Geldanlage:Dubiose Schiffsfonds - Mit vollen Segeln in die Pleite

Hapag Lloyd fusioniert

Schiffsfonds sind ein risikoreiches Geschäft, wie viele Kleinanleger schmerzhaft feststellen mussten. Im Bild: Umschlag im Hamburger Hafen.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Hunderttausende Privatleute investierten Milliarden in Tanker und Frachter. Doch sie hatten keine Ahnung, welches Risiko sie damit eingehen.

Von Uwe Ritzer

Die vier Tage in Amsterdam sind Uwe Dunsing in guter Erinnerung geblieben. Übernachten in einem der teuersten Hotels der Stadt, Grachten-Rundfahrt mit Champagner, Dinner im "Fifteen", dem hippen Restaurant des britischen Popstarkochs Jamie Oliver. Alles vom Feinsten, Geld spielte keine Rolle. Dunsing kostete der Kurzurlaub ohnehin keinen Cent. Schließlich hatte er eine Menge dafür getan. "Der Trip war Belohnung und Motivation für die besten Vermittler", sagt er. Und zu denen gehörte Uwe Dunsing.

Mehr als 30 Milliarden Euro haben 275 000 Anleger aus Deutschland binnen wenigen Jahren in Schiffe investiert. Darunter waren Menschen wie Volker Schäfer aus Hamburg, die von Schifffahrt viel verstehen und engen Bezug zu ihr haben. 30 Jahre fuhr er bis zu seiner Pensionierung auf Frachtern zur See, als Ladungsoffizier und die letzten Jahre als Kapitän. Aber auch ausgemachte Landratten aus Süddeutschland kauften Anteile an Containerschiffen, Tankern und Massengutfrachtern, wie Uwe Dunsing sie ihnen anbot.

Einen zweistelligen Millionenbetrag hat der Finanzberater aus Elmshorn eingesammelt. Wie viele seiner Kollegen köderte er die Kunden mit Charts wie jenem der Postbank. Vom "schwimmenden Sparbuch" ist darin die Rede, mit acht Prozent Zinsen und "zu 99 Prozent steuerfrei". Als könnte gar nichts schiefgehen. "Im Grunde aber war das Geschäft von vornherein darauf angelegt, die Leute um ihr Geld zu bringen", sagt Dunsing heute.

Falsche Versprechungen und dubiose Transaktionen

Nun ist es weg. Mehr als zehn Milliarden Euro wurden versenkt in einem Meer aus Gier, falschen Versprechungen, dubiosen Transaktionen und raffgieriger Selbstbedienung. Dabei wird es nicht bleiben. Etwa 500 Schiffsfonds sind insolvent, Hunderte Frachter und Tanker mussten oft mit hohen Verlusten verkauft werden. "Der Markt ist tot", sagt der Schifffahrtsexperte Jürgen Dobert. Die Umstände beschäftigen massenhaft die Zivilgerichte. In Hamburg interessiert sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nun auch die Staatsanwaltschaft dafür.

Angelockt von außergewöhnlich hohen Verlustabschreibungen in den ersten Jahren nach dem Stapellauf investierten früher nur reiche Menschen in Schiffe. "Normalverbraucher kamen an solche Anlagen gar nicht ran", sagt Michael Herte, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. "Denen hat man sie gar nicht erst angeboten." Dann aber kappte der Bund seine Subventionen für die Schifffahrt und führte 1999 die Tonnagesteuer ein. Seitdem wird nicht mehr der Gewinn versteuert, den ein Transportschiff tatsächlich einfährt. Sondern der Fiskus gibt sich mit einer überschaubaren Pauschalabgabe auf das vorhandene Frachtvolumen zufrieden. Für die Beteiligten ist das ein riesiges Geschäft - vorausgesetzt, das Schiff transportiert viel lukrative Fracht. "Die Anleger wurden mit dem Versprechen steuerfreier Gewinnausschüttungen geködert", sagt Jürgen Dobert.

Was dann passierte, beschreibt der Kieler Verbraucherschützer Michael Herte so: "Jeder glaubte plötzlich, ein kleiner Onassis werden zu können." Ein Traum, der nun zum Fiasko wird. "Die Leute meinten, ein Schiff ist etwas Handfestes, Greifbares, da kann nicht viel schiefgehen", sagt Herte.

Entsprechend liefen die Geschäfte wie geschmiert. Einen geschlossenen Fonds nach dem anderen legten Emissionshäuser wie MPC Capital, HCI, Nordcapital, Dr. Peters oder König & Cie. auf. "In der Regel holten sie sich zwei Drittel des für ein Schiff benötigten Kapitals über Kredite bei Banken und den Rest von Anlegern", erzählt der Hamburger Rechtsanwalt Arne Heller, der etwa 1 500 Geschädigte vertritt.

Bis zur Finanzkrise 2008/2009 ging die Sache einigermaßen gut

Er wirft Emissionshäusern und Banken vor, Anleger über den Tisch gezogen zu haben. Denn was vielen von ihnen nicht bewusst war und auch nicht erklärt wurde: Mit dem Erwerb ihrer Anleihe wurden sie Kommanditisten oder Treuhandkommanditisten der Fondsgesellschaften. Als solche tragen sie das volle wirtschaftliche Risiko bis hin zum Totalverlust. Was ihnen ebenfalls verschwiegen wurde: Banken, Emissionshäuser und Vermittler stopften sich die Taschen voll.

"Vertriebsprovisionen von bis zu 25 Prozent der Anlagesumme waren nicht selten", sagt Anwalt Heller. "Das hat man dann verharmlosend ,weiche Kosten' genannt." Man hatte den Anlegern jedoch meist acht Prozent Zinsen auf ihre volle Anlagesumme versprochen. Was bedeutete, dass das jeweilige Schiff eine weitaus höhere Rendite einfahren musste, um das als Provisionen abgeflossene Kapital samt Verzinsung auszugleichen. "Das konnte auf Dauer nicht funktionieren, die Fonds mussten zusammenkrachen", sagt Heller.

Bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 ging die Sache noch einigermaßen gut. "Die Nachfrage nach Transportkapazitäten auf See war groß, und entsprechend hohe Charterraten wurden bezahlt", erklärt Heller. Dann platzte die Blase. Seit 2008 dümpeln die Märkte vor sich hin. Es gibt Überkapazitäten, entsprechend niedrig sind die Charterraten. Vier von fünf Schiffsfonds haben nach Erkenntnissen von Finanztest Geld vernichtet. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Das ohnehin fragile Geschäftsmodell ist zusammengebrochen. Und zwar nach und nach, wie Anleger erzählen, die sich an einem Novembermorgen in Hellers Kanzlei treffen.

3244 Schiffe

umfasste die deutsche Handelsflotte im vergangenen Jahr, hauptsächlich Containerschiffe und Stückgutfrachter. Das waren 456 weniger als noch 2011. Die Schiffe gehören zwar deutschen Reedern, doch nur 370 davon stachen auch mit der schwarz-rot-goldenen Fahne in See. Etwa ein Drittel fährt unter liberianischer Flagge und weitere 950 unter jener von Antigua und Barbuda. Damit sparen die Schiffseigner pro Jahr und Schiff mehrere hunderttausend Euro an Heuer, Sozialabgaben und Flaggengebühren.

Sie liegt unweit des Jungfernstiegs, beste Hamburger Lage also. Gleich um die Ecke residieren auch einige Emissionshäuser. Vor deren Türen postierten sich schon empörte Anleger mit Plakaten: "Mit vollen Segeln in die Pleite" stand darauf, oder schlicht: "Abgezockt". In Hellers Besprechungsraum erzählen die Geschädigten, dass die Schiffsfonds als Altersvorsorge gedacht gewesen seien. Allesamt sind sie Rentner: Volker Schäfer, der ehemalige Kapitän, Peter Kleinjung und Jobst Janssen, der als einziger bittet, seinen wirklichen Namen nicht zu schreiben. Bis zu 100 000 Euro hat jeder von ihnen in Schiffe investiert, deren Namen nach großer weiter Seemannswelt dufteten: Sea Class V, Madeira, Suez Max II, King Daniel.

Die meisten Anleger haben sich auf ihre Finanzberater verlassen

Sie wären nicht eingestiegen, hätten sie alle Risiken gekannt und von den hohen Provisionen gewusst, versichern die drei Rentner unisono. Verbraucherschützer Michael Herte glaubt ihnen, dass sie arglos waren. "Normale Anleger ohne gesellschaftsrechtliches Basiswissen können solche Gesellschafterverträge und Fondsprospekte nicht verstehen", sagt er. "Die meisten haben sich deshalb auf ihre Finanzberater verlassen." Und außerdem: Am Anfang sprudelten tatsächlich ordentliche Ausschüttungen. Bis ein Fonds nach dem anderen in Schieflage geriet.

Das Geld blieb aus, stattdessen forderten die Emissionshäuser vielfach Anleger auf, im Zuge einer Kapitalerhöhung Geld nachzuschießen. Andernfalls drohe die Zwangsversteigerung des Schiffs. Was viele nicht realisierten: Die Forderungen der Banken an die Fonds sind in der Regel weit besser abgesichert. "Die kriegen ihr Geld zurück, die Anleger nicht", sagt Ex-Vermittler Dunsing. Endgültig zum Fiasko wurden die Beteiligungen, als Anleger unter Hinweis auf ihre Haftung als Kommanditisten aufgefordert wurden, erhaltene Ausschüttungen zurückzuzahlen.

Zu Hunderten haben Betroffene Banken und Emissionshäuser verklagt. Meist geht es um mutmaßlich geschönte Prospekte, lückenhafte Beratung oder Täuschung. Die juristische Gemengelage ist kompliziert; oft raten die Gerichte zu Vergleichen. Einen solchen hat Rechtsanwalt Heller allein mit einer Bank für etwa 1000 Mandanten ausgehandelt; dem Vernehmen nach mit der Postbank, was er aber weder bestätigen noch dementieren will. Gegen den Hamburger Fondsanbieter König & Cie. hat Heller 120 Zivilklagen eingereicht. 85 seiner Mandanten haben zudem Strafantrag gegen das Emissionshaus gestellt.

Ein System, das die Kunden nicht durchschauen können

Die Vorwürfe lauten vor allem Kapitalanlage- und gewerbsmäßiger Betrug. König & Cie. habe Rohöltanker unter Wert verkauft, Prospekte geschönt und bei einem Fonds von vornherein Charterraten als Einnahmen angesetzt, die unter den Kosten blieben. Alles systematisch und zum Schaden der Anleger, so der Vorwurf. Die Hamburger Staatsanwaltschaft prüft ihrer Sprecherin zufolge, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. König & Cie. gibt sich unbeeindruckt. Von einer Strafanzeige wisse man nichts. Die "genannten Vorwürfe sind uns neu und entbehren jeglicher Grundlage", so ein Sprecher. Alle Weichkosten seien in den Fondsprospekten "in gesetzeskonformer Weise dargestellt" worden.

Finanzberater Dunsing wirft den Emissionshäusern vor, "sich auf unglaubliche Weise die Taschen vollgestopft" zu haben. Er hat die Fronten gewechselt und kämpft an der Seite der Anleger. "Ich habe selbst lange an Schiffsfonds geglaubt", sagt er. Bis immer mehr Kunden ihm Vorwürfe machten. Zu spät habe er erkannt, "dass wir es nicht mit handwerklichen Fehlern zu tun haben, sondern einem System, das die Kunden nicht durchschauen konnten".

Und was wurde aus den überflüssigen Schiffen? Hunderte landeten bereits auf gigantischen Schiffsfriedhöfen wie in Chittagong, der zweitgrößten Stadt Bangladeschs. Arbeiter wracken dort für Hungerlöhne und unter schlimmen Bedingungen ab, was auf den Weltmeeren nicht gebraucht wird. Meist ohne Schutzbrillen, Hand- oder Sicherheitsschuhe schneiden sie Tanker und Frachter auseinander; jedes Jahr sterben dabei Dutzende Menschen oder werden schwer verletzt. Während die Arbeiter ein erbärmliches Dasein fristen, verdienen Spekulanten beim Handel mit dem Stahl der toten Schiffe Millionen.

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