Flächenfraß:Unterwegs in Betonbayern

13 Hektar freie Landschaft gehen jeden Tag in Bayern verloren. Der Fotograf Robert Schlaug hat dokumentiert, was die Bauwut schon angerichtet hat.

Von Christian Sebald

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Fürth, Mittelfranken

Buch über Flächenfraß in Bayern

Quelle: Robert Schlaug

Für Horst Seehofer ist Bayern ja "die Vorstufe zum Paradies". Kein Auftritt des Ex-Ministerpräsidenten in einem Bierzelt, kein Parteitag und kein politischer Aschermittwoch, an dem nicht irgendwann die Floskel fällt - auch und gerade über die Landschaften im Freistaat. Den Flächenfraß hat Seehofer dabei häufig außen vor gelassen.

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Berngau, Oberpfalz

Buch über Flächenfraß in Bayern

Quelle: Robert Schlaug

Dabei hat die Betonierung Bayerns für immer neue Straßen, Siedlungen, Gewerbe- und Industriegebiete längst so dramatische Ausmaße angenommen, dass Naturschützer sie für das drängendste Umweltproblem im Freistaat halten. Der Flächenfraß in Bayern ist mit 13,1 Hektar am Tag auf Rekordniveau. Aufs Jahr gesehen wird die Fläche des oberbayerischen Ammersees in Bauland für Wohnungen und Gewerbe aber auch für Straßen und andere Infrastruktur umgewandelt.

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Neuer Bildband zeigt Bayerns hässlichste Orte

Quelle: dpa

Den Fotografen Robert Schlaug treibt der Flächenfraß um - so sehr, dass er drei Jahre lang den Freistaat bereist und bis in seine äußersten Winkel hinein Aufnahmen von der alltäglichen Bauwut gemacht hat. Alltagsarchitektur, urbane Räume und Kulturlandschaften sind von jeher die Themen des 68 Jahre alten Künstlers aus dem mittelfränkischen Roth. Im Jahr 2015 fasste er 128 Farbfotografien zu dem Bildband "Bayerns Schattenseite - Flächenverbrauch ohne Ende?" zusammen. Auch zwei Jahre später ist der noch aktuell. Die CSU plant, die Ansiedelung von Gewerbegebieten zu erleichtern.

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Georgensgmünd, Mittelfranken

Buch über Flächenfraß in Bayern

Quelle: Robert Schlaug

Es ist eine eindrucksvolle Dokumentation der Bausünden und Planungsfehler, die seit Jahrzehnten im Freistaat begangen werden. Längst verhunzen uniforme Eigenheimsiedlungen mit den immer gleichen Satteldächern und Carports die Dorfränder überall im Land. Dafür kommen die einstigen Ortszentren immer mehr herunter. Nicht nur in strukturschwachen Regionen verfallen vormals prächtige historische Anwesen. Sondern auch in den reichen Teilen Bayerns. So wie immer mehr Geschäfte in den Ortschaften verrammelt sind.

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Berngau, Oberpfalz

Buch über Flächenfraß in Bayern

Quelle: Robert Schlaug

Dafür entstellen draußen an den Ausfallstraßen die ewig gleichen Einkaufshallen von Aldi, Lidl & Co. mit ihren monströsen Parkplätzen Ortsansicht um Ortsansicht. Und erst die Gewerbe- und Industriegebiete. Immer mehr Wälder und Wiesen müssen immer gigantischeren Betonbauten weichen - es ist ein gleichförmiger Hallenbrei, der sich wie ein Krebsgeschwür in den Freistaat hineinfrisst.

Dazu die vielen Straßen, Autobahnen und anderen "Erschließungsmaßnahmen", wie Verkehrsprojekte auf Planungsdeutsch heißen. Sie reißen die wohl tiefsten Wunden in die Landschaften - wie man am Bau der Autobahn A 94 durch das Isental sehen kann. Natürlich hat Schlaug auch dieses, über Jahrzehnte besonders umkämpfte Projekt in seine Dokumentation aufgenommen.

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Weißenburg, Mittelfranken

Buch über Flächenfraß in Bayern

Quelle: Robert Schlaug

Wer aber in dem Band reißerische Fotografien aus spektakulären Perspektiven erwartet, der wird enttäuscht. Es sind betont ruhige, frontale Draufsichten in immer gleichem Format. Außerdem fehlt jede nähere Beschreibung der Aufnahmen. Nur im Anhang listet Schlaug die Orte auf, an denen die Fotografien entstanden sind. Dieser Kunstgriff soll den Betrachter ermuntern, sich in die Bilder zu versenken, sie auf sich einwirken zu lassen. Denn, so lautet Schlaugs ästhetisches Credo, "erst auf den zweiten Blick wird das Banale und Alltägliche zum Besonderen".

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Dorfen, Oberbayern

Buch über Flächenfraß in Bayern

Quelle: Robert Schlaug

Aber natürlich ist Schlaugs Buch auch ein Protest, ein Protest gegen das Weiter-so des Flächenfraßes. Das macht nicht zuletzt die Einführung von Richard Mergner deutlich. Mergner ist Landesbeauftragter des Bundes Naturschutz in Bayern, des Umweltverbandes, der wie kein zweiter gegen den Flächenfraß und die Zersiedelung des Freistaats kämpft. Mit wenig Erfolg freilich. Nicht nur, dass Bayern seit Jahren bundesweit den Negativrekord hält, wie Mergner schreibt.

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Schwabach, Mittelfranken

Buch über Flächenfraß in Bayern

Quelle: Photographer: Robert Schlaug

Die Betonierung der Landschaften könnte alsbald einen beträchtlichen Schub erfahren. Denn die CSU möchte eine höchst umstrittene Lockerung der Vorgaben für die Ansiedlung von Gewerbegebieten durchsetzen. Gleichzeitig merkt die Partei aber, dass ein von Grünen, ÖDP und dem Bauernverband AbL angestoßenes Volksbegehren in der Bevölkerung Zuspruch findet. Mehrere Ministerien überlegen nun, wie sie den Flächenverbrauch eindämmen können. Eine kuriose Situation.

Robert Schlaug: Bayerns Schattenseite - Flächenverbrauch ohne Ende?, mit einer Einführung von Richard Mergner, 148 Seiten, 128 Abbildungen, Verlag PH. C. W. Schmidt, ISBN978-3-87707-977-5, 29,90 Euro.

© SZ vom 10.12.2015/bica/bhi
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