Personalmanagement:Wie in einer Ehe

Den perfekten Mitarbeiter finden und halten Unternehmen nur, wenn sie sich auf ihn einstellen und ihm vertrauen.

Von Michael Kläsgen, Berlin

Beim WDR in Köln hängt er in Postkartenform an der Wand, der perfekte Mitarbeiter. Es ist ein Bild von der eierlegenden Wollmilchsau. Sie ist vielseitig einsetzbar, legt Eier, gibt Wolle, Milch und Fleisch. Soll heißen: Der Mitarbeiter ist flexibel geworden, passt sich an und wird allen Anforderungen gerecht. Aber ist er wirklich so, der perfekte Mitarbeiter? Ein Fabelwesen? Oder ist das ein überholtes Klischee? Hat sich das Machtgefüge zugunsten der Arbeitnehmer verschoben?

Margret Suckale, 59, ist die erste Frau, die beim Chemieunternehmen BASF für Personal zuständig ist. Sie sagt, "den perfekten Mitarbeiter, der drei oder vier Eigenschaften mitbringt, den gibt es eigentlich weniger denn je". Wichtiger sei für BASF, dass die Mitarbeiter begeisterungsfähig seien und über Jahrzehnte hinweg "agil" blieben, "Angst blockiert Mitarbeiter im Moment zusehends", hat die Personalchefin festgestellt. Die Mitarbeiter hätten Angst vor Restrukturierung, Angst davor, nicht mithalten zu können bei der Digitalisierung, und das binde ziemlich viel Energie. "Wer da eine gewisse Gelassenheit zeigt und sagt, ich beiße mich da durch, solche Typen stelle ich mir als perfekte Mitarbeiter vor."

Die eierlegende Wollmilchsau ist demnach in der Realität ein tiefenentspanntes Arbeitstier, das vieles mit sich machen lässt und so mit der Zeit ein ziemlich dickes Fell bekommt. Ein dickes Fell zu haben, ist eine der Eigenschaften, mit denen sich "Spitzenmitarbeiter" laut einer Studie des Harvard Business Manager vom Durchschnitt abheben. Außerdem ergreifen sie gern die Initiative, freuen sich eher über Veränderungen, als dass sie sie scheuen, sie arbeiten gut im Team, und sie reden nicht nur, sondern handeln auch und vertreten ihre Gruppe gern nach außen. So weit die Mitarbeiterseite.

Berlin: SZ-WIRTSCHAFTSGIPFEL / Tag4

Janina Kugel ist seit Anfang des Jahres im Siemens-Vorstand für fast 350 000 Mitarbeiter zuständig.

(Foto: Johannes Simon)

Neu ist, dass die Unternehmen sich zunehmend darum bemühen, das Perfektsein des Mitarbeiters möglichst lang aufrechtzuerhalten. BASF bietet seinen Führungskräften alle vier Jahre eine neue Position. Beim SZ-Wirtschaftsgipfel sind sich alle anwesenden Personaler einig, dass die Arbeitgeber flexibler sein müssen, um den idealen Mitarbeiter zu rekrutieren und zu halten. Voraussetzung dafür sei, dass die Arbeitsgesetze und die Gewerkschaften diese erwünschte Flexibilität auch zulassen, sagt Elke Frank, bis vor Kurzem Personalchefin von Microsoft Deutschland, jetzt für die Personalentwicklung bei der Deutschen Telekom zuständig.

Es macht sich durchaus bezahlt, den Mitarbeitern mehr Freiraum zu lassen

Frank, Jahrgang 1971, sagt, dass Politik und die Gewerkschaften inzwischen die Bedeutung des Themas erkannt hätten. Eigenverantwortliches Arbeiten sei das Stichwort der Zeit. Auf Unternehmensseite brauche es Mut und Vertrauen, den Mitarbeitern mehr Freiräume zu lassen. Unternehmen, die ihren Beschäftigten einen Vertrauensüberschuss gäben, bemerkten, dass die Mitarbeiter dies als Gabe und Geschenk empfänden und es dem Unternehmen zurückgäben.

Die Work-Life-Balance, ist es das, was den Mitarbeiter perfekt werden lässt, wenn sie erfüllt ist? Janina Kugel, 45, seit Februar dieses Jahres Personalvorstand bei Siemens und somit für einen Weltkonzern mit fast 350 000 Mitarbeitern in nahezu allen Ländern der Erde tätig, sagt, dass die Idee von einer ausgeglichenen Work-Life-Balance ein Konzept ist, das nur auf die westliche Hemisphäre zutreffe, und auch dort nur bedingt. In Deutschland hätten im vergangenen Jahr 25 Prozent mehr Mitarbeiter ein Sabbatical genommen als im Vorjahr.

Der Wunsch nach mehr Flexibilität gelte sowohl für Büroarbeiter als auch für jene in der Produktion. Wer in welcher Schicht arbeitet, werde bei Siemens inzwischen individuell in der Arbeitsgruppe entschieden. In den USA interessiere diese Art der Flexibilität hingegen nur wenig. Dort könne man Mitarbeiter mit einer Krankenversicherung locken. Außerdem wollten die eher einen Home-Office-Tag am Freitag. In Asien wiederum seien Gehalt und schneller Aufstieg wichtig. So unterschiedlich sind die Kulturen.

In Deutschland erlebte sie, wie eine Kandidatin sagte: "Sie kommen auf meine Liste der Top-Fünf-Arbeitgeber." Geht es also inzwischen weniger um den perfekten Mitarbeiter als um das perfekte Unternehmen? Muss die Firma inzwischen die eierlegende Wollmilchsau sein? Ja und nein. Software-Entwickler können sich tendenziell ihren Arbeitgeber aussuchen, weil es davon nicht ausreichend gute in Deutschland gibt. Dann holt die Firma sie aus Indien.

Die meisten müssen aber nach einem Job suchen, viele Bewerbungen schreiben und den Frust nach der Absage ertragen. Robin Sudermann, Jahrgang 1983, hat für solche Kandidaten die Online-Plattform Talents Connect gegründet. Jobsuchende, die dort ihr Profil eingeben, werden auf Stellen hingewiesen, von denen sie nicht wussten, dass es sie gibt. "Vielleicht ist es der kleine Mittelständler um die Ecke, der mich extrem flexibel arbeiten lässt." Kurzum: Den perfekten Mitarbeiter gibt es nur, wenn sich beide treffen, die Person und die Firma, wie in einer Ehe, und wenn die Firma es zulässt.

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