FC Bayern:Peps Abschiedsvorstellung

Borussia Mönchengladbach - FC Bayern München

Nahendes Projektende beim FC Bayern: Trainer Pep Guardiola

(Foto: dpa)

Von Javier Cáceres und Christof Kneer

Am Mittwochabend hat Pep Guardiola seine bevorzugte Bar am Münchner Odeonsplatz besucht. Augenzeugen haben beobachtet, wie sich der Trainer mit Familie und Freunden in einen kleinen Extra-Raum zurückzog, Tüten mit FC-Bayern-Aufdruck wurden gesichtet, Geschenke ausgetauscht. Zwischendurch wurde Guardiola dabei erwischt, wie er auf seinem Handy Sequenzen eines Bayern-Spiels verfolgte, könnte ja sein, dass einem noch eine Winzigkeit auffällt, die einem bei den vorausgegangenen tausend Sichtungen entgangen war. Guardiola ist Guardiola, er ist immer im Dienst. Die Frage ist halt nur: Wie lange leistet er seinen Dienst noch in der Stadt mit der Bar am Odeonsplatz?

Am Nachmittag war Guardiola mit einer FC-Bayern-Delegation noch bei einer Benefizaktion im Zirkus gewesen, und das danach soll ein privater, kleiner Vorweihnachtstreff gewesen sein, kein offizielles Abschiedsfest. Warum auch? Die Saison ist gerade mal zur Hälfte gespielt, und die Spiele, die dem FC Bayern wirklich wichtig sind, die kommen alle noch.

An Franck Ribéry, der erneut länger ausfällt, hat sich wohl wieder ein Ärztestreit entzündet

Der Verein versucht, die Fassade zu wahren, die Klub-Funktionäre schweigen öffentlich und nicht öffentlich, und auch Guardiolas engstes Umfeld hält seit Tagen dicht, darunter auch Assistent Manel Estiarte. Auch Vertraute in Spanien geben sich unwissend und gehen offiziell davon aus, dass Guardiola sich weiterhin alle Optionen offenhält; dennoch verdichten sich die Anzeichen, dass der Zirkus bald ein Ende hat. Im Verein erwarten sie den Abschied ihres Startrainers im Sommer, manche im Klub sollen bereits Bescheid wissen oder zumindest Bescheid ahnen.

Ob sich der verabredete Zeitplan nun, da die Personalie aus allen medialen Leitungen tropft, noch halten lässt, ist unklar; offiziell hieß es ja: Am Sonntag, nach dem Hannover-Spiel, gibt's das Zukunftsgespräch, und danach gibt's die amtliche Bekanntmachung.

Mittlerweile wird aber nicht mehr ausgeschlossen, dass Guardiola unmittelbar nach dem Spiel in Hannover, auf nicht-bayrischem Gebiet, Stellung zu seiner Zukunft bezieht. Vielleicht mit ähnlichen Worten wie 2012 in Barcelona, damals sagte er: "Ich gehe mit dem Eindruck, meine Hausaufgaben gemacht zu haben, und stolz, hier gewesen zu sein, einem Klub von einer beeindruckenden Kraft. Fürchtet Euch nicht, denn wer mir nachfolgt, ist mehr als nur befähigt, meine Arbeit zu machen."

Um wen es sich bei diesem befähigten Menschen handelt, darüber wird natürlich ebenfalls strenges Stillschweigen bewahrt; aber auch hier sind die Anzeichen, wonach der Italiener Carlo Ancelotti, 56, der Auserwählte sein soll, nicht mehr zu übersehen. Ancelotti selbst wurde von internationalen Medien mit der Aussage zitiert, dass er "zu 90 Prozent zu den Bayern" gehen würde, Ancelottis Lager dementiert das allerdings. Es gebe "keinen Kontakt zu den Bayern oder Rummenigge", hieß es am Donnerstag aus seinem Management - eine beliebte Formulierung, die einen indirekten Kontakt keineswegs ausschließt; etwa über italienischen Spielerberater Giovanni Branchini, einen alten Freund des Hauses.

Es wird an einem einvernehmlichen Abschied gearbeitet

Branchini hatte schon bei Guardiolas Verpflichtung eine Rolle gespielt - und im Hintergrund diskret die Fäden gezogen, als Guardiola in New York sein Sabbatical genoss. Ancelotti selbst hat sich nach seinem Abschied bei Real Madrid an Guardiola orientiert und ein Sabbatical in Nordamerika eingelegt; er tourt gerade durch Kanada. Ihm soll, sagen Vertraute, ein "obszönes Angebot" des FC Chelsea vorliegen, das er aber so gut wie verworfen hat - obwohl der Job des entlassenen José Mourinho jetzt zu haben wäre.

Auch andere Klubs wie Manchester United haben offenbar ihr Interesse an Ancelotti hinterlegt, in dessen Vita sich drei Champions-League-Siege mit dem AC Mailand (2003, 2007) und Real Madrid (2014) finden; aber als Ancelottis bevorzugtes Reiseziel gilt München - so wie Guardiolas bevorzugtes Ziel von Kennern mit "Manchester City" angegeben wird. City-Sportchef Txiki Begiristain, beim FC Barcelona einst Mannschaftskamerad von Guardiola und dem Katalanen bis heute freundschaftlich verbunden, soll im kleinen Kreis schon verkündet haben, dass Guardiola die Citizens im Juli 2016 übernehme. Dass schon etwas unterschrieben ist, darf dabei als unwahrscheinlich gelten, "Txiki und Pep brauchen keine Verträge, sie vertrauen einander auch so", sagt einer, der beide kennt.

Man darf gespannt sein, wie die Bayern die Personalie kommentieren, wenn sie offiziell bekannt wird. Offenbar hat sich im Verein zuletzt die Erkenntnis durchgesetzt, dass Guardiola ohnehin nicht bereit sein würde, in München eine Ära zu prägen. Den Trainer weitere drei oder noch mehr Jahre an Bayern zu binden, sei "zu nullkommanull Prozent möglich gewesen", heißt es; Guardiola begreift sich als Projektarbeiter, der drei Jahre in München auf Montage war. Es gefällt ihm sehr gut in dieser Stadt, seine Spieler findet er top-top oder vielleicht sogar top-top-top, aber sein Lebensentwurf, heißt es, sehe im Sommer nun wohl ein neues Projekt vor.

Es wird Bayerns Verantwortlichen ein Anliegen sein, im Falle eines Falles von einem einvernehmlichen Abschied zu berichten, es soll nicht so aussehen, als habe der komplexe und auch komplizierte Grübler aus Katalonien sich nicht verstanden oder wertgeschätzt gefühlt. Die Bayern haben sich tatsächlich sehr um ihn bemüht, allerdings zieht sich Guardiolas Unzufriedenheit mit der medizinischen Betreuung wie ein roter Faden durch seine Bayern-Zeit.

Vertragsverlängerungen von Müller und Boateng stehen bevor

Am Donnerstag berichtete der kicker von einer Neuauflage des Ärztestreits, der sich erneut an der Person Ribéry entzündet haben soll; der Franzose, nach langer Verletzungspause jüngst erst zurückgekehrt, hat beim Spiel in Zagreb einen Muskelbündelriss erlitten und fällt erneut mehrere Wochen aus. Was Guardiola offenbar dem Ärzteteam um Volker Braun anlastet - und das Ärzteteam dem Trainer, der Ribéry nach zwei Trainingseinheiten mit den Kollegen wieder eingesetzt hatte. Darin spiegelt sich noch einmal der Grundkonflikt: Guardiola misstraut den Medizinmännern des Klubs und unterstellt ihnen, die Profis zu lange zurückzuhalten; andersherum sehen es Bayerns Mediziner skeptisch, dass der Trainer frisch genesene Profis gleich wieder wie vollwertige Kaderspieler behandelt.

Sollte sich die Trennung zum Saisonende demnächst bestätigen, werden Guardiola und der Klub alles daran setzen, die gemeinsame Zusammenarbeit mit einer spektakulären Rückrunde zu krönen. Und der FC Bayern wird Zeichen setzen, die erkennen lassen sollen, dass der Verein größer ist als jeder Trainer. So könnten bald wichtige Vertragsverlängerungen mit Thomas Müller und Jérôme Boateng (bis 2021) verkündet werden, nach dem Motto: Unser Spitzentrainer mag vielleicht gehen. Aber unsere Spitzenmannschaft bleibt.

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