichen Möglichkeiten, einen Schulabschluss nachzuholen, eine Ausbildung zu absolvieren, einen Ein- Euro-Job zu machen oder einen richtigen Job anzunehmen.

Ursprünglich reichten alle Planungen des Helferkreises nur bis Oktober. Jetzt sind die Flüchtlinge in die Container umgezogen, es gibt dort für die Helfer ein eigenes kleines Büro und viele ihrer Schützlinge besuchen die Deutschkurse des Arbeitsamtes. "Unsere Arbeit hört nicht auf, wir sortieren uns wieder neu, es geht immer weiter", beschreiben Berenbold-Dieck und Eidel die Lage.

Eines der größten Probleme der Flüchtlinge sei nach wie vor neben der unsicheren Zukunft die Untätigkeit und Langeweile. Im Helferkreis ist man vor allem froh, dass daraus keine größeren Konflikte entstanden und es in der Halle friedlich blieb. In der Containeranlage gebe es zumindest ein wenig mehr Privatsphäre. "Bald kommen wieder 70 neue Flüchtlinge. Wir wissen nicht, wann, ob es allein stehende Männer oder Familien sind und welche Nationalität oder Glauben sie haben. Aber wir wissen jetzt ein stabiles Netzwerk aus engagierten Helfern hinter uns", resümieren die engagierten Frauen. Auch die Kontakte zu anderen Unterstützerkreisen werden enger und sie bekämen inzwischen viele Anfragen von anderen Gruppen, die die Freisinger Erfahrungen nutzen möchten.

Weitere Informationen: http://fluechtlinge-willkommen-in-freising.de.

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