München:Wohlleben bestreitet, Pistole für NSU beschafft zu haben

NSU-Prozess

Ralf Wohlleben im Oberlandesgericht in München (Archivbild)

(Foto: dpa)
  • Ralf Wohlleben ist im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, er soll der Terrorgruppe Waffen beschafft haben.
  • Eine Woche nach Beate Zschäpe brach nun auch er sein Schweigen.
  • Im Gegensatz zur Hauptangeklagten sprach er selbst und will am Donnerstag auch Fragen beantworten.
  • Wohlleben bestreitet, die Mordwaffe für den NSU besorgt zu haben.

"Ich wollte keine Waffe besorgen"

Nach Beate Zschäpe hat im NSU-Prozess nun auch der mutmaßliche Terrorhelfer Ralf Wohlleben ausgesagt. Im Gegensatz zur Hauptangeklagten Zschäpe sprach Wohlleben selbst. Er verlas eine Erklärung. Ursprünglich war geplant, dass Wohlleben nach seiner Aussage Frage beantwortet. Dies wurde nach Beendigung des Gerichtstages aber auf Donnerstag verschoben.

Die Bundesanwaltschaft wirft Wohlleben Beihilfe zum Mord vor. Er soll Waffen für den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) beschafft haben. Wohlleben sitzt wie Zschäpe seit 2011 in Untersuchungshaft. "Seine Aussage ist ein Akt der Notwehr gegen Lügen und Unterstellungen", hatte die Rechtsanwältin des früheren NPD-Funktionärs, Nicole Schneiders, zuvor gesagt.

In seiner Aussage bestritt Wohlleben, eine Waffe für den NSU beschafft zu haben, mit der neun Menschen erschossen worden waren. Auch den Vorwurf der Beihilfe zum Mord wies er zurück. Er sei nicht vermittelnd tätig geworden oder habe in irgendeiner Form Aufträge zum Beschaffen der Pistole vom Typ Česká erteilt, sagte Wohlleben. Auch habe er gar nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um solch eine Waffe zu kaufen.

Wohlleben räumte ein, dass er von seinem damaligen Freund Uwe Böhnhardt in einem persönlichen Gespräch um die Beschaffung einer Waffe gebeten worden sei. "Hier äußerte er den Wunsch, dass ich mich nach einer scharfen Pistole für ihn umhören solle", sagte Wohlleben. "Er sagte, ich sollte darauf achten, dass es ein deutsches Fabrikat ist."

Zur Begründung habe ihm der damals bereits untergetauchte Böhnhardt gesagt, bevor er ins Gefängnis gehe, bringe er sich lieber um. Er habe Böhnhardt aber gesagt, er kenne sich nicht mit Waffen aus, sagte Wohlleben. "Ich wollte keine Waffe besorgen." Er habe auch nicht schuld am Suizid von Böhnhardt sein wollen. Schließlich habe Carsten S., ein weiterer Angeklagter im NSU-Prozess, von Böhnhardt oder Mundlos den Auftrag zum Waffenkauf bekommen.

Vom NSU und dessen zehn Morden hat Wohlleben seiner Aussage zufolge bis zum Auffliegen der Terrorzelle im November 2011 nicht gewusst. "Wie alle anderen" habe er erst dann davon erfahren, sagte er. Es sei für ihn unvorstellbar, dass Mundlos und Böhnhardt zu diesen Taten in der Lage gewesen seien.

"Ich bedaure jede Gewalttat", sagte Wohlleben am Ende seiner Aussage und fügte hinzu: "Den Angehörigen der Opfer gilt mein Mitgefühl."

Rechtsextreme Sozialisierung in der Post-DDR

Zu Beginn seiner Ausführungen sagte Wohlleben zunächst, er habe den Weg einer schriftlich vorformulierten Erklärung gewählt, weil er wegen der langen U-Haft an erheblichen Konzentrations- und Wortfindungsstörungen leide. Dann berichtete der 40-Jährige, wie er nach Mauerfall und Wiedervereinigung versucht habe, mit den neuen Verhältnissen zurechtzukommen.

"Da ich schon immer einen großen Nationalstolz verspürte, der integraler Bestandteil der DDR-Erziehung war, sah ich keinen Grund, den abzulegen", erklärte er. In den Folgejahren habe er zunehmend rechte Veranstaltungen, Konzerte, Stammtische und Demonstrationen besucht. Dann trat Wohlleben nach eigener Aussage in die NPD ein - wobei ihm Tino Brandt einen Mitgliedsantrag unter die Nase gehalten habe. Brandt war ein Anführer in der rechtsextremen Szene in Thüringen und zugleich gut bezahlter V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes.

Wohlleben berichtete, wie sich die rechte Szene in den 1990er Jahren in Jena formierte. Damals habe er Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt kennengelernt, sagte er. Mit Zschäpe habe man gut und lange reden können. Sie sei schlagfertig, witzig und ihm sehr sympathisch gewesen. Eine Schlüsselrolle bei der Formierung der verschiedenen Gruppierungen - insbesondere des "Thüringer Heimatschutzes" - spricht Wohlleben Brandt zu.

Gegen Ausländer habe er schon damals nichts gehabt - sondern gegen die Politik, die den Zuzug von Ausländern fördere. In Frankfurt am Main habe er den Eindruck gehabt, dass es da Stadtviertel gebe, in denen keine Deutschen mehr leben. Er spricht von "Ghettoisierung" und einem "Zuzug kulturfremder Ausländer". Das habe er nicht für Jena gewollt, argumentierte Wohlleben. Gewalt hätten sie damals in Jena abgelehnt.

Auch das Verhalten von Böhnhardt und Mundlos habe keinen Anlass gegeben, zu vermuten, dass sie mal schwere Straftaten begehen würden, sagte Wohlleben. Er räumt allerdings ein, nach dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe Kontakt zu den dreien gehabt zu haben. Es sei zu mehreren Telefonaten gekommen. In einer Wohnung in Chemnitz habe er sie dann zum ersten Mal wiedergetroffen.

Fragen an Zschäpe

Die Bundesanwaltschaft sieht in der Hauptangeklagten Beate Zschäpe das einzig überlebende Mitglied der NSU-Gruppe. Sie hatte in der vergangenen Woche von ihrem Anwalt eine ausführliche Erklärung verlesen lassen und darin jede Beteiligung an den Morden bestritten. Ihre Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die sich bei ihrer Enttarnung umbrachten, hätten die Taten allein begangen und ihr jeweils erst im Nachhinein davon berichtet, ließ Zschäpe von ihrem Verteidiger erklären.

Am Dienstag stellte Richter Manfred Götzl der Angeklagten daraufhin mündlich eine ganze Reihe von Nachfragen. Zschäpe wollte diese jedoch nicht umgehend beantworten, sondern will dies nur schriftlich tun. "Meine Mandantin fühlt sich nicht in der Lage, die Fragen des Senats unmittelbar und persönlich zu beantworten. Sie hat Sorge, dass sie angesichts der Umstände die Worte nicht so wählen kann, dass es nicht zu Missverständnissen kommen kann. Sie will die Fragen mit mir erörtern und dann durch mich verlesen lassen", sagte ihr Anwalt Mathias Grasel.

Den Ermittlungen zufolge ermordete die Gruppe binnen zehn Jahren neun Männer griechischer und türkischer Abstammung sowie eine Polizistin. Außerdem sollen die Extremisten Bombenanschläge und Raubüberfälle begangen haben.

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