Egmating:Schneeflöckchen und Hirsefladen

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Am Anfang sitzen die Eritreer noch getrennt, am Schluss suchen immer mehr Einheimische den Kontakt. "Alle sind so nett", findet ein Asylbewerber. (Foto: Christian Endt)

In Egmating feiern Musikschüler gemeinsam mit Asylbewerbern und dem Helferkreis

Von Christian Endt, Egmating

"Lasst uns froh und munter sein", "Morgen kommt der Weihnachtsmann" und "Alle Jahre wieder": Anke Steinberg und ihre Musikschüler haben bei ihrem diesjährigen Weihnachtskonzert im Gemeindesaal ein ziemlich konventionelles Programm aufgeboten. Unkonventionell war dagegen Steinbergs Idee, die Feier mit der des Helferkreises Asyl zusammenzulegen. So haben sich ein gemischtes Publikum aus Kindern, Eltern, Flüchtlingshelfern und jungen Männern aus Eritrea im ersten Stock des Egmatinger Gemeindehauses getroffen. Gemischt war auch das Buffet, das sich aus Spenden der Gäste zusammensetzte. Es gab Wurstsemmeln, Lachsrollen mit Spinat, Apfelkuchen. Es gab auch: Injera, ein gesäuertes Fladenbrot aus Hirse. Es sieht aus wie ein dunkler Pfannkuchen, schmeckt aber etwas säuerlich. Injera ist das Grundnahrungsmittel der Eritreer; sie servieren es zusammen mit Salat, einem Fleischeintopf und Kartoffeln. Gegessen wird mit den Fingern.

Zuerst allerdings kam die Musik. Etwa 15 Kinder saßen auf der Bühne des Gemeindesaals, viele kaum so groß wie die Gitarren auf ihren Schößen. Manche zupften verträumt vor sich hin, andere thronten vor dem Publikum wie die ganz Großen der Rockgeschichte. Spätestens bei "Jingle Bells", angesagt von Steinberg als ihr Lieblingslied und das der Schüler, trugen sie die Stimmung hinaus in den Saal, wo jetzt die meisten mitsangen.

"In wenigen Tagen werden wir in den Gottesdiensten die wohl berühmteste Fluchtgeschichte hören", sagte Uschi Breithaupt, Sprecherin des Helferkreises, in ihrer kurzen Ansprache. In den Medien höre man derzeit ja viele Flüchtlingsgeschichten. "Seit einem Jahr haben diese Geschichten für uns auch Gesichter". Zwölf Asylbewerber leben seither in Egmating, allesamt aus Eritrea. Acht wohnen in einer ehemaligen Dienstwohnung der Gemeinde, vier in einem ursprünglich für Obdachlose gedachten Wohncontainer. Breithaupt dankte den vielen Helferinnen - Egmating hat einen rein weiblichen Helferkreis - für ihre Unterstützung als Fahrerinnen, als Arbeitsvermittlerinnen, als Deutschlehrerinnen. Dass die Integration in Egmating funktioniert, dafür spricht, dass immerhin neun der zwölf Flüchtlinge an diesem Abend in den Gemeindesaal gekommen waren. Als das offizielle Programm mit einem zweiten "Jingle Bells" zu Ende ging, vermischten sich die anfangs getrennt sitzenden Lager, saßen Eritreer und Einheimische bei Spezi und Augustiner zusammen. Einige Freundschaften sind schon entstanden, etwa über den Fußballverein. Der Bauhof bietet den Asylbewerbern 400-Euro-Jobs, die ersten konnten schon in Praktika und Lehrstellen vermittelt werden. Auch die gemeinsame Weihnachtsfeier wird sich in diese Erfolgsgeschichte einreihen. "Der Rahmen war total schön", sagte Breithaupt gegen Ende über die Zusammenarbeit mit den Musikschülern. Und ist trotzdem nicht ganz zufrieden: "Es wäre schon 'ne Anerkennung gewesen, wenn der Bürgermeister zehn Minuten da gewesen wäre und drei Sätze gesagt hätte." Außer Breithaupt selbst nahm kein einziger Gemeinderat an der Feier teil. Bürgermeister Eberherr, so Breithaupt, habe am Anfang sogar die Gründung eines Helferkreises für nötig gehalten. Die Eritreer fühlen sich trotzdem wohl. "Alle sind so nett in Egmating", sagte Natnael.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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