Fotoserie "Figure Fantasy" von Daniel Picard:Superschurke am Pissoir

Helden und Bösewichte der Popkultur stehen über dem profanen Alltag? Nicht bei Daniel Picard. Der kanadische Künstler zwingt Super-Wesen in die Normalität.

Von Johanna Bruckner

10 Bilder

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

Quelle: Daniel Picard

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Eine Wesen, das mehr Maschine als Mensch ist, steht über so niederen Bedürfnissen wie dem, in regelmäßigen Abständen die eigene Blase entleeren zu müssen. Wie würde das auch aussehen, auf der Leinwand? Darth Vader legt ganze Planeten in Schutt und Asche, droht den wenigen Überlebenden mit einem schmerzhaften Tod, sollten sie sich ihm nicht unterwerfen - und verabschiedet sich mit "Ich-chhh muss-chhh mal-chhh" und wehendem Umgang in Richtung Toilette? Was für viele "Star-Wars"-Fans ein Frevel wäre, ist für den Kanadier Daniel Picard ein spannendes Szenario: Der Fotograf versetzt Superschurken und Superhelden der Popkultur in ganz alltägliche Situationen, "Figure Fantasy" heißt sein Projekt.

Doch warum ist ausgerechnet Darth Vader im erniedrigenden Ambiente eines öffentlichen Pissoirs inszeniert - ist das der Versuch, ein Kindheitstrauma zu bewältigen? "Ich hatte als Kind nicht wirklich Angst vor Darth Vader", sagt Picard. "Bevor ich die Filme gesehen habe, hatte ich zu Hause diese Actionfigur von ihm, mit der ich gespielt habe. Und wer könnte sich schon vor einer zehn Zentimeter großen Plastikfigur fürchten?" Für den Künstler erzählen seine Bilder Geschichten, die über das hinausgehen, was wir über Figuren wie Darth Vader wissen. "In meinem Universum wird Vader ein bisschen nervös vor wichtigen Meetings, besonders solchen, die auf feindlichem Territorium stattfinden, das erklärt die Wächter an seiner Seite."

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

Quelle: Daniel Picard

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Im Übrigen ist Darth Vader nicht der Einzige, den sich Picard auf der Toilette vorstellt. Dieser Kampfdroide liest auf dem Klo - wie sollte es anders sein - ein "Star-Wars"-Buch.

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

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Auch heute noch verlässt sich Picard auf seine Actionfiguren, wenn er seine Bilder inszeniert. Das hatte zunächst ganz praktische Gründe: Dem Künstler fehlte schlicht das Geld für menschliche Modelle. Aus der Not machte er eine Tugend, für ein möglichst echt wirkendes Ergebnis wendet Picard ähnliche Techniken an wie die großen Hollywood-Studios. Mit seinen Bildern holt er die Fantasie zurück in die Realität. Welcher Snowtrooper musste schon mal ein Auto enteisen?

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

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Oder hat die Freiheit, sich in den Schnee zu werfen? Im Film würde diese Art kindlicher Vergnügung wohl von Darth Vader mit dem Tod durch das Laserschwert bestraft. Noch dazu formt der Snowtrooper, immerhin im Dienste der dunklen Seite der Macht, einen Schneeengel. Die Ironie in Picards Bilder ist oft erst auf den zweiten Blick zu erkennen.

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

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So auch in dieser Inszenierung: Kult-Roboter R2-D2 liegt am Boden, eine Bodenwelle zur Geschwindigkeitsbegrenzung wurde der rollenden Blechbüchse zum Verhängnis - so scheint es zumindest. "Wenn man aber das Gebäude im Hintergrund anschaut, entdeckt man, dass es eine Augenklinik ist", erklärt Picard, der als Werbegrafiker arbeitete, bevor er sich der Fotografie zuwandte.

Seine Bilder zeigen immer noch einen Ausschnitt einer Geschichte, sie sollen zum Weiterspinnen anregen. "Es ist dem Betrachter überlassen, sich vorzustellen, was davor passiert ist oder wie es danach weitergehen könnte", sagt Picard. Er hinterlasse nur hier und da Hinweise. Vielleicht hatte R2-D2 also einen Termin zur Laserkorrektur? Zumindest bietet die Klinik Behandlungen für "alle Spezies und Droiden".

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

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Die Idee, Superhelden der Popkultur menschlicher erscheinen zu lassen, hat Picard nicht exklusiv. Seit einigen Jahren gibt es in Hollywood den Trend zum Antihelden. So leidet James Bond in den jüngsten Filmen an der Welt im Allgemeinen und den Frauen im Speziellen. Und Batman, der ohnehin zerrissene Fledermausmann, durfte in "The Dark Knight" von 2010 noch eine Spur düsterer und von Dämonen geplagter daherkommen. Wohlgemerkt nur im Kino: In der Vorstellung von Daniel Picard muss sich Batman mit denkbar profanen Problemen wie einem leeren Tank herumschlagen.

Linktipp: Bringt uns die Neuauflage von Stark Trek positive Zukunftsvisionen zurück? SZ-Autorin Kathleen Hildebrand hofft darauf.

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

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Und während Hollywood schon fleißig das große Duell der Superhelden bewirbt, das im März 2016 mit "Batman v Superman: Dawn of Justice" in die deutschen Kinos kommt, inszeniert Picard das Aufeinandertreffen als Schulhof-Fehde zweier Erwachsener. Batman wird zur Petze mit Spraydose - und ...

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

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... Superman steht ihm in nichts nach. So werden aus Wesen mit übermenschlichen Fähigkeiten sehr menschliche Unsympathen, die sich auch über den Gartenzaun ankeifen könnten.

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

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Zur Entzauberung kommt bei Picard der Faktor Skurrilität: Wenn die legendären "Star-Wars"-Kopfgeldjäger Jango Fett und Boba Fett einträchtig nebeneinander ihre Angeln in den See halten, dann ist so viel Vater-Sohn-Idylle zum Schmunzeln. Eingefleischte Fans wissen natürlich, dass Jango seinen Sohn Boba auch im "Star-Wars"-Universum gerne mitnahm zum Angeln. Allerdings ging es dabei nicht darum, ein paar Forellen fürs Abendessen zu fangen, sondern hochgefährliche Rollerfische zu Übungszwecken zu töten.

Daniel Picard: "Figure Fantasy"

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Warum nun das Ganze? Der Fotograf sieht seine Fotoreihe als Ergänzung zur bestehenden Popkultur. Picard findet, es mache die Geschichten nur besser, wenn er die darin vorkommenden Charaktere als Menschen behandle und zeige, was sie zu Helden oder Bösewichten mache, was in ihrem Kopf vorgehe. "Es gibt uns etwas, das wir verstehen können, es macht diese speziellen Charaktere noch unvergesslicher."

Seine Bilder sind also eine Hommage - auch wenn das nicht immer so wirken mag. Hier kämpft ein Soldat des Cobra Commanders (aus "G.I. Joe") mit einem ungehorsamen Hund. Und bei seinem tierischen Statisten musste Picard zur Abwechslung mal nicht auf Plastikfiguren zurückgreifen: Der Hund ist ein echter Welpe, heißt "Peri", und treibt wohl auch manchmal sein Herrchen Daniel Picard zur Weißglut. Manchmal macht es eben keinen Unterschied, ob man ein Mensch oder ein Superschurke ist.

Der Bildband "Figue Fantasy" von Daniel Picard ist für ca. 30 Euro zum Beispiel über Amazon erhältlich.

Linktipp: Ein Ukrainer hat sich offiziell in "Darth Mykolaiovych Vader" umbenannt und lebt seinen Alltag als dunkler Lord - die Bilder.

© SZ.de/doer
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