Neu im Kino: "Bridge of Spies":Wärme im Kalten Krieg

Kinostart 'Bridge of Spies - Der Unterhändler'

Spion trifft Anwalt: James Donovan (Tom Hanks, rechts) vertritt den angeklagten Sowjet-Spitzel Rudolf Abel (Mark Rylance).

(Foto: dpa)

Ein Anwalt verteidigt einen Sowjet-Spion. Und landet als Unterhändler eines Gefangenenaustauschs in Ost-Berlin. Steven Spielbergs neuster Film ist ein Denkmal für die Diplomatie.

Von Susan Vahabzadeh

Steven Spielberg wählt seine Anfänge immer mit sehr viel Bedacht, was man bei ihm in den ersten fünf Minuten fühlt, muss man sich merken. In "Bridge of Spies" passiert am Anfang zweierlei: Man sieht einem schweigsamen Mann in einem ärmlichen Appartement der Fünfzigerjahre beim Malen, eigentlich beim Leben zu; und ein quirliger Anwalt diskutiert mit der Gegenpartei bei einem Drink über einen Versicherungsstreitfall, freundlich, aber bestimmt, vor allem: vernünftig.

Ist ein Unfall ein Unfall, oder sind es fünf Unfälle, wenn es fünf Geschädigte gibt? Wenn ich für jeden einzelnen bis zur Haftungsgrenze zahlen muss, sagt der Anwalt James Donovan, dann ist das Versicherungswesen bald dahin. Tom Hanks spielt diesen Mann so höflich unbeirrbar, wie es in den Fünfzigern James Stewart getan hätte. "Bridge of Spies - Der Unterhändler" ist zunächst einmal ein spannender Spionagethriller - aber er ist dann noch wesentlich mehr.

"Was uns zu Amerikanern macht, das ist die Verfassung."

Für den einsamen Maler ist erst einmal die Freiheit dahin, Rudolf Abel (Mark Rylance) wird verhaftet, gelassen schaut er in Feinrippunterhosen den Beamten zu, die seine Bude auf den Kopf stellen, ein ziemlich witziger Moment - wir wissen da schon, dass er tatsächlich einen winzigen Mikrofilm in einer Münze versteckt hat. Abel ist ein sowjetischer Spion. Den soll nun Donovan verteidigen.

Und das tut er, leidenschaftlich. Ihm gefällt der trockene Humor seines Mandanten, er respektiert ihn, aus Prinzip, als Mitgeschöpf - wie jeden anderen auch. Doch der Prozess ist eine Farce. Donovan aber gibt nicht auf - denn, das schleudert er dem CIA-Agenten entgegen: "Ich stamme von Iren ab, Sie von Deutschen. Wir beide haben nichts gemein. Was uns beide zu Amerikanern macht, das ist die Verfassung." Basta.

Er muss tricksen, um Abel vor der Hinrichtung zu retten, und flüstert der Richterin: Auch die USA spionieren, wäre es nicht also geschickt, Abel am Leben zu lassen, damit man ein Pfand hat, wenn der nächste eigene Mann auffliegt? Das passiert prompt, der Agent hat sich nicht, wie er sollte, selbst entleibt - und nun soll Donovan nach Berlin fliegen und ihn freibekommen, bevor er weich wird und den Sowjets alles erzählt, was er weiß.

Spielberg ist groß darin, seine Kindheit auferstehen zu lassen

Es wird ein Trip ins Eis, ins düstere, verfrorene Ost-Berlin, bei dem Donovan riskiert, nie wieder nach Hause zu kommen, in das kuschlige, surreale Vorstadtidyll, das sein Zuhause ist.

Spielberg ist ganz groß darin, die Zeit seiner Kindheit wiederauferstehen zu lassen - mit abgenutzten Vorkriegsmöbeln, neuen Nierentischchen und eigenen Erinnerungen. Donovans kleiner Sohn malt angstvoll einen Atombomben-Radius für sein Zuhause und lässt die Badewanne voll laufen, damit Wasser da ist, wenn es losgeht; das hat Spielberg selbst getan als kleiner Junge. Aber wenn er von der Vergangenheit erzählt, meint er doch meistens die Gegenwart, das war auch schon bei "Lincoln" so und "Bridge of Spies", wo es um den Kalten Krieg geht und den ersten Agentenaustausch zwischen Ost und West, ist so eine Art Denkmal für alles, was Spielberg am derzeitigen Politikstil vermisst: Sinn für Diplomatie, eherne Grundsätze, Rationalität, vorausschauendes Denken.

Es geht also nicht nur um den Kalten Krieg, sondern auch um die Rechtsverletzungen von Guantanamo, um verhärtete Fronten, wenn es um Syrien geht oder die Ukraine. Spielberg ist nicht so blauäugig, den Kalten Krieg wärmer zu zeichnen, als er war - alles, was in "Bridge of Spies" romantisch ist, hängt an diesem einen Mann, James Donovan, den es tatsächlich gegeben hat.

Ob Kalter Krieg oder Krieg gegen den Terror, es geht nie nur ums Gewinnen

Erst vor zwei Jahren hat Spielberg den britischen Dramatiker Matt Charman mit dem Drehbuch beauftragt, die Coen-Brüder haben es dann überarbeitet, was man an dem speziellen, "Fargo"-artigen Sinn für Humor merkt. Wenn beispielsweise Donovan sein Verhandlungsgeschick am heimischen Esstisch auslebt: Seine Tochter ist mit seinem Assistenten verabredet, was er ihr dadurch versalzt, dass er den jungen Mann zum abendlichen Dienst einteilt. Er hat ihn zu sich nach Hause bestellt. So kommt die Tochter irgendwie zu ihrem Date, aber Daddy hat seine Nase dabei.

So stur und geschickt, wie er dann auch in Ost-Berlin sein wird: Kann schon sein, dass er nachgibt. Aber nur bis zu einer bestimmten Grenze -und das gilt für die Geheimdienstleute auf beiden Seite, auch seiner eigenen. Es ist Donovan, der gegen ausdrückliche Weisung noch einen unbescholtenen Studenten mit auf die Agenda zerrt, der dem Geheimdienst egal ist, weil er ja nichts zu erzählen hat. Donovan aber kämpft weiter, weil es, egal ob es um den Kalten Krieg geht oder jenen gegen den Terror, nie nur ums Gewinnen geht: Am Ende muss das, was man mit seinem Leben verteidigt, es auch wert sein.

Bridge of Spies, USA 2015 - Regie: Steven Spielberg. Drehbuch: Matt Charman, Joel Coen, Ethan Coen. Kamera: Janusz Kaminski.Mit: Tom Hanks, Mark Rylance, Sebastian Koch. Fox, 141 Minuten.

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