Diskriminierung an US-Hochschulen:Asiatische Amerikaner scheitern an der "Bambus-Decke"

Yupei Guo

Die Studentin Yupei Guo hat es an die US-Elite-Uni Yale geschafft. Die Kinder asiatischer Einwanderer haben es nicht leicht, an den amerikanischen Hochschulen angenommen zu werden.

(Foto: AP)
  • Asiatisch-stämmige Schüler sind besonders ehrgeizig und fleißig. Trotz ihrer guten Noten haben sie aber an den US-Eliteuniversitäten schlechtere Chancen.
  • Im Rahmen der "Affirmative Action" werden gezielt bestimmte ethnische und soziale Gruppen gefördert - die Asiaten gehören nicht dazu.
  • Spezielle Beratungsfirmen helfen dabei, Bewerbungen "weniger asiatisch wirken zu lassen".

Von Viola Schenz

Brian Taylor gehen die Klienten so bald nicht aus. Taylor leitet Ivy Coach, eine Consultingfirma mit Sitz in Manhattan, die Schulabgängern bei der Bewerbung auf Amerikas Eliteunis hilft. In den USA ist die Hochschulbewerbung ein aufwendiger und komplizierter Prozess - sich dabei von Profis beraten zu lassen, daher durchaus üblich. Taylor hat sich auf asiatischstämmige Studenten spezialisiert, genauer gesagt darauf, "sie weniger asiatisch wirken zu lassen", wie er es ausdrückt.

Typisch asiatisch und damit schlecht ist etwa, Badminton zu spielen, oder Geige oder Klavier. Basketball oder Gitarre klingen da sehr viel besser im Lebenslauf. Der Vater rettete sich einst, in den Siebzigern, mit den Boatpeople und zwei Dollar in der Tasche aus Vietnam in die USA und hat es jetzt zu etwas gebracht? Beeindruckende Biografie, ja; aber auch sie könnte die Chance auf Yale und Harvard mindern. Also besser verschleiern.

Asiatische Studenten machen mehr aus ihren Möglichkeiten

Einwanderer aus dem asiatischen Kulturraum stecken in einem Paradoxon: Sie sind höchst erfolgreiche Highschool- und College-Absolventen, 49 Prozent besitzen einen Bachelor-Abschluss, im Vergleich zu 28 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Sie stellen gerade mal fünf Prozent der US-Bevölkerung, aber zum Beispiel ein Drittel der Teilnehmer bei nationalen Mathe- und Physikwettbewerben. Aber all diese akademischen Erfolge ebnen ihnen nicht den Weg in die Ivy League, an die besten Unis.

Orte der Elite

Harvard, Princeton, Yale - es sind wohl die bekanntesten Namen unter den acht Elite-Universitäten Nordamerikas, die sich auch "Ivy League" nennen. Die Einrichtungen werden in Rankings hoch gelistet und stehen für akademische Exzellenz und Tradition. Die Bezeichnung Ivy, auf Deutsch Efeu, bezieht sich wohl auf die relativ alten Universitätsgebäude, an deren Fassaden oft Efeu wuchs. Die acht Hochschulen haben strenge und anspruchsvolle Zulassungsbedingungen und nehmen nur einen Bruchteil der Bewerber an. Neben herausragenden Noten zählen auch spezielle Texts und überzeugende Bewerbungsschreiben. SZ

Im Gegenteil: Die "Asian-Americans" müssen beim Hochschulzugang besondere Hürden nehmen. Beim Zulassungstest für Harvard etwa brauchen sie 140 Ergebnispunkte mehr als weiße Studenten und sogar 450 mehr als schwarze. Und selbst herausragende Testergebnisse öffnen dort noch nicht die Hörsaaltüren. Warum sind sie überhaupt so gut in der Schule?

Asiatische Eltern bringen ihrem Nachwuchs früh Fleiß und Disziplin bei. Sie legen Wert auf Bildung, selbst wenn sie nie eine Hochschule besucht haben. Das zeigen Studien wie "The Asian American Achievement Paradox". Asiatische Kinder sind nicht schlauer oder begabter - Intelligenz verteilt sich gleichmäßig über Nationalitäten und soziale Schichten -, sie machen aber mehr aus ihren Möglichkeiten, sie büffeln mehr, sitzen bis in den Abend hinein an den Hausaufgaben.

Die "Musterminderheit": fleißig, diszipliniert, bescheiden

Das ist in Japan, Taiwan oder Südkorea nicht anders als in den asiatisch geprägten Gemeinden Kaliforniens oder in Deutschland, wo der Nachwuchs vietnamesischer Einwanderer häufiger Abitur macht als andere Minderheiten oder "Bio-Deutsche". Ein Gesicht bekam dieser asiatische Ehrgeiz mit Amy Chua, genannt "Tiger Mum" und Jura-Professorin in Yale.

Ihr Buch "Die Mutter des Erfolgs" löste 2011 eine Kontroverse über westliche Erziehungsmethoden aus. Chua beschreibt, wie sie ihre Kinder unerbittlich antreibt, um sie fit zu machen für den nationalen und globalen Wettbewerb. Westlichen Müttern hält sie vor, bei der Erziehung verweichlicht zu sein, sich mehr um die Gefühle der Kinder zu sorgen als um deren schulischen Fortschritt.

Es ist diese konfuzianische Ethik, die die protestantische locker in den Schatten stellt. Das überzeugte seinerzeit Präsident Lyndon B. Johnson, die US-Einwandergesetze 1965 zu ändern und mehr dieser vorbildlich-fleißigen Menschen aus Fernost ins Land zu lassen. Seitdem kamen sie in Scharen, die Asiaten, vor allem die ambitionierte Mittelschicht war bei der Visavergabe erfolgreich. Asiaten sind die "Musterminderheit": fleißig, diszipliniert, anpassungswillig, bescheiden, duldsam.

Die US-Unis stehen im Bann der "Affirmative Action"

Doch ausgerechnet diese Qualitäten werden ihnen nun bei der akademischen Laufbahn zum Verhängnis. Seit den späten Achtzigerjahren stehen Amerikas Hochschulen im Bann der sogenannten Affirmative Action - einer Art positiven Diskriminierung, die bestimmte ethnische und soziale Gruppen gezielt fördert, um eine historische oder gegenwärtige Benachteiligung auszugleichen.

Asiaten gehörten im 19. und 20. Jahrhundert zu den meistdiskriminierten Minoritäten in den USA, ihnen steht eigentlich besondere Wiedergutmachung zu. Das und ihre guten Noten müssten sie in die Unis katapultieren. Dort aber fördert man lieber Schwarze oder Latinos oder Schwule und Lesben oder Behinderte oder andere - einst - Diskriminierte.

Asiaten gelten als Streber

Zulassungsstellen an Unis winden sich um Begründungen. In Harvard etwa heißt es, man verfolge einen "holistischen Ansatz" bei der Auswahl, man wolle "in vielerlei Hinsicht diverse" Studenten, um sie auf eine "pluralistische Welt" vorzubereiten. Dazu sei man "moralisch verpflichtet". Tatsächlich gibt es neben akademischen Meriten längst andere Kriterien bei der Zulassung: Sehr wichtig seien "außerschulische Aktivitäten", steht in einem Ratgeber für internationale Bewerber, und weiter: "Zeige, dass Studieren nicht dein alleiniger Auftrag ist, dass du keine Studiermaschine bist."

Bewerbungsberater Brian Taylor bekommt immer wieder zu hören, Asiaten seien zu angepasst, sie besäßen weder Originalität noch Führungsqualitäten. "Er ist ruhig, und natürlich will er Arzt werden", so vermerkte laut New York Times ein Harvard-Sachbearbeiter auf den Unterlagen eines asiatischen Bewerbers.

Um es kurz zu machen: Asiaten gelten als Streber, und das macht sie unbeliebt. Sicherlich spielt Neid hinein, und Furcht vor dem Erfolg der Asiaten. Dass in den vergangenen Jahren Tausende Jobs von den USA nach Asien verlagert wurden und immer mehr Chinesen amerikanische Firmen und Immobilien aufkaufen, macht das Unbehagen nicht kleiner.

Bei einigen Betroffenen hat die Duldsamkeit ein Ende

Asiatischstämmige Amerikaner verstehen derweil die Welt nicht mehr. Seit Geburt wurde ihnen eingeimpft, dass nur, wer hart arbeitet, weiterkommt im Leben, dass der American Dream genau das bedeute, und nun macht man ihnen ausgerechnet Fleiß und Disziplin zum Vorwurf. Nun ist sogar von der "Bamboo Ceiling" die Rede, der Bambusdecke, analog zur gläsernen Decke, von der es heißt, dass sie die Karriere von Frauen blockiert.

Und bei einigen Betroffenen hat die asiatische Duldsamkeit inzwischen ein Ende: Vor einem Jahr reichten die "Students for Fair Admission" Klage ein gegen Harvard und die University of North Carolina wegen deren diskriminierender Quoten. Inzwischen laufen Klagen gegen neun weitere Hochschulen.

Noch gibt es keine Urteile - aber es gibt historische Parallelen: Es war Harvard, wo in den 1920er-Jahren jüdische Erstsemester 22 Prozent ausmachten. Zu viel, befand seinerzeit der Uni-Präsident - und ergänzte den Zulassungsbogen um nebulöse Kriterien wie "Charakter" oder "Tauglichkeit". Die Zahl jüdischer Studenten reduzierte sich um 40 Prozent und blieb in den folgenden drei Jahrzehnten entsprechend niedrig.

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