Präsidentschaftswahlkampf:Donald Trump fordert Einreiseverbot für Muslime in die USA

U.S. Republican presidential candidate Donald Trump points to a supporter at a Pearl Harbor Day rally aboard the USS Yorktown Memorial in Mount Pleasant

Donald Trump bei einer Veranstaltung auf der USS Yorktown, einem außer Dienst gestellten Flugzeugträger in South Carolina.

(Foto: REUTERS)

Mit seinem rassistischen Vorschlag treibt der beliebteste Republikaner-Kandidat die Panikmache auf die Spitze. Dass sich viele Konservative nun distanzieren, hat Trump wohl einkalkuliert.

Analyse von Matthias Kolb, Washington

Um 19:36 Uhr verliest Donald Trump eine Erklärung, die seit dem Nachmittag auf seiner Website nachzulesen ist. "Passt auf, das ist ziemlich harter Stoff. Aber wir müssen das tun", ruft er dem Publikum in South Carolina zu und trägt dann vor, was zu diesem Zeitpunkt bereits für enorme Aufregung und diverse Eilmeldungen gesorgt hat: "Donald Trump fordert das totale Einreiseverbot für Muslime in die USA, bis die Vertreter unseres Landes herausfinden, was zur Hölle hier vor sich geht."

Das Publikum in Mount Pleasant quittiert dies mit stehenden Ovationen und lautem Applaus. Trumps Wahlkampf war schon zuvor voller Provokationen und abfällig-rassistischen Kommentaren (mehr in diesem Blogeintrag), doch dieser Vorschlag stellt alles in den Schatten.

Trump begründet diesen Vorstoß mit dem Ausmaß von Hass, "den große Teile der muslimischen Bevölkerung" auf Amerikaner hätten. Der 69-jährige Milliardär zitiert eine Studie, wonach 25 Prozent der in den USA lebenden Muslimen Gewalt gegen Amerikaner als "gerechtfertigt als Teil des globalen Dschihads" ansehen würden.

Zahlen stammen von islamfeindlicher Organisation

"Nur ein Prozent wäre schon schlimm genug", donnert Trump und bezeichnet die Quelle der Erhebung, das Center for Security Policy als seriöse Quelle. Allerdings wird deren Chef Frank Gaffney von den Experten des Southern Poverty Law Center als einer der "schlimmsten Islamfeinde des Landes" eingestuft, wie die Washington Post hervorhebt.

Doch dieser Hinweis dürfte Trump und seine Anhänger ebenso wenig interessieren wie die Einschätzung von Juristen, dass ein solches Einreiseverbot gegen die US-Verfassung verstößt: Journalisten sind für sie "Abschaum", wie er auf jeder Veranstaltung betont. Trump, der in der aktuellen CNN-Umfrage auf 36 Prozent der republikanischen Vorwahl-Stimmen kommt, inszeniert sich als der einzige Kandidat, der die USA nach dem Terror-Anschlag eines muslimischen Ehepaars mit 14 Toten in San Bernardino schützen könne - und der sich nicht um Konventionen schert.

Dass US-Präsident Obama am Abend zuvor gewarnt hatte, Muslime zu diskriminieren und den Eindruck eines Kriegs "Amerika gegen den Islam" zu vermeiden, dürfte Trump eher angespornt haben. Es gehört zum Standardprogramm des 69-Jährigen, seine Ideen als alternativlos darzustellen: "Wir haben keine andere Wahl, wir haben keine andere Wahl." Und Obama bezeichnet er stets als "schwachen Idioten".

"Wir können politisch korrekt und dumm sein, aber dann gibt es mehr World-Trade-Center-Anschläge", tönt Trump. Sein Wahlkampfmanager Corey Lewandowski sagte, Ausnahmen sollte es nicht geben: Weder für muslimische Touristen noch für Muslime, die in die USA einwandern wollten - und auch nicht für Muslime mit US-Pass, die sich gerade im Ausland aufhalten.

Wie die konservativen Rivalen reagieren

Anders als sonst distanzierten sich die anderen republikanischen Präsidentschaftskandidaten schnell von Trumps jüngster Provokation. Marco Rubio, einer der aussichtsreicheren Bewerber, nennt die Äußerung "haarsträubend" und fürchtet eine Spaltung der Gesellschaft. Für John Kasich "disqualifiziert" dieser Vorschlag Trump für das Präsidentenamt. Während Carly Fiorina "Trumps Überreaktion" für "genauso gefährlich wie Präsident Obamas Unterreaktion" hält, bezeichnet Jeb Bush, der nur noch drei Prozent Unterstützung hat, Trump als verwirrt.

Auch andere prominente Republikaner, die nicht ins Weiße Haus wollen, positionieren sich klar: Für Dick Cheney, Vizepräsident unter George W. Bush, widerspricht Trumps Vorschlag "allem, woran wir glauben". Zudem lehnten die Vorsitzenden der Republikaner aus Iowa, New Hampshire und South Carolina - dort finden die ersten drei Vorwahlen statt - die jüngste Provokation mit deutlichen Worten ab.

Doch längst nicht alle beziehen Stellung. Paul Ryan, als Speaker des Repräsentantenhauses der drittmächtigste Mann des Landes? Schweigt. Reince Priebus, der Parteichef der Republikaner? Kein Kommentar, weder bei Twitter noch auf der Website der Grand Old Party. Rand Paul, ebenfalls Kandidat für das Weiße Haus? Äußert sich nur ausweichend.

Welche Strategie Donald Trump verfolgt

Und wie reagieren die Demokraten? Hillary Clinton, die Favoritin der Demokraten im Kampf ums Weiße Haus, bezeichnet Trumps Aussagen als "verwerflich" und als Gefahr für die Sicherheit der Amerikaner. Ihr Herausforderer Bernie Sanders lehnt die "fremdenfeindliche" Forderung ebenfalls ab: Die USA seien am stärksten, wenn alle zusammenstehen würden. Für Martin O'Malley ist Trump ein "faschistischer Demagoge".

Ben Rhodes, ein enger Berater von Barack Obama, erinnert daran, dass die Religionsfreiheit in der Verfassung garantiert sei. Der US-Präsident selbst hat sich nicht geäußert, doch sein Sprecher Josh Earnest wirft Trump vor, mit den Ängsten der Menschen zu spielen. Doch dessen Kalkül ist es, sich als größtmöglicher Gegensatz zum als schwach empfundenen Präsidenten zu präsentieren. Mit seinem angeberischen Auftreten und seinen oft beleidigenden Sprüchen wirkt Trump gerade auf Europäer sonderbar bis durchgeknallt, doch solch ein Statement wird nicht aus Zufall verschickt - schon gar nicht am 74. Jahrestag von Pearl Harbor.

Was hinter Trumps Kalkül steckt

Als Anti-Politiker kann Trump Dinge vorschlagen, die Senatoren, Gouverneure und andere Mitglieder des Establishments nicht äußern können. Sein "Einreiseverbot für Muslime"-Vorschlag führt erstens zu enormer Aufregung, vielen "Skandal"-Rufen und noch mehr Berichterstattung. Wie der Politologe John Sides nachweist, steigen Trumps Umfragewerte stets nach jeder Kontroverse. Die kommenden Tage wird sich in den US-Medien wieder (fast) alles um den Milliardär drehen, der für diese kostenlose Werbung keinen Cent zahlen muss.

Und zweitens klingen seine parteiinternen Rivalen Rubio, Carson, Bush oder Kasich, die seine rassistisch-radikale Idee ablehnen, nun genau wie die verhassten Demokraten Obama und Hillary Clinton. Trump drängt sie in die Ecke der Political Correctness und sichert so sein Alleinstellungsmerkmal. Philip Klein vom konservativen Washington Examiner kann nicht erkennen, was daran für Trump schlecht sein kann.

Ob der Zeitpunkt von Trumps Vorstoß wirklich damit zu erklären ist, dass er in einer am Montag veröffentlichten Umfrage im wichtigen Vorwahl-Staat Iowa hinter Ted Cruz zurückgefallen ist, ist schwer zu prüfen (so argumentiert etwa Vox.com). Eine andere Erhebung attestiert Trump am gleichen Tag einen Vorsprung von 13 Punkten in Iowa.

Die Unterstützung seiner überzeugten Anhänger, die sich vor der bedrohlichen Welt fürchten, wird Trump mit dieser Aussage keineswegs verlieren. Aber es ist schwer vorstellbar, dass er mit dieser spalterischen Forderung neue Fans hinzugewonnen hat. Der konservative Radiomoderator und Fox-News-Analyst Erick Erickson hält Trumps Vorstoß zwar für verfassungswidrig, aber auch für "brillante Politik".

Und er verweist darauf, welcher Kandidat sich nicht klar distanziert hat. Der texanische Hardliner Ted Cruz, der den IS mit "Bombenteppichen auslöschen" will, sagt schlicht: "Das ist nicht meine Politik." So etwas lässt sich nun wirklich nicht als Kritik bezeichnen - und Cruz hofft, dass die Trump-Fans irgendwann zu ihm überlaufen werden.

Update: Einen Tag nach Trumps Vorschlag haben Reince Priebus, der Parteivorsitzende der Republikaner, sowie Paul Ryan und Mitch McConnell, die jeweils mächtigsten Republikaner im Repräsentantenhaus sowie im Senat diesen verurteilt und als "unamerikanisch" bezeichnet. Ein Sprecher von George W. Bush sagte, der Ex-Präsident wollte Trump nicht durch einen Kommentar noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen - was nur als Kritik zu verstehen ist.

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