SZ-Serie: Edle Geschäfte (6):Fort Knox für jedermann

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Einkaufsgemeinschaften erleben eine regen Zulauf - immer mehr Privatanleger investieren unabhängig von Banken in Edelmetalle.

Simone Boehringer

Ende Januar macht Jürgen Müller Inventur. Aber anders als bei vielen Bestandszählern im Handel und der Industrie gibt es bei ihm keinen Laden, der an diesem Tag geschlossen wäre. Stattdessen setzt sich Müller noch vor dem Morgengrauen in sein Auto und fährt vom schwäbischen Gerstetten in die Schweiz und nach Liechtenstein - zum Barren zählen.

Nicht nur in der Deutschen Bundesbank wird Gold gehortet. (Foto: Foto: dpa)

Zuerst trifft er sich mit drei weiteren Mitgliedern der von ihm 2005 gegründeten Einkaufsgemeinschaft Gold Silber GbR in einem Zollfrei-Lager in der Nähe vom Züricher Flughafen. Dort liegen mittlerweile vierzehneinhalb Tonnen Silber. Das entspricht derzeit etwa einem Marktwert von fünf Millionen Euro. Sie gehören den mittlerweile knapp 570 Gesellschaftern der Einkaufsgemeinschaft, viele davon kommen aus Süddeutschland, aber auch zunehmend aus dem Rest der Republik. Sie haben sich mit Müller zusammengetan, um gemeinsam günstiger Edelmetalle einzukaufen, als es für eine Privatperson alleine möglich wäre.

Enorme Wertsteigerungen

Seit der Kreditkrise der westlichen Banken und der damit verbundenen Rekordjagd der Edelmetallpreise an den Börsen kann sich Müller vor Nachfrage kaum retten. Innerhalb eines Jahres hat sich der Wert der Gerstetter Edelmetallbestände auf zuletzt etwa 7,8 Millionen Euro mehr als verdreifacht.

Einen ähnlichen Zulauf verzeichnen auch Müllers größte Konkurrenten, die Einkaufsgemeinschaften der Popp AG im niedersächsischen Nienburg und die der Vermögensverwaltung Peinemann in Göttingen. Alle haben nach eigenen Angaben vorwiegend Privatanleger als Kunden. Anders als Müller lagern beide das Edelmetall ihrer Kunden jedoch am Stammsitz ihrer Firmen und müssen für die Inventur daher nicht reisen.

Der Vorgang ist dennoch bei allen derselbe: "Wir haben eine Liste mit den genauen Prägungen der Barren. Wir überprüfen, ob alles da liegt und haken ab", beschreibt Müller nüchtern die jährliche Begegnung mit den Tonnen glänzenden Edelmetalls.

In einem halben Tag muss alles erledigt sein, dann wartet das Gold in einem Banktresor der Liechtensteiner Fürstenbank LGT: 140 Kilogramm sollten es sein, vorwiegend in Ein-Kilo-Barren. Eine Größe, die jederzeit auch ausgeliefert werden kann an die Gesellschafter, wenn diese es wünschen. Am späten Abend will Müller wieder daheim sein. Bei der Gesellschafterversammlung Ende Februar wird dann Bericht erstattet.

Warum dieser Aufwand? "Die meisten Menschen kaufen sich physisch Edelmetall, um von einem Staat unabhängig zu sein. Da ist es nur konsequent, Gold und Silber auch unabhängig vom den Großbanken zu verwahren; zumal viele Geldhäuser im Zuge der Kreditkrise schwach kapitalisiert sind", erläutert Müller.

Standorte im Ausland

Dass es gleich zwei ausländische Standorte geworden sind, begründet Müller zum einen mit dem Argument der Risikostreuung, wie sie auch bei herkömmlichen Anlagen empfohlen wird. Das Schweizer Zollfrei-Lager hilft den Schwaben zudem Steuern zu sparen. Solange das Silber dort liegt, müssen sie nämlich keine Mehrwertsteuer darauf zahlen.

"Die 19-prozentige Steuer auf Silberbarren wird nur fällig, wenn sich jemand das Silber ausliefern lässt", erklärt Müller. Der Erwerb von Gold ist grundsätzlich mehrwertsteuerfrei, weil das Edelmetall früher offiziellen Geldcharakter hatte.

Generation Gold

Und dies könnte auch in naher Zukunft wieder so kommen, sind Müller und viele seiner Gesellschafter überzeugt. Vor zwei Jahren outete er sich erstmals öffentlich in einem Buch: Generation Gold; Untertitel: Wie ihr Vermögen und ihre Altersvorsorge einen Staatsbankrott und eine Weltwirtschaftskrise unbeschadet überstehen.

Und je turbulenter die Börsen und je großzügiger die Hilfen von Notenbanken und Staaten, um das angeschlagene Finanzsystem in der Kreditkrise zu unterstützen, desto mehr wirken seine Thesen beim Publikum: "Das Spiel mit den inflationären Geldspritzen der Notenbanken kann noch eine Weile gut gehen." Aber am Ende, ist er fest überzeugt, münde das Ganze "in die Hyperinflation" mit allen negativen Folgen für das bestehende Währungssystem.

Vor drei Jahren gehörte Müller mit seiner Meinung noch zu den Außenseitern am Anlagemarkt. Mittlerweile findet er immer mehr Gleichgesinnte. So meldet etwa die konkurrierende Einkaufsgemeinschaft aus dem niedersächsischen Göttingen derzeit ein Anlagevolumen in Gold, Silber, Platin und Palladium von rund fünf Millionen Euro, verteilt auf 150 Gesellschafter, "Tendenz stark wachsend", wie Gründer Wilhelm Peinemann von der gleichnamigen Vermögensverwaltung betont.

Hyperinflation ist möglich

Er schätzt die Lage ähnlich ein wie Müller: "Es steht uns eine hohe Inflation ins Haus, womöglich auch eine Hyperinflation, die dann zu einer Währungsreform führt", erläutert der vierfache Familienvater, der früher Banker war und sich seine ersten Sporten im Anlagegeschäft bei der Commerzbank verdiente - just 1987, als es zum größten Börsenkrach nach der Weltwirtschaftskrise 1929 kam.

"Ich will den Kunden auch in einer Krise ins Gesicht sehen können, weil ich es schaffe, ihr Vermögen auch dann zu erhalten", beschreibt Peinemann seine Motivation zur Gründung seiner eigenen Vermögenssicherungs-Gemeinschaft. Sie ist ähnlich wie die Einkaufsgemeinschaft Müllers als Gesellschaft bürgerlichen Rechts konzipiert.

Anders als die Schwaben lagern die Niedersachsen ihre Bestände allerdings vor Ort, in den Tresoren einer ehemaligen Sparkassenfiliale. "Da kommen die Kunden immer an ihre Bestände, egal wie es dem Bankensystem geht", sagt Peinemann. Dass Misstrauen ihrer Klientel ist teilweise so groß, dass die Anbieter aller drei genannten Edelmetall-Gemeinschaften mehrfach betonen, dass sie nicht die Schlüsselgewalt zu den Lagerstätten haben.

Über die Tresorzugänge wachen in der Regel beauftragte Notare, Wirtschaftsprüfer oder im Falle der Popp AG die Nienburger Sparkasse. Mit einem Anlagevolumen von zuletzt etwa 44 Millionen Euro ist sie die größte und älteste Einkaufsgemeinschaft im Land.

"Wir dürften außerhalb der Industrie die zweitgrößten Edelmetallbestände nach der Bundesbank haben", meint Marcus Meyn selbstbewusst. Er ist Geschäftsführer der als GmbH & Co. KG aufgesetzten Nienburger Edelmetall-Gemeinschaft und Vorstandsvorsitzender der dahinter stehenden Vermögensverwaltung Popp AG. Die Bestände gehören etwa 4000 Anlegern - sie sind die beschränkt haftenden Kommanditisten der Co. KG.

42 Tonnen Silber im Tresor

Verwahrt werden die derzeit 800 Kilogramm Gold, 430 Kilogramm Platin, etwa 100 Kilogramm Palladium und sage und schreibe 42 Tonnen Silber in einem der wohl sichersten Tresore der Welt. Vor Jahresfrist hat sich die Popp AG nämlich ein Bundesbank-Gebäude gekauft, den ehemaligen Sitz einer Landeszentralbank (LZB) in Nienburg.

"Allein eine der mehreren Tresortüren wiegt 15 Tonnen", sagt Meyn. Wie sehr auch die deutschen Währungshüter für mögliche Krisen vorgesorgt haben, zeigt ein Blick in die sonstigen Kellerräume des Hauses. Dort gibt es unter anderem ein Notstromaggregat, einen Luftschutzbunker und ein Tunnelsystem.

"Die Menschen kommen zu uns, weil viele begriffen haben, dass eine Vermögenssicherung in inflationären Zeiten wie derzeit nur über Sachwerte stattfinden kann", glaubt Geschäftsführer Meyn. Tatsächlich setzt die Popp AG im Gegensatz zu den meisten Vermögenskonzepten bei Banken bei ihren Kunden auf einen ausschließlich an Sachwerten orientierten Anlagemix aus Edelmetallen, Immobilien und unternehmerischen Beteiligungen.

Von solchen umfassenden Investitionsmodellen ist Jürgen Müller weit entfernt. Anders als Peinemann und Popp ist der gelernte Physiker Seiteneinsteiger, der sich auch nicht als Anlageberater versteht: "Ich sehe mich eher als Logistikdienstleister für Anleger, die außerhalb des Bankensystems physisch und sicher in Edelmetalle investieren wollen."

© SZ vom 29.01.2008/sho/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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