Sextoys:Geiles Design

Sextoy

Joystick? Milchschäumer? Epiliergerät? Nichts von alldem: ein Dildo und Liebeskugeln.

(Foto: oh)

Kein Grund mehr, sich zu schämen: Vibratoren und Dildos sehen inzwischen so clean aus, als kämen sie direkt vom Apple-Gestalter. Das hat Vorteile für die Käufer.

Von Jan Kedves

Eine der meistbeachteten Nachrichten aus der Welt der Wissenschaft war in den vergangenen Wochen diese: Einmal Sex pro Woche reicht. Das haben kanadische Wissenschaftler herausgefunden, die mehr als 40 Jahre lang insgesamt 30 000 Paare befragt haben. Ihre Studie besagt, dass der Zufriedenheitsgrad von Paaren, die einmal pro Woche Sex haben, ziemlich genau dem Zufriedenheitsgrad jener Paare entspricht, die häufiger Sex haben. Sprich: Mehr als einmal pro Woche miteinander zu schlafen, lohnt sich nicht, oder steigert zumindest nicht das Wohlbefinden. Nur wer seltener als einmal pro Woche mit seinem Partner kommt, ist unzufrieden mit seinem Intimleben.

Die Frage ist: Was machen die Einmal-pro-Woche-Leute in der Zwischenzeit? Die Libido ist ja an den anderen sechs Tagen vermutlich nicht abgestellt. Die Partner werden, jeder für sich, das machen, was auch Singles machen, wenn die nicht gerade unverbindlichen Sex (einmal pro Woche?) mit anderen Singles haben: masturbieren.

Auch das Smartphone ist ein Sexspielzeug

Dass zum Autosex neben Händen und Fingern noch andere Hilfsmittel gehören können, ist nichts Neues. Der älteste von Archäologen gefundene Dildo wird auf 28 000 Jahre geschätzt: 19 Zentimeter lang, 3 Zentimeter breit, 2,8 Zentimeter dick. Material: feinkörniges Sedimentgestein. Fundort: Schwäbische Alb. Auch im alten China und Ägypten gab es Dildos, wie auch im antiken Griechenland, wo sie "Olisbos" hießen. Eher neu ist hingegen, dass Masturbations-Hilfsmittel immer häufiger aussehen wie Apple-Produkte. Also genau so, wie man sich das vorstellt, wenn man es liest: sehr clean, sehr stylish, weiß, silbern, spacegrau oder goldfarben, mit weißen Kabeln und USB-Anschluss. Sexy?

Man könnte wohl sagen, dass auch das iPhone schon ein Art Sextoy ist - nicht so sehr, weil es vibriert, sondern weil viele Nutzer eine ganze Reihe von Apps auf ihm vereinen, die mit Sex oder Sexanbahnung zu tun haben: Tinder, Grindr, Chaturbate, Slutroulette etc. Die Libido wird heute über mobile Geräte verwaltet, ohne dass man dafür unbedingt den seit der großen Cyber-Euphorie der Neunzigerjahre verbrannten Begriff des "Cybersex" bemühen müsste. Vor diesem Hintergrund erscheint es recht logisch, wenn seit einiger Zeit von Seiten der Sextoy-Industrie eine Annäherung an die Apple-Ästhetik stattfindet. Abgesehen davon, dass sich diese ohnehin in alle möglichen anderen Bereiche - Wasserkocher, Kopfhörer, Staubsauger - fortgepflanzt hat. Warum nicht auch in den Bereich der Intimität?

Sexspielzeug muss sich nicht mehr verstecken

Aber ist das als Erklärung schon befriedigend? Vermutlich muss man noch eine Ecke weiterdenken und schauen, ob es nicht auch etwas mit einer Emanzipation der Funktion zu tun hat. Im Sinne von: Loslösung von alten Gestaltungsklischees. Als der Fernseher noch ein neues Produkt war, versteckte man ihn gerne in der Wohnzimmerschrankwand - vermutlich, weil man ihn für eine Art Buch-Ersatz hielt. Für die Aufbewahrung der ersten Stereoanlagen gab es aufklappbare Vitrinen, die an Geigen- oder Cellokästen erinnerten. Und die ersten mausgrauen Personal Computer sahen aus, als wollten sie Schreibmaschinen imitieren - teils sogar inklusive Schutzhülle, die man nach Gebrauch überziehen sollte. Die Tarnung einer neuen Technologie im Design einer altbekannten: Das große Verdienst von Apple war, damit Schluss zu machen und für den Computer sowie für die technischen Innovationen, die sich aus ihm ergaben, ein eigenes, schlüssiges Design zu definieren.

Auf ganz ähnliche Weise könnte man nun sagen: Das Design von Sextoys erlebt gerade eine Emanzipation von alten schamhaften Vorstellungen. Vor allem von jener, ein Sextoy sei ein Ersatz für irgendetwas. Am deutlichsten zeigt sich dieses Verständnis vielleicht im "Vesper"-Stab, der von der Firma Crave aus San Francisco hergestellt wird. Ein betont schlicht gestalteter Stahlvibrator, 9,6 Zentimeter lang, 1,7 Zentimeter Durchmesser, vergoldet oder versilbert und über einen USB-Port aufladbar. Man soll den Vesper ganz selbstbewusst als schmucken Kettenanhänger um den Hals tragen, und der Hersteller schlägt vor, ihn zusätzlich mit einer persönlichen Gravur zu veredeln - etwa mit dem Diktum "Take your pleasure seriously" (Nimm dein Vergnügen ernst). Der Satz wird dem legendären Architekten und Designer Charles Eames zugeschrieben.

Die neuen Produkte sind unabhängig vom Geschlecht

Auffällig am Vesper-Stab - oder auch dem Silikon-Vibrator "Whoop.de.doo" (Foto), der optisch eher einem weißen iPhone ähnelt als einem klassischen Dildo - ist, dass er optisch keinen Körperteil imitiert. Produkte wie diese entkoppeln so das Verständnis körperlicher Lust von traditionellen Vorstellungen von Geschlecht, sexueller Identität und Beziehung. Es könnte für viele Seiten Vorteile haben: für die Hetero-Frau, die keine Lust darauf hat, über ihr Sextoy jedes Mal vermittelt zu bekommen, dass ihr gerade ein Mann fehlt. Für die Lesbe, der es ganz ähnlich geht. Und für den heterosexuellen Mann, der es nicht gut fände, wenn sein Toy allzu sehr nach Penis aussieht, weil sich daran möglicherweise die Frage knüpfen könnte, ob das, was hier gerade passiert, schwul ist.

Um aber noch einmal zum Apple-Design zurückzukommen: In jüngster Zeit mehren sich die Stimmen, die Apple - vor allem dessen amtierendem Designchef Jonathan Ive - vorwerfen, seine Prinzipien allmählich zu verraten. An vorderster Stelle: der amerikanische Designguru Don Norman, Direktor des "Design Lab" der University of California in San Diego. Er arbeitete früher selbst für das Unternehmen und sagt, in den vergangenen fünf Jahren habe sich die Firma zunehmend auf Ästhetik konzentriert, dabei aber Funktionalität und intuitive Bedienbarkeit vernachlässigt. Als Beispiele ließen sich wohl die komplizierte Menüführung der Apple Watch nennen oder auch der "Apple Pen" für das neue iPad Pro.

Steve Jobs war die Vorstellung ein Graus, dass man zum Benutzen des iPads einen Stift hervorzieht - ein Werkzeug, das im Prinzip nichts anderes kann als der Finger, den man ohnehin schon hat. Dabei wäre die Lösung einfach, dem Stift eine zusätzliche Daseinsberechtigung zu geben: Der Apple Pen könnte noch vibrieren.

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