Eltern in Sorge:Wie Neonazis versuchen, Schüler zu ködern

  • Rechtsextreme haben Flugblätter vor dem Willi-Graf- und dem Sophie-Scholl-Gymnasium verteilt. Auf öffentlichem Grund sind die Behörden machtlos.
  • Die Schulleitungen gehen aber sensibel mit dem Thema um: Fachleute aus dem kommunalen Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Rassismus werden demnächst mit den Schülern sprechen.

Von Melanie Staudinger

Konstanze B. konnte nicht so recht glauben, was auf dem Zettel stand, den ihre 13-jährige Tochter da aus der Schule mitbrachte. Auf dem Flugblatt schimpft der Münchner Kreisverband von "Die Rechte" über die angebliche "Überfremdung" der Gesellschaft und sucht Unterstützer für seine rechtsextreme Splitterpartei. "Abgesehen davon, dass ich den Inhalt verabscheuungswürdig und ekelhaft finde, kann und darf es nicht sein, dass Kinder so etwas ausgesetzt werden, dass auf diese Weise Propaganda und Hass verteilt und der Versuch gestartet wird, ,Kameraden' zu ködern", sagt Konstanze B.

Weitergegeben wurden besagte Zettel an der Karl-Theodor-Straße, direkt vor dem Eingang, den sich die Jugendlichen des Willi-Graf-Gymnasiums und die Schülerinnen des Sophie-Scholl-Gymnasiums teilen. Schulleiter Bernhard Vonbrunn sind die Hände gebunden. "Solange die Flugblätter auf öffentlichem Grund verteilt werden, kann ich das nicht verbieten lassen", sagt er.

Auf dem Schulgelände ist politische Werbung verboten - aber nicht davor

Das bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen ist eindeutig, wie das Kultusministerium mitteilt: Auf dem Schulgelände ist jede politische Werbung verboten. Ergo kann ein Direktor politische Veranstaltungen auch nur dort untersagen, nicht aber solche Aktionen, die davor stattfinden.

Diese Vorschrift nutzen immer wieder rechte und linke Gruppierungen aus. "Ich schätze, dass etwa einmal im Vierteljahr Leute vor unserer Schule irgendwelche Flyer verteilen", sagt Vonbrunn. Auch das Bildungsreferat bestätigt, dass solche Vorfälle hin und wieder registriert würden. Eine Statistik mit konkreten Zahlen aber existiere nicht.

Die Polizei wurde informiert, konnte aber keine Verstöße feststellen

"Die Schulleiter gehen aber sehr sensibel mit der Problematik um", sagt eine Sprecherin des Bildungsreferats. Mehr könnten sie nicht machen. Solange nicht gesetzeswidrig gehandelt werde, dürfe nicht einmal die Polizei eingreifen. Diese wurde im Fall des Sophie-Scholl-Gymnasiums wie üblich informiert, stellte aber keine Gesetzesverstöße fest.

Genau dieses "Nicht-verbieten-Können" ist ein wichtiger Punkt, wie Miriam Heigl von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus im Rathaus erklärt. "Wir können Rechte nicht wegverbieten, deshalb brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte darüber", sagt sie. Die Expertin hat sich den Flyer genau angeschaut.

"Mit Schülern über aktuelle Ausprägungen von Rechtsextremismus diskutieren"

"Auf den ersten Blick findet sich dort kein ganz klassischer Nazi-Jargon", sagt Heigl. Allerdings argumentieren die Verfasser mit dem Recht der Deutschen auf eine eigene Identität und der Notwendigkeit der Rückführung von Migranten. "Würde man diese Vorstellungen in die Realität umsetzen, wäre das äußerst brutal, weil man Menschen zwangsweise umsiedeln würde", erklärt sie. Es sei wichtig, mit Jugendlichen auch über aktuelle Ausprägungen des Rechtsextremismus zu diskutieren, da dies nicht automatisch Teil des Unterrichts sei.

Am Sophie-Scholl-Gymnasium will man sich der Sache annehmen. Durch die sozialwissenschaftliche Ausrichtung der Schule hätten die Schülerinnen sich mit den Themen Nationalsozialismus und Rechtsextremismus ohnehin schon viel beschäftigt, sagt Direktor Vonbrunn. Dennoch will er das Thema nachbereiten: Fachleute aus dem kommunalen Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Rassismus werden demnächst mit den Schülerinnen sprechen.

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