SPD-Bundesparteitag:Fiasko für Gabriel

Sigmar Gabriel

Sigmar Gabriel: Hat so wenig Stimmen wie noch nie bekommen.

(Foto: AP)
  • Gabriel ist auf dem Bundesparteitag der SPD mit 74,27 Prozent als Vorsitzender bestätigt worden, es ist sein mit Abstand schlechtestes Ergebnis.
  • Er räumte nach seiner Wahl ein, dass die Partei, besser die Parteilinke, ihn abgestraft habe.
  • Der Parteichef dachte offenbar, er könne die Linke mit einigen Angriffen auf den Koalitionspartner beschwichtigen.

Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Wenn es nur die Wahlcomputer gewesen wären, die nicht funktioniert hätten. Der Wahlgang für den SPD-Parteivorsitzenden musste abgebrochen werden, weil Dutzende Tablet-Computer nicht das taten, was sie sollten - nämlich die Stimme für oder gegen Sigmar Gabriel entgegenzunehmen. Es gingen schon Gerüchte um, Gabriel hätte auf dem elektronischen Weg zu wenig Stimmen bekommen. Da lachten einige Genossen noch. Das Ergebnis am Freitag hat dann schockiert.

Gabriel ist auf dem Bundesparteitag der SPD in Berlin mit lediglich 74,27 Prozent als Vorsitzender bestätigt worden. Wobei: bestätigt, das trifft es nicht ganz. Gerade noch geschafft, schon eher. Es ist sein mit Abstand schlechtestes Ergebnis, seitdem er 2009 mit 94,2 Prozent erstmals ins Amt gewählt wurde. Sogar 2013 waren es deutlich mehr als 80 Prozent.

Die Partei, besser die Parteilinke, hat den Vorsitzenden abgestraft. Gabriel ist am Freitag der Erste, der das sofort einräumt. Die Presse werde genau das schreiben: Er sei abgestraft worden, sagt Gabriel vor den gut 600 Delegierten. "Und das ist ja auch so." Aber: "Mit der Wahl ist es dann auch entschieden, liebe Genossinnen und Genossen." So sei das Leben in der Demokratie. Er nehme die Wahl an. Er werde die SPD weiter in die Mitte führen. Auch wenn das einigen Linken nicht links genug sei.

Beinahe zwei Stunden hat Gabriel gesprochen

Er hat gekämpft auf diesem Parteitag. Beinahe zwei Stunden hat er gesprochen am Freitagmorgen. Vorher und nachher tritt er immer wieder an das Pult, um sich gegen Anwürfe zu wehren. Mal verteidigt er die Kontingent-Lösung der SPD, mit der er die hohe Flüchtlingszahl verringern will. Mal widerspricht er fast zehn Minuten lang der Juso-Chefin Johanna Ueckermann, die ihm vorgeworfen hatte, nicht zu halten, was die SPD versprochen habe.

Es war zu ahnen, dass seine Wiederwahl kein Selbstläufer werden würde. Aber so ein Ergebnis hat niemand vorherzusagen gewagt. Der zweite Teil der Demütigung folgte in den Stellvertreterwahlen. Alle bekamen viel mehr Zustimmung als Gabriel. Alle. Hannelore Kraft und Manuela Schwesig kamen gar über 90 Prozent. Und selbst Ralf Stegner, Landeschef aus Schleswig-Holstein, landete drei Prozentpunkte vor dem Parteivorsitzenden.

Gabriel will die SPD in die Mitte führen. Dorthin, wo sich Angela Merkel mit ihrer Union breitgemacht hat. Dorthin, wo die SPD-Linke partout nicht mehr hinwill. Sie will keine Helmut-Schmidt-SPD, keine Gerhard-Schröder-SPD und in dem Sinne keine Sigmar-Gabriel-SPD. Dafür scheut sie auch nicht davor zurück, die Partei mit einem großen Knall in die Führungskrise zu stürzen.

In seiner Rede wirft er der Kanzlerin Doppelzüngigkeit vor

Der Parteichef dachte offenbar, er könne die Linke mit einigen Angriffen auf den Koalitionspartner beschwichtigen. In seiner Bewerbungsrede wirft er der Kanzlerin und den Unionsparteien Doppelzüngigkeit in der Flüchtlingsfrage vor: "Man kann sich nicht morgens dafür feiern lassen, dass man eine Million Flüchtlinge nach Deutschland holt, und abends im Koalitionsausschuss jedes Mal einen neuen Vorschlag machen, wie man die schlechter behandeln könnte."

Er ist sich auch nicht zu schade, den Aufstieg des Front National in Frankreich in Zusammenhang mit Merkels Sparkurs in der Euro-Krise zu setzen - und der Kanzlerin damit eine Mitverantwortung für die Erfolge der Rechtspopulisten zu geben. Er macht auch unerwartete Zugeständnisse in der Außenpolitik. Zwar verteidigt er den Einsatz der Bundeswehr gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Er verspricht den Delegierten jedoch eine Mitgliederbefragung, sollte das Syrien-Mandat ausgeweitet werden.

Genutzt hat es nichts. Für Sekunden war nach dem Fiasko offen, ob Gabriel die Wiederwahl überhaupt annimmt. Nun, er macht weiter. Und er hat klargemacht, dass er nicht bereit ist zu weiteren Zugeständnissen an die Parteilinke. Es klingt wie eine Kampfansage.

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