Revival alter TV-Serien:Wiedererweckung der TV-Zombies

'Akte X' kehrt mit neuen Folgen 2016 auf ProSieben zurück.

Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson) auf neuer Mission: die Erfolgsserie Akte X kehrt zurück.

(Foto: obs)

Akte X, Gilmore Girls oder Twin Peaks: Warum werden gerade so viele Serien künstlich belebt? Hohe Quoten sind nicht der einzige Grund.

Von Jürgen Schmieder

Im amerikanischen Fernsehen läuft derzeit ein Werbefilm. Ein kräftiger Mann, Typ Dwayne-Johnson-Vin-Diesel-Kreuzung, schwärmt mit tiefer Stimme von der fluffigen Wolke in seinem Mund, wenn er diesen einen Joghurt isst. Der Mann heißt Dominic Purcell, und es ist keine kulturhistorische Barbarei, diesen Namen nicht zu kennen.

Er ist vor zehn Jahren durch die Fernsehserie Prison Break bekannt geworden und war danach in Projekten wie Schwerter des Königs - Die letzte Mission, Vikingdom - Schlacht um Midgard und Superhero Fight Club zu sehen. Es wäre wohl eher eine kulturhistorische Barbarei, all diese Filme gesehen zu haben.

Purcell wirbt für Joghurt und eine Fitnesskette, und das Interesse dieser Firmen an ihm liegt an der Ankündigung des Senders Fox, im kommenden Jahr zehn neue Folgen von Prison Break ausstrahlen zu wollen.

Es ist nur eine von zahlreichen Serien, die nun wiederbelebt werden - wobei das in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist: Protagonist Michael, der Bruder von Purcells Figur Lincoln, hat sich auf dem elektrischen Stuhl für seine Freunde geopfert. Nun wird er lebendig zurückkehren - und laut Fox soll es dafür eine "logische und glaubhafte Erklärung" geben. Aha.

Die Wiederauferstehung alter TV-Serien

Bei einer einzelnen Figur könnte so etwas vielleicht noch funktionieren, bei kompletten Serien ist das kniffliger; sie sind eines natürlichen Fernsehtodes gestorben: fertig erzählte Geschichte, lustlose Schauspieler und Autoren, mangelnde Einschaltquoten.

Nun steht zu befürchten, dass die Zuschauer in einer TV-Zombie-Apokalypse untoter Serien heimsucht werden: Akte X kommt wieder ins Fernsehen, die Gilmore Girls bekommen eine neue Staffel, David Lynch bastelt am Comeback von Twin Peaks. Und das sind nur ein paar Beispiele.

Warum werden gerade jetzt derart viele Serien künstlich belebt - außer natürlich, um an den Rand der kulturellen Bedeutsamkeit verschwundenen Schauspielern zu neuer Relevanz zu verhelfen? Nach der Ankündigung der fünften Staffel schrieb Dominic Purcell auf Instagram, wo er zuvor nostalgische Prison-Break-Fotos eingestellt hatte: "Ich bin dankbar dafür, welche Möglichkeiten uns allen das eröffnet." Uns allen: Das sind er und seine Kollegen.

Natürlich geht es zunächst einmal um Aufmerksamkeit in der US-Serien-Landschaft, in der in diesem Jahr mehr als 330 fiktive Formate für Sender und Streamingportale produziert wurden. Wer bei Zuschauern über bekannte Titel, Figuren und Darsteller einen Pawlowschen Einschalt-Reflex auslösen kann, hat zumindest einen kleinen Vorteil. "Die Menschen wollen mehr von ihren Lieblings-Geschichten und ihren Lieblings-Charakteren sehen", sagt Vince Gilligan.

"Es gibt immer mehr vom Gleichen"

Der kennt sich aus mit Wiederbelebung, er hat einst Akte X produziert und daraus den Spin-Off The Lone Gunmen kreiert, nun hat er aus der skurrilen Breaking-Bad-Figur Saul Goodman die herrliche Serie Better Call Saul erstellt: "Eine Serie sollte immer auch ein künstlerisches Risiko eingehen, jedoch ist wie beim Kino ein gegensätzlicher Trend zu beobachten: Es gibt immer mehr vom Gleichen, manchmal wird das Remake nur zwei Jahre nach dem Original ausgestrahlt. Für mich persönlich gilt: Je mehr wiederbelebte Serien ich sehe, desto weniger kann ich mich dafür begeistern."

Spin-Off, Reboot, Revival: Bei TV-Zombies gibt es verschiedene Stadien der Verwesung

Für die Beurteilung des Trends ist wichtig, die Stadien der Verwesung und die Ansätze der Wiederbelebung zu kennen. Beim Spin-Off wird die Nebenfigur einer Serie zum Protagonisten einer neuen Produktion. Das hat einige der besten Serien hervorgebracht: Frasier etwa (von Cheers), Lou Grant (aus The Mary Tyler Moore Show) oder auch The Colbert Report (aus The Daily Show). Die künstlerische Erfolgsrate bei Spin-Offs ist relativ hoch, das aktuelle Beispiel Better Call Saul ist deshalb grandios, weil es aufgrund der Intonierung ein völlig neues Projekt ist.

Bei einem sogenannten Reboot wird eine Geschichte modernisiert, über neue Charaktere (und meist auch neue Schauspieler) soll sie neue Relevanz erhalten. Das ist vom Superhelden-Kino geborgt, derzeit werden nicht nur Serien (The Odd Couple, Heroes, MacGyver, Xena, Star Trek) recycled, sondern auch Kinofilme (Rush Hour, Minority Report, Uncle Buck) seriell aufbereitet. Erfolgsquote: durchschnittlich - auf jede grandiose Serie kommen etwa fünf gescheiterte Projekte wie Knight Rider oder Melrose Place.

Und dann es gibt noch das Revival: gleiche Welt, gleiche Figuren, gleiche Schauspieler - nur ein paar Jahre später: David Duchovny und Gillian Anderson kehren als FBI-Agenten in Akte X zurück, Lauren Graham und Alexis Bledel sollen in Gilmore Girls schneller reden als ihr Schatten, Twin Peaks kommt zurück - und Dominic Purcell darf in Prison Break wieder aus Gefängnissen ausbrechen. Ein Klassentreffen der Zombies.

Wer sich mit Produzenten und Verantwortlichen - die sich nur äußern, wenn ihr Name nicht genannt wird - darüber unterhält, der bekommt eine vorhersehbare und eine verblüffende Antwort. Die Vorhersehbare: Erfolgreiche Serien versprechen kurzfristig hohe Quoten, Sender sparen sich aufwendige Werbekampagnen.

Die verblüffende Antwort: Zahlreiche Serien werden von Streamingportalen neu aufgelegt - also von jenen Konkurrenten des traditionellen TV, die in den vergangenen Jahren eine Revolution im Konsum kultureller Güter ausgelöst haben. Netflix, Hulu oder Amazon Prime funktionieren anders als klassische Sender: Sie scheren sich nicht um Einschaltquoten - sehr wohl jedoch um die Gesamtzahl der Abonnenten.

Alte Serien sorgen für neue Abonnenten auf den Streamingportalen

Wer also Gilmore Girls, Arrested Development (beide Netflix) oder The Mindy Project (Hulu) sehen will, der kann nicht einfach den Fernseher einschalten - er muss ein Abo abschließen und soll es möglichst nie wieder kündigen. Es verwundert nicht, dass von den Neuauflagen meist keine komplette Staffeln bestellt wurden, sondern nur wenige Folgen, bei den Gilmore Girls sind es gar nur vier. Die Serien-Zombies sollen Frischfleisch anlocken.

Natürlich dürften bei den Neuauflagen auch einige Goldstücke dabei sein - David Lynchs Twin Peaks (auf dem Abosender Showtime) etwa lässt Hoffnung keimen, doch es drohen auch schreckliche Dinge: Im Februar präsentiert Netflix Fuller House, ein Spin-Off (die älteste Tochter C.J. ist nun die Hauptfigur), ein Reboot (neue Charaktere, neue Schauspieler) und ein Revival (es spielt im selben Haus) des Comedy-Klassikers Full House zugleich - und damit ein TV-Frankenstein-Zombie.

Die Vorschau ist wie die Joghurt-Werbung mit Purcell derzeit häufig zu sehen. Ein einsamer Hund erwartet in einem leeren Haus die Rückkehr seiner Herrchen. So beginnen keine Komödien, so beginnen Horrorfilme.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: