Finanzberatung:Pflichten eines Beraters

Im Zweifel lieber fragen - Werbeversprechen der Banken

Die Finanzberatung soll künftig transparenter und verständlicher werden. Doch wesentliche Details der neuen EU-Verordnung Mifid II sind noch offen.

(Foto: Andrea Warnecke/dpa)

Protokolle bringen Verbrauchern oft nur wenig Erkenntnis. Nun wird ein neuer Versuch gestartet.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Es traf von Anfang an auf wenig Gegenliebe. Das Protokoll zur Wertpapierberatung. Zum Schutz der Anleger führte der deutsche Gesetzgeber 2010 im Zuge der Finanzkrise die Protokollpflicht ein. Mit dem Finanzmarktnovellierungsgesetz, das die Regierung in Kürze beschließen will, wird die überarbeitete EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II samt Verordnungen in deutsches Recht umgesetzt. Es gelten europaweit einheitliche Aufzeichnungs- und Protokollierungspflichten, und die deutsche Regelung ist künftig hinfällig. Das Resümee der Experten nach fünf Jahren Praxistest fällt einhellig aus. Der Zweck, die Anlageberatung für Kunden transparenter und besser zu machen, wurde verfehlt.

"Das Beratungsprotokoll hat seinen Sinn nicht erfüllt. Der Missstand zum Beispiel, dass eine Bank einem Kunden, der aufgrund seines Profils für Aktienanlage geeignet ist, oft eigene, teuere Fonds verkauft, bleibt bestehen," sagt Marc Rieger, Professor an der Universität Trier. Und Lars Brandau, Geschäftsführer des Deutschen Derivate-Verbands ergänzt: "Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass das Beraterprotokoll und das Produktinformationsblatt zu umfangreich sind und daher nicht gelesen werden. Das Ziel der Verbraucherschützer, die Qualität der Beratung zu steigern und dem Kunden mehr Sicherheit zu geben, wurde nicht erreicht."

An die Stelle des Beratungsprotokolls tritt nun eine Erklärung über die "Geeignetheit" der Empfehlung eines Anlageberaters. Neben einem neuen Namen bringt dies auch inhaltliche Veränderungen. "Die Geeignetheitsprüfung geht einen Schritt weiter als das Beratungsprotokoll. Als Abschluss der Anlageempfehlung wird ein detailliertes Resümee darüber verlangt, in welcher Weise die Empfehlung auf die Präferenzen, Anlageziele und sonstige Merkmale des Kunden abgestimmt ist. Die Empfehlung muss also klar begründet werden", sagt Dorothea Mohn, Leiterin Finanzmarkt beim Bundesverband der Verbraucherzentrale.

War das Beratungsprotokoll in der Praxis meist zu standardisiert und allgemein formuliert, rückt nun die individuelle Situation des Kunden mehr in den Fokus. Geeignetheitsprüfung und -erklärung sind künftig nicht nur bei einem persönlichen Gespräch in der Filiale, sondern auch bei telefonischer Beratung erforderlich. Künftig müssen Gespräche am Telefon mitgeschnitten und bis zu sieben Jahren archiviert werden. "Die flächendeckende Aufzeichnung aller telefonischen Beratungsgespräche in allen Filialen ist teuer und nicht praktikabel. Die damit verbundenen Kosten für Banken und Sparkassen werden zwangsläufig an die Kunden weitergegeben und erhöhen auch den Druck auf den einzelnen Berater, einen Abschluss zu erzielen", sagt Brandau. Ein Argument, das Verbraucherschützer nicht gelten lassen. "Es geht darum, die Anlageberatung im bestmöglichen Kundeninteresse zu gestalten. Wenn das einen Preis hat, ist es eben so. Jetzt zahlen Bankkunden wegen schlechter Finanzempfehlungen indirekt in Form einer Minderrendite oder in Form von Verlusten, die dadurch entstehen, weil zu unflexible Produkte verkauft wurden", sagt Mohn.

Bringt die Flut von Richtlinien und Verordnungen am Ende den Durchblick?

Der Ersatz des Beratungsprotokolls durch die Geeignetheitserklärung dürfte im Wesentlichen keine Mehrkosten für die Anbieter bringen. Generell hatten sich Banken, Versicherungen und Wertpapierhäuser eine Entlastung durch die neuen Regeln erhofft. Die Möglichkeit, in bestimmten Fällen - wie etwa der Beratung ohne Geschäftsabschluss - ganz auf Protokollpflichten zu verzichten, gibt es nicht. "Ich bin für eine individuelle Regelung. Erfahrene Anleger sollten die Möglichkeit haben, auf Erklärungen und Protokolle zu verzichten. Wer bereits Aktiengeschäfte tätigt, muss nicht ausführlich auf ein Verlustrisiko hingewiesen werden", sagt Rieger.

Eine generelle Wahlfreiheit der Dokumentationspflichten hat die EU-Regelung nicht gewährt. Finanzexperte Rieger warnt angesichts der Flut von Richtlinien und Verordnungen vor Überregulierung. "Zu viel Bürokratie kann Bankkunden mit Beratungsbedarf vertreiben. Wenn diese Menschen ihre Geldanlage selbst in die Hand nehmen, laufen sie Gefahr, viel größere Fehler zu machen", sagt Rieger. Protokolle und Produktinformationsblätter bringen vielen Kunden oft nur wenig Erkenntnis. "Jedes Finanzgeschäft ist komplex. Wenn die Kunden nicht bereit sind, sich für ihre Altersvorsorge zu interessieren und mehr Zeit einzuräumen, dann kann auch das einfachste Produktinformationsblatt nicht helfen", sagt Brandau.

Künftig wird es die hierzulande bekannten Produktinformationsblätter europaweit geben. In Deutschland erhalten Kunden bei Wertpapiergeschäften die finanziellen Beipackzettel bereits seit 2011 von ihrem Finanzdienstleister. Nun wird ein europaweiter Produktvergleich möglich. Erstmals gibt es künftig Produktinformationsblätter in Deutschland für sogenannte verpackte Finanzprodukte (PRIIPs) für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte. Das sind Produkte, in die ein Anleger nicht direkt, sondern über ein Vehikel, zum Beispiel ein Derivat oder einen Fonds, am Kapitalmarkt investiert.

Wichtigste Auswirkung auf Verbraucher ist die Beweislastumkehr im Falle eines Rechtsstreits nach einer falschen Anlageentscheidung. Hier muss künftig der Anbieter im Schadensfall nachweisen, dass sein Basisinformationsblatt der europäischen Verordnung entspricht. Überraschend ist, dass für Aktien und Anleihen nach EU-Regel kein Produktinformationsblatt gefordert wird. Hier geht die deutsche Rechtslage weiter und bleibt in Kraft. Unterm Strich bringt das Finanzmarktnovellierungsgesetz für deutsche Kunden lediglich kleine Änderungen. Eine abschließende Beurteilung ist aber noch nicht möglich. Wesentliche Details etwa zu den Themen Verbraucherinformation und Transparenzvorschriften werden von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) erst verhandelt. Angesichts der zu erwartenden Verschiebung der Mifid-II-Richtlinie auf Anfang 2018 bleibt dafür noch etwas Zeit.

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