Großprojekte in trübem Licht:Spur in den Kreml

14th IAAF World Athletics Championships Moscow 2013 - Day One

Eng verbunden: Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) und Leichtathletik-Chef Lamine Diack bei der WM 2013 in Moskau.

(Foto: Christian Petersen/Getty Images)

In der Dopingaffäre der internationalen Leichtathletik belastet der ehemalige IAAF-Chef Lamine Diack maßgebliche Politiker aus Russland und Senegal.

Von Thomas Kistner

Die Dopingaffäre in der olympischen Königsdisziplin Leichtathletik ist dort angelangt, wo anrüchige Verbindungen zum Spitzensport besonders brisant sind: in der internationalen Politik. Lamine Diack, bis August 16 Jahre lang Boss des Weltverbandes IAAF, soll im November bei polizeilichen Vernehmungen die Annahme von Schmiergeld eingeräumt und neben Russlands Verband die Politik im Kreml und im Senegal schwer belastet haben.

Der ehemalige Antidopingchef der IAAF war sehr angesehen - nun hat er Spielsucht eingeräumt

Übereinstimmend berichten in Frankreich die Tageszeitung Le Monde und die Nachrichtenagentur AFP, dass laut Diack 1,5 Millionen Euro aus Russland in den Präsidentschaftswahlkampf Senegals 2012 geflossen seien. Der Funktionär hatte damals in seiner Heimat den Herausforderer und heutigen Staatschef Macky Sall unterstützt. Alle Beteiligten dementieren die Vorwürfe. Diacks Beitrag in dem angeblich Ende 2011 ausgeheckten Deal soll darin bestanden haben, dass er positive Dopingtests russischer Athleten vertuschen ließ. Der langjährige IAAF-Antidopingchef Gabriel Dollé hat Mauscheleien nach dem Prinzip Geld gegen Betrugsvertuschung schon gestanden. Bezeichnend für die Sportwelt: Dollé, der 190 000 Euro kassiert haben soll, galt im Weltsport bis vor kurzem noch als hochrenommmierter, führender Kopf der Dopingbekämpfung. Nun soll er "Spielsucht" eingeräumt haben.

In Frankreich wird gegen Diack wegen Korruption und Geldwäsche ermittelt. Im Sport ist auch er seit Dekaden hochangesehen, wiewohl er bereits in einem anderen großen Bestechungskomplex auffällig geworden war: im Zuge der Strafermittlungen zur Schweizer Sportagentur ISL, die einst 142 Millionen Franken Schmiergelder an Spitzenleute der olympischen und der Fußball-Welt ausgeschüttet hatte.

Aus den Protokollen gibt Le Monde wieder, dass im Wahlkampf des Senegal 2011/12 Geld benötigt worden sei, um Präsident Abdoulaye Wade abzulösen. Diack wird zitiert: "Es gab Probleme mit Sperren russischer Leichtathleten wenige Monate vor der WM in Russland. Wir einigten uns, und Russland hat finanziert." AFP bestätigte dies, mit Verweis auf eine sichere Quelle.

Als Drahtzieher des Komplotts wird der ehemalige russische Verbandschef Walentin Balachnitschew benannt, der damals auch IAAF-Schatzmeister war. Er habe "alles organisiert", wird Diack zitiert - was Balachnitschew sogleich zurückwies. Der Russe will "nie solche Gespräche mit Diack geführt haben", teilte er mit und konstatierte im Hinblick auf seinen Verband: "Derlei ist nicht in unserem Interesse. Wir können nicht in Senegals Internas eingreifen."

Von Dimitri Medwedew bekommt Diack einen Freundschafts-Orden - in dessen Datscha

Auch Dakar hatte die Vorwürfe hastig dementiert. Ein Regierungssprecher erklärte den Medien auf Anfrage, weder Diack noch Russland hätten "die Kampagne des Kandidaten Macky Sall finanziert, weder direkt noch indirekt". Sall hatte im März 2012 das Amt per Stichwahl gegen Wade gesichert. Im August 2015 erhob er Diack in den Rang eines Kommandanten des Löwenordens.

Diack war im Senegal stets eine zentrale politische Figur: Von 1978 bis 1980 Bürgermeister der Hauptstadt Dakar, später Vizechef der Nationalversammlung. Im November 2011 verlieh ihm Russlands damaliger Staatspräsident Dimitri Medwedew in seiner Datscha einen Freundschafts-Orden. Am Festessen sollen auch Diacks Sohn Papa Massata und Sportminister Vitaly Mutko teilgenommen haben. Diacks Sohn steht ebenfalls im Fokus der Ermittlungen, ob seiner Umtriebe als IAAF-Vermarkter. Mutko ist Wladimir Putins oberster Sportpolitiker, er sitzt auch im Vorstand des Fußball-Weltverbandes Fifa. Soeben schlug Putin den korruptionsgeplagten Fifa-Boss Blatter für den Friedensnobelpreis vor.

Kurz nach den Veröffentlichungen am Freitagabend dementierten alle Beteiligten die berichteten Abläufe. Hatte sich Diack auf Le Mondes Anfrage zunächst nicht geäußert, wies sein Anwalt nun strikt zurück, "dass es eine Verbindung zwischen finanzieller Unterstützung und dem Schicksal russischer Leichtathleten gegeben hat".

Sollte Diack im Polizeiverhör tatsächlich eine Spur in den Kreml gelegt haben, wo er so hoch dekoriert worden war, würde das ein noch trüberes Licht auf andere chronische Doping-Problemfelder des globalen Spitzensports werfen. Im Januar wird die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada neue, weitreichende Enthüllungen präsentieren, im Fokus soll dann auch der Wintersport stehen. Die letzten Winterspiele in Sotschi 2014 wiederum waren Russlands bisher größtes Prestigeprojekt - und ein noch größeres soll 2018 folgen: die Fußball-WM. In dem Kontext untersucht bereits die Schweizer Bundesanwaltschaft, ob bei der WM-Doppelvergabe an Russland und Katar (2022) alles sauber gelaufen ist. Aus fachlicher Sicht stellt sich überdies die Frage, wie es dem russischen Fußball gelingen soll, innerhalb der verbleibenden zweieinhalb Jahre bis Turnierbeginn ein Spitzenteam aufzubauen, das, wie erhofft, um den WM-Titel mitspielt. Die aktuelle Sbornaja ist von der Weltspitze weit entfernt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: